Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen einer Kunstmalerin für eine Reise in ein beliebtes Urlaubsgebiet sind als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie die Reise unternommen hat, um am Ziel der Reise wegen des dort vorhandenen landschaftlichen oder kulturellen Umfelds in einer ihrem besonderen Malstil entsprechenden Arbeitsweise tätig zu werden, und private Motive für die Reise ausscheiden.

 

Orientierungssatz

Ausführungen und BFH-Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von Aufwendungen für Reisen (Auslandsreisen, Auslandsgruppenreisen, Kongreßreisen):

 

Normenkette

EStG 1975 § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Kunstmalerin und Grafikerin selbständig tätig. Nach den Darlegungen ihrer Prozeßbevollmächtigten ist sie eine in Fachkreisen anerkannte Künstlerin mit unverwechselbarem Malstil, der von gewissen topographischen Gegebenheiten geprägt ist und vor allem von der Pflanzen- und Tierwelt beeinflußt wird.

In der Zeit vom 17.Mai bis 7.Juni 1975 unternahm die Klägerin eine Reise zu den Seychellen. Nach ihrer Darstellung diente diese Reise der Sammlung von Motiven. Sie hielt diese Motive (überwiegend Landschaften und Pflanzen) in Skizzenbüchern fest und malte hiernach zu Hause Bilder, die zum Verkauf bestimmt waren. Einige kleinere Bilder malte sie schon auf den Seychellen und nahm sie im Flugzeug mit nach Hause.

Die Kosten der Reise (5 566,91 DM) machte sie in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1975 als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Reiseaufwendungen bei der Veranlagung der Klägerin zur Einkommensteuer nicht zum Abzug zu.

Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Im Klageverfahren verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Zum Nachweis ihres Vorbringens legte sie dem Finanzgericht (FG) unter anderem zwei Bücher mit Skizzen, zwei Aquarellskizzen, 14 Detailfotos von Pflanzen sowie Aufnahmen von den nach der Reise entstandenen Bildern mit Seychellen-Motiven vor. Außerdem übergab sie dem FG zwei Tagebücher, in denen im wesentlichen der Tagesablauf während des Aufenthalts auf den Inseln geschildert wird. - Um darzutun, daß die Reise zu den Seychellen keinen Urlaubscharakter gehabt hat, führte die Klägerin außerdem aus, sie habe im Streitjahr mehrere Urlaubsreisen unternommen (1. - 8.März 1975 Skiurlaub in Frankreich, 10. - 27.August 1975 Sommerurlaub in Südtirol, 22.Dezember 1975 bis 3.Januar 1976 Weihnachtsurlaub).

Die Klage wurde abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG aus, Aufwendungen, die durch Reisen ins Ausland veranlaßt seien, führten nur dann zu abziehbaren Betriebsausgaben, wenn die Reisen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen würden und die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen sei (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.November 1978 Grs 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; BFH-Urteil vom 22.November 1979 IV R 88/76, BFHE 129, 269, BStBl II 1980, 152). Im Streitfall hätten private Gründe in einem über das zulässige Maß hinausgehenden Umfang die Reise (mit-)veranlaßt. Die Rechtsprechung habe bei beruflichen Reisen ohne konkreten betrieblichen Anlaß, die nur der Information oder der beruflichen Fortbildung dienen sollten, dem Vorliegen straff organisierter Fachtagungen oder Lehrgängen stets besondere Bedeutung beigemessen. Zwar könne eine Reise auch ohne solche Veranstaltungen beruflich veranlaßt sein. In solchen Fällen seien jedoch an den Nachweis, daß eine private Veranlassung fehle, hohe Anforderungen zu stellen. Das Gericht müsse davon überzeugt sein, daß die Reise auf das intensive Studium eines begrenzten Fachgebiets ausgerichtet sei, das geeignet und dazu bestimmt sei, die gegenwärtige und zukünftige berufliche Tätigkeit zu fördern. Das Gericht müsse ferner davon überzeugt sein, daß die Reise in so straffer Form durchgeführt werde, daß neben dem Studium für eine Beschäftigung mit allgemein interessierenden Reisezielen und für die Erholung kaum noch Gelegenheit bleibe, und daß die Reise schließlich nach der Art der Durchführung (besonders viele Sonn- und Feiertage, Benutzung eines besonders erholsamen Beförderungsmittels) keine Besonderheiten aufweise. Aus den von der Klägerin in ihrem Tagebuch geführten Aufzeichnungen habe das FG diese Überzeugung nicht gewinnen können. Aus den Aufzeichnungen ergebe sich zwar, daß ihr die Reise eine Vielzahl von beruflichen Anregungen vermittelt habe; andererseits sei aus ihnen jedoch auch zu entnehmen, daß das mit dem Aufenthalt auf den Inseln und seiner Ausgestaltung verbundene persönliche Reiseerlebnis nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen sei.

Gegen das Urteil des FG legte die Klägerin die --vom BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene-- Revision ein. Zur Begründung führte sie aus, das FG habe das von ihr vorgelegte Beweismaterial nur unvollständig verwertet. Das FG habe es insbesondere unterlassen, sich mit den Besonderheiten auseinanderzusetzen, die sich aus der beruflichen Situation einer bildenden Künstlerin ergäben.

Anders als bei Reisen zum Besuch von Fachkongressen oder Gruppenreisen zu Informationszwecken komme es bei den Reisen bildender Künstler zu beruflichen Zwecken nicht darauf an, ob die "Reise in straffer Form durchgeführt werde" und ob "neben der eng begrenzten fachlichen Fortbildung noch Gelegenheit für die Beschäftigung mit allgemein interessierenden Reisezielen und für die Erholung" sei. Für bildende Künstler seien Ziele, die wegen ihrer landschaftlichen Reize oder wegen ihrer kulturellen Attraktionen von touristischem Interesse seien, für die Berufsausübung von besonderer Bedeutung; denn gerade die künstlerische Verarbeitung solcher Motive verspreche entsprechende Verkaufserfolge. - Schließlich habe das FG auch den Inhalt des Tagebuches nicht näher gewürdigt; denn sonst hätte es erkennen müssen, daß die dort enthaltenen Aufzeichnungen nichts für eine private Veranlassung der Reise hergäben. Daß sie --die Klägerin-- während ihres Aufenthalts auf den Seychellen auch gegessen, geschlafen und gebadet habe, gebe der Reise keinen touristischen Charakter.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1975 unter Berücksichtigung der Reiseaufwendungen in Höhe von insgesamt 5 566,91 DM neu festzusetzen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Das FG ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Reiseaufwendungen der Klägerin betrieblich veranlaßt sind, von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen.

1. Die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben setzt voraus, daß sie durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Der Begriff der betrieblichen Veranlassung erfordert, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem Betrieb besteht (BFH-Urteil vom 1.Juni 1978 IV R 36/73, BFHE 125, 175, BStBl II 1978, 499). Liegen diese Voraussetzungen vor, so können die Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns grundsätzlich abgezogen werden.

Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die aus betrieblichen Gründen erwachsenen Kosten zugleich Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen darstellen. Diese sog. "gemischten" Aufwendungen sind nach § 12 Nr.1 Satz 2 EStG nicht abziehbar. Die Vorschrift des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG verbietet zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern.

Das Aufteilungs- und Abzugsverbot wird allerdings nach der Rechtsprechung des BFH in gewisser Hinsicht eingeschränkt. Gemischte Aufwendungen sind dann in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die betriebliche Veranlassung bei weitem überwiegt und das Hineinspielen der Lebensführung nicht ins Gewicht fällt und von ganz untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 19.Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

2. Für den Abzug der Kosten einer Reise als Betriebsausgaben ist maßgebend, ob die Aufwendungen objektiv durch die besonderen betrieblichen Gegebenheiten veranlaßt sind und die Befriedigung privater Interessen wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 22.Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70; Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

a) Die Entscheidung, ob betriebsbedingte Aufwendungen vorliegen und die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller Umstände des einzelnen Falles getroffen werden. Es ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang private Gründe die Reise mitveranlaßt haben. Dabei ist die Reise insgesamt und als Einheit zu beurteilen, weil die einzelnen Teile einer solchen Reise von der Planung und der Durchführung her nur im Zusammenhang gesehen werden können (BFH-Urteil vom 15.Juli 1976 IV R 90/73, BFHE 120, 28, BStBl II 1977, 54 --betreffend die Teilnahme eines Arztes am Krebskongreß in Tokio--; vom 28.Oktober 1976 IV R 35/76, BFHE 121, 35, BStBl II 1977, 238 --betreffend die Teilnahme eines Zahnarztes am Zahnärztekongreß in Mexiko-City--; vom 12.April 1979 IV R 106/77, BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513 --betreffend das Halten von Vorträgen auf Fachkongressen--; Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

b) Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der privaten Lebensführung eine Rolle gespielt haben, kommt es in erster Linie auf den Zweck dieser Reisen an.

Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher (beruflicher) Anlaß zugrunde liegt (wie etwa das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongreß oder die Durchführung eines Forschungsauftrags), sind in aller Regel ausschließlich der betrieblichen (beruflichen) Sphäre zuzurechnen, selbst wenn solche Reisen in mehr oder weniger großem Umfang auch zu privaten Unternehmungen genutzt werden. Bei solchen Reisen tritt die Bedeutung von privaten Unternehmungen regelmäßig in den Hintergrund. Das gilt auch für Reisen eines Künstlers, die ausschließlich der Schaffung bestimmter Werke oder der Durchführung eines bestimmten Auftrags dienen (FG Düsseldorf, Senate in Köln, rechtskräftiges Urteil vom 24.Februar 1977 VIII (VII) 118/72 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1977, 415); Aufwendungen für derartige Reisen können steuerrechtlich nicht anders beurteilt werden als die Kosten, die einem Wissenschaftler oder Geschäftsmann durch eine aus unmittelbarem betrieblichen Anlaß unternommene Reise entstehen.

Anders dagegen sind Auslandsreisen zu beurteilen, denen ein solcher konkreter Bezug zur betrieblichen (beruflichen) Tätigkeit fehlt. Hierher gehören insbesondere Reisen zu Informationszwecken (Gruppenreisen zu Studienzwecken, Kongreßreisen). Wegen des Fehlens eines unmittelbaren betrieblichen Anlasses spielen bei dieser Art von Reisen häufig auch nichtbetriebliche (private) Interessen an der Durchführung der Reise eine Rolle. Nach der Rechtsprechung des BFH müssen in derartigen Fällen die Beurteilungsmerkmale, die jeweils für eine private oder betriebliche (berufliche) Veranlassung der Reise sprechen, gegeneinander abgewogen werden (vgl. insbesondere BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). In diesem Zusammenhang kann es z.B. auf die Art der dargebotenen Information, den Teilnehmerkreis, die Reiseroute und den Charakter der aufgesuchten Orte als beliebte Ziele des Tourismus, die fachliche Organisation, die Gestaltung der Wochenenden und Feiertage sowie die Art des benutzten Beförderungsmittels ankommen.

c) Für die Frage, ob eine ohne besonderen Auftrag unternommene Reise einer Kunstmalerin einen konkreten beruflichen Bezug haben und somit "unmittelbar betrieblich veranlaßt" sein kann, ist nicht entscheidend, daß die Malerin am Reiseziel Motive für ihre Werke sucht und dort auch nach diesen Motiven malt.

Man kann zwar in jedem Fall davon ausgehen, daß bei einer derartigen beruflichen Betätigung eine betriebliche Mitveranlassung für die Reise besteht. Häufig werden jedoch für solche Reisen auch private Motive mitbestimmend sein. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Reise in ein beliebtes Urlaubsgebiet führt und der Ablauf der Reise im wesentlichen einer typischen Erholungsreise entspricht. Wie das FG Köln a.a.O. zu Recht ausführt, genügt es für die Bejahung einer (ganz überwiegenden) betrieblichen Veranlassung nicht, daß ein Künstler auf einer Reise, die ansonsten den Charakter einer Erholungs- und Bildungsreise hat, auch Anregungen für sein künstlerisches Schaffen gewinnt. Soll der Reise ein konkreter Bezug zur Berufsausübung beigemessen und sie damit als "unmittelbar betrieblich veranlaßt" angesehen werden können, so muß sie der Künstler ausschließlich deshalb unternommen haben, um am Ziel der Reise wegen des dort vorhandenen landschaftlichen oder kulturellen Umfelds in einer seinem besonderen Malstil entsprechenden Arbeitsweise tätig zu werden. Das muß sich anhand objektiver Merkmale genügend klar feststellen lassen; nötigenfalls sind die tatsächlichen Voraussetzungen für den Betriebsausgabenabzug nachzuweisen (vgl. BFH-Urteil vom 24.Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562).

3. Das FG ist im Streitfall bei der Beurteilung der von der Klägerin gemachten Reiseaufwendungen teilweise von anderen Voraussetzungen ausgegangen. Es hat die von der Klägerin unternommene Reise im wesentlichen nach Maßstäben beurteilt, die von der Rechtsprechung des BFH (Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) für die Beurteilung von Auslandsgruppenreisen zu Informationszwecken entwickelt worden sind, ohne zu berücksichtigen, daß die Klägerin am Reiseziel in nicht unerheblichem Umfang als Malerin tätig war. Das FG hat ausgeführt, zum Nachweis dafür, daß eine wesentliche private Veranlassung fehle, müsse ein Gericht davon überzeugt sein, daß die Reise "auf das intensive Studium eines begrenzten Fachgebietes ausgerichtet ist, das geeignet und dazu bestimmt ist, die gegenwärtige oder berufliche Tätigkeit zu fördern" und daß die Reise "in so straffer Form durchgeführt wird, daß neben diesem Studium für eine Beschäftigung mit allgemein interessierenden Reisezielen und der Erholung kaum noch Gelegenheit bleibt". Auf der Grundlage dieser --von der Rechtsprechung des BFH für Auslandsgruppenreisen zu Studienzwecken entwickelten-- Beurteilungsmerkmale hat das FG seine Entscheidung getroffen. Darin liegt ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung des FG-Urteils führt.

Seiner erneuten Entscheidung wird das FG die oben (zu 2.) dargetane Rechtsauffassung zugrunde zu legen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61113

BStBl II 1987, 208

BFHE 148, 262

BFHE 1987, 262

BB 1987, 599

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