Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlassung von Büroräumen durch Ehefrau an Ehemann - Annahme einer Leistung gegen Entgelt

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Ehefrau kann die Überlassung von Büroräumen an ihren Ehemann (Leistungsempfänger) auch dann wirksam als steuerbare --auf Erzielung des vereinbarten Entgelts gerichtete-- Leistung ausführen, wenn der Leistungsempfänger die Gegenleistung auf eines seiner Konten überweist und die Ehefrau darüber regelmäßig rechtlich und tatsächlich verfügen kann (Abgrenzung zum Ertragsteuerrecht).

 

Orientierungssatz

1. Hinsichtlich der Entgeltlichkeit gilt Entsprechendes, wenn die Ehefrau die Büroräume an eine Sozietät vermietet, an der ihr Ehemann beteiligt ist.

2. Die Annahme einer Leistung gegen Entgelt erfordert eine zum Zweck der Entgeltserzielung erbrachte Leistung (Leistungsaustausch); es muß ein zweckgerichtetes Handeln des Leistenden gegeben sein, das sich auf eine gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung richtet. Im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen ist ein Leistungsaustausch nicht bereits dann zu verneinen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen, deren Vollzug aber nicht vertragsgemäß ist, oder wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; UStG 1980 § 9; UStG 1973 § 9; UStG 1980 § 10; UStG 1973 § 10; UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1973 § 15 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 12 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb zum 1.Januar 1979 ein bebautes Grundstück. Einen Teil des Gebäudes vermietete sie an Dritte als Wohnung. Die gesamten Räume im ersten und zweiten Stock wurden nach Renovierungsarbeiten ab Oktober 1979 als Rechtsanwaltskanzlei verwendet, und zwar bis Jahresende 1981 und vom 1.Oktober 1982 an durch eine Sozietät, an der der Ehemann der Klägerin beteiligt war, und vom 1.Januar bis 30.September 1982 durch den Ehemann allein.

Die Verwendung beruhte auf einem schriftlichen Mietvertrag vom 13.August 1979 zwischen der Klägerin und den beiden Mitgliedern der damals bestehenden Sozietät. Nach der Vereinbarung war die monatliche Miete (zunächst 1 800 DM, ab 1.Januar 1982 2 668 DM, jeweils zuzüglich Betriebskosten) auf ein Konto zu entrichten, das auf den Namen des Ehemanns der Klägerin lautete und über das die Klägerin mitverfügungsberechtigt war.

Die Klägerin verzichtete auf die Steuerbefreiung der Kanzleivermietung und erklärte steuerpflichtige Umsätze sowie Vorsteuerbeträge.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, die Klägerin könne zwar den Vorsteuerabzug nicht beanspruchen, weil der Mietvertrag steuerrechtlich nicht anerkannt werden könne, schulde aber die gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer. Das FA erließ dementsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre (1979 bis 1983).

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es führte aus, die Klägerin habe die Kanzleiräume während der Mietzeit Dritten zum Gebrauch überlassen und hierfür den vereinbarten Mietzins erhalten. Es handle sich dabei um eine umsatzsteuerbare, gegen Entgelt ausgeführte Leistung. Unerheblich sei, daß die Miete auf ein Bankkonto gezahlt worden sei, über das die Klägerin nicht allein verfügungsberechtigt gewesen sei. Ein steuerbarer Leistungsaustausch setze nicht voraus, daß der leistende Unternehmer selbst die Verfügung über das Entgelt erhalte. Es reiche vielmehr aus, daß der Leistungsempfänger das Entgelt um der Leistung willen entrichte.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs.1 Nr.1, § 9 Abs.1, § 10 Abs.1 Satz 2 und § 15 Abs.2 Nr.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Es habe --so bringt es vor-- keine Nutzungsüberlassung gegen Entgelt, sondern steuerfreier Eigenverbrauch vorgelegen, weil die Miete nicht in den Einkommens- und Vermögensbereich der Klägerin gelangt sei.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die umsatzsteuerrechtliche Berücksichtigung des Mietverhältnisses hängt davon ab, ob die Klägerin die Praxisräume gegen Entgelt überlassen hat (§ 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1973/ 1980). Aufgrund der Option zur Steuerpflicht der Vermietungsumsätze (§ 9 UStG 1973/1980) steht ihr dann auch der Vorsteuerabzug zu (§ 15 UStG 1973/1980).

a) Die Annahme einer Leistung gegen Entgelt erfordert eine zum Zweck der Entgeltserzielung erbrachte Leistung (Leistungsaustausch); es muß ein zweckgerichtetes Handeln des Leistenden gegeben sein, das sich auf eine gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung richtet (Senatsurteile vom 7.Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495; vom 28.Januar 1988 V R 112/86, BFHE 152, 360, BStBl II 1988, 473; vom 22.Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913).

b) Entgeltlichkeit in diesem Sinn ist bei Verträgen unter Ehegatten nicht bereits dann zu verneinen, wenn der Leistungsempfänger die Gegenleistung auf ein Bankkonto überweist, über das jeder der beiden Ehegatten allein verfügungsberechtigt ist oder das auf den Namen des Leistungsempfängers lautet und über das der Leistende mitverfügungsberechtigt ist.

Die Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht, die unter solchen Umständen den Betriebsausgabenabzug beim Arbeitgeber- oder Mieter-Ehegatten versagt (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160), läßt sich auf das Umsatzsteuerrecht nicht übertragen. Diese Rechtsprechung beruht auf der Vorschrift des § 12 Nr.1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die der Abgrenzung des privaten und betrieblichen/beruflichen Bereichs im Ertragsteuerrecht dient (BFH-Beschluß in BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160, unter C. III. 1., 2.).

Eine entsprechende Vorschrift enthielt das Umsatzsteuerrecht in den Streitjahren nicht (Senatsurteil in BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913, unter 2. c). Wie der Senat in dieser Entscheidung ausgeführt hat, lassen es die umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten geboten erscheinen, von einer der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung entsprechenden Typisierung abzusehen. Das Umsatzsteuerrecht besteuert nicht gegenseitige Leistungspflichten, sondern tatsächliche Vorgänge (in der Regel zur Erfüllung der Leistungspflichten). Im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen ist ein Leistungsaustausch nach § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1973/1980 danach nicht bereits zu verneinen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen, deren Vollzug aber nicht vertragsgemäß ist, oder wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist (Senatsurteil in BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913).

Bei Vermietung unter Ehegatten ist Entgeltlichkeit im Sinne dieser Vorschriften auch dann gegeben, wenn der Mieter-Ehegatte die Miete auf eines seiner Konten überweist, über das der Vermieter-Ehegatte verfügungsberechtigt ist, sofern der Kontostand diesem regelmäßig ermöglicht, tatsächlich von diesem Verfügungsrecht Gebrauch zu machen.

c) Entsprechendes gilt für die Zeiten der Vermietung an die Sozietäten, an der der Ehemann der Klägerin beteiligt war. Auch hier reicht es zur Bejahung von Entgeltlichkeit aus, wenn die Klägerin tatsächlich über die eingehenden Mietzahlungen verfügen konnte. Wollte die Klägerin in der Weise verfügen, daß sie die Miete ihrem Ehemann zuwendete, so genügt der Eingang der Mietzahlungen auf dem Konto für die Begründung von Entgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung der Kanzleiräume. Selbst der Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts kann dieser den Gebrauch von Gegenständen im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches überlassen (Senatsurteil vom 7.November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269).

d) Das FG wird Feststellungen hierzu nachzuholen haben.

2. Sollte sich ergeben, daß das Mietverhältnis umsatzsteuerrechtlich zu berücksichtigen ist, wird das FG zu prüfen haben, ob die Klägerin die Umsatzsteuer ursprünglich zutreffend erklärt hatte, insbesondere, ob auch die Betriebskosten als Entgelt berücksichtigt wurden (§ 10 Abs.1 Satz 2 UStG 1973/ 1980). Für die Streitjahre ab 1980 wird ferner die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs.5 Nr.1 i.V.m. Abs.4 Satz 1 Nr.2 UStG 1980 zu beachten sein (vgl. dazu den Vorlagebeschluß des Senats vom 24.Juni 1992 V R 151/84, BFHE 168, 477). Dies gilt auch für die Zeiten der Vermietung an die Sozietäten (vgl. Senatsurteil vom 3.Dezember 1992 V R 23/89, NV).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64785

BFH/NV 1993, 65

BStBl II 1993, 728

BFHE 172, 131

BFHE 1994, 131

BB 1993, 1724

BB 1993, 1724 (LT)

DB 1993, 1808 (LT)

DStR 1993, 1293 (KT)

DStZ 1993, 671 (KT)

HFR 1993, 664 (KT)

StE 1993, 450 (K)

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