Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsausgabenabzug eines Selbständigen für sein zu 20 % zu beruflichen Zwecken genutztes häusliches Arbeitszimmer; Zur-Verfügung-Stehen eines betrieblichen Arbeitsplatzes bei einem Mitglied der Geschäftsleitung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nutzt ein selbständig tätiger Steuerpflichtiger sein häusliches Arbeitszimmer zu 20 % zu beruflichen Zwecken und steht ihm für diese Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, so kann er 20 % seiner tatsächlichen Aufwendungen, nicht aber pauschal 1 250 € als Betriebsausgaben absetzen.

2. Ist ein nichtselbständig tätiger Steuerpflichtiger Mitglied der Geschäftsleitung eines Unternehmens, so besteht die widerlegbare Vermutung, dass ihm sein Arbeitsplatz im Betrieb seines Arbeitgebers ständig zur Verfügung steht.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 20.02.2003; Aktenzeichen 10 K 2655/99)

 

Tatbestand

I. Der 1935 geborene und als Rechtsanwalt zugelassene Kläger, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1996 und 1997 als Mitglied der Geschäftsleitung und Syndikus-Anwalt eines Unternehmens nichtselbständig tätig. Die mit ihm zusammenveranlagte Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlussrevisionsbeklagte (Klägerin) erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einem mit dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrag (Verwaltung eines Mietwohnobjektes). Ihr Arbeitslohn wurde pauschal lohnversteuert.

Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für 1996 2 957 DM und für 1997 3 112 DM an Aufwendungen für ein Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Das Zimmer befand sich in der Wohnung der Kläger und war büromäßig eingerichtet. Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärte der Kläger nicht.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht an, weil es nicht zu mehr als 50 % beruflich genutzt worden sei. Der Einspruch, mit dem der Kläger erstmals die Berücksichtigung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus selbständiger Rechtsanwaltstätigkeit begehrte, hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Auf Grund des Vortrags der Kläger, das Arbeitszimmer werde zu ca. 50 bis 55 % für häusliche Arbeiten des Klägers als Geschäftsleitungsmitglied, zu ca. 20 % für seine Anwaltstätigkeit und zu ca. 10 % für Verwaltungsarbeiten der Klägerin genutzt, erkannte das FG nur 20 % der für das Arbeitszimmer geltend gemachten Aufwendungen als Betriebsausgaben aus selbständiger Rechtsanwaltstätigkeit an. Da dem Kläger für seine nichtselbständige Tätigkeit ein Arbeitszimmer beim Arbeitgeber zur Verfügung gestanden habe und das Arbeitszimmer nicht zu mehr als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit genutzt werde, könne er Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten bei seiner nichtselbständigen Tätigkeit geltend machen. Werbungskosten der Klägerin könnten infolge der pauschalen Lohnversteuerung nicht berücksichtigt werden.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 27 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Als selbständiger Rechtsanwalt unterliege der Kläger der Kanzleipflicht (§ 27 BRAO); eine Rechtsanwaltskanzlei sei kein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Aus der Gesetzesbegründung des Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 1996 (BTDrucks 13/1686, 16) ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Kanzlei eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters von der Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs ausnehmen wollte. Unerheblich sei, dass der Kläger keine Einnahmen aus selbständiger Rechtsanwaltstätigkeit erzielt habe, denn die Kanzleipflicht bestehe auch bei fehlenden Umsätzen. Die Nichtabsetzbarkeit der Kanzleikosten trotz gesetzlicher Kanzleipflicht verletze Art. 12, Art. 3 des Grundgesetzes (GG) und das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Selbst wenn die Kanzlei als häusliches Arbeitszimmer anzusehen wäre, wären die gesamten Aufwendungen hierfür abzugsfähig, da das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten Anwaltstätigkeit darstelle. Der Kläger habe sich dort auf seine künftige Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt vorbereitet, aus der er ab 1998 steigende Einnahmen erzielt habe. Der Vorbereitung für eine künftig erfolgreiche selbständige Rechtsanwaltstätigkeit habe auch die im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübte Tätigkeit für Rechtsausschüsse der Industrie gedient. Unabhängig hiervon hätten die Aufwendungen für das Arbeitszimmer auch insoweit anerkannt werden müssen, als dem Kläger betriebsbedingt an Freitagnachmittagen, -abenden und an Feiertagen, Samstagen und Sonntagen die Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatzes nicht möglich gewesen sei (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. August 2003 VI R 17/01, BFH/NV 2003, 1651, und VI R 41/98, BFH/NV 2003, 1647). Da das FG diesen Vortrag der Kläger nicht berücksichtigt habe, habe es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Aufwendungen für das Arbeitszimmer in 1996 in Höhe von 2 957 DM und in 1997 in Höhe von 3 112 DM in voller Höhe steuermindernd anzuerkennen, hilfsweise jeweils Aufwendungen in Höhe von 2 400 DM zu berücksichtigen, und das FA ab Rechtshängigkeit zur Zahlung der gesetzlichen Zinsen auf der Grundlage der den Revisionsklägern zuerkannten Erstattungen zu verurteilen. Ferner beantragen sie sinngemäß, die Anschlussrevision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das FG Köln zurückzuverweisen, hilfsweise die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FG habe § 76 FGO verletzt. Es hätte den Umfang der tatsächlichen Nutzung des Zimmers und die Art der dort ausgeübten Rechtsanwaltstätigkeit aufklären müssen. Dies habe sich ihm aufdrängen müssen, weil der Kläger nachweislich nicht als selbständiger Rechtsanwalt nach außen hin tätig gewesen sei. Beides sei für den Umfang des Abzugs entscheidungserheblich.

Auch Kanzleiräume würden von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erfasst. Ein unbeschränkter Abzug der Aufwendungen scheide aus, weil das Zimmer nicht der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung des Klägers gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

II. A. Die Revision der Kläger ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Zwar hat die Revision der Kläger im Hauptantrag ―unbegrenzter Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer― keinen Erfolg. Im Übrigen aber hat das FG zu Unrecht (anteilige) Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen der Tätigkeit des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit mit der Begründung unberücksichtigt gelassen, dem Kläger habe im Unternehmen seines Arbeitgebers ein Arbeitsplatz i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung gestanden.

1. Die Aufwendungen für den hier streitigen Raum in der Wohnung der Kläger unterliegen auch insoweit der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, als der Kläger ihn als "Kanzlei" nutzt.

a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1, ggf. i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn bzw. den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nicht mindern. Häusliches Arbeitszimmer in diesem Sinn ist ein Raum, der seiner Lage nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und nach Ausstattung und Funktion vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder organisatorischer Arbeiten dient (BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185). Nach den für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) befindet sich der streitige Raum in der Wohnung der Kläger und ist büromäßig eingerichtet.

b) Aus der Kanzleipflicht für Rechtsanwälte nach § 27 BRAO ergibt sich nichts Anderes. Den in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG getroffenen Regelungen liegt die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann steuerlich abziehbar sein sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit unerlässlich ist. Das ist nach der insoweit abschließenden gesetzlichen Beschreibung der Fall, wenn entweder ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht oder ein bestimmtes Nutzungsmaß im Verhältnis zur gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit erreicht wird (BFH-Urteil vom 27. September 1996 VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68). Diese sämtliche Einkunftsarten erfassende Regelung dient der gleichmäßigen steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und damit der steuerlichen Belastungsgleichheit, die eine unterschiedliche Besteuerung allein nach Einkunftsart (vgl. Bundesverfassungsgericht ―BVerfG― II. Senat, Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88) als auch zwischen den innerhalb ein und derselben Einkunftsart erfassten verschiedenen Berufen verbietet. Die beschränkte Absetzbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar (BVerfG-Urteil vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162).

Entgegen der Meinung der Kläger wird diese Gesetzesauslegung durch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/1686, 16) bestätigt. Der Gesetzgeber wollte die Kanzlei eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters "von der Begrenzung der Höhe nach" ausnehmen. Daraus folgt, dass die Kanzlei dem Grunde nach, sofern sie die Merkmale eines häuslichen Arbeitszimmers aufweist, von der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erfasst wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139). Unmaßgeblich ist auch, dass es sich insoweit um die einzige Betriebsstätte des Steuerpflichtigen handelt (BFH in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185, unter II.2.).

2. Die Voraussetzungen für einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 2. Halbsatz EStG liegen nicht vor.

a) Dem Grunde nach kann der Kläger die ―anteiligen― Aufwendungen für das Arbeitszimmer insoweit geltend machen, als er den Raum für seine freiberufliche Tätigkeit nutzt.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 2. Halbsatz i.V.m. Satz 2 EStG können die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 5 EStG) abgezogen werden, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Übt ein Steuerpflichtiger ―wie der Kläger― mehrere betriebliche oder berufliche Tätigkeiten aus, ist im Bezug auf jede dieser Tätigkeiten gesondert zu prüfen, ob ein anderer Arbeitsplatz i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 2. Alternative EStG hierfür zur Verfügung steht. Dies folgt aus dem Gesetzeswortlaut, wonach dem Steuerpflichtigen für die betriebliche "oder" berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehen darf (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. August 2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78). Dem Kläger steht für seine Rechtsanwaltstätigkeit ―unstreitig― kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung.

b) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 2. Halbsatz EStG können die Aufwendungen ohne Begrenzung nur abgezogen werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers bildet. Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung ist nicht isoliert für einzelne Tätigkeiten, sondern nur für sämtliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen zu bestimmen (BFH-Urteile in BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; vom 13. Oktober 2003 VI R 27/02 BFHE 204, 88, BStBl II 2004, 771). Die ursprüngliche Fassung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG im Entwurf des Jahressteuergesetzes 1996 (BTDrucks 13/1686, 16: "oder") ist nicht Gesetz geworden. Die gesamte betriebliche und berufliche Tätigkeit des Klägers umfasst seine nichtselbständige Arbeit und seine Tätigkeit als Freiberufler. Dass das Arbeitszimmer Mittelpunkt seiner selbständigen Tätigkeit ist, reicht nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 2. Halbsatz EStG für einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug nicht aus.

c) Das FG hat zu Recht die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nur in Höhe von 20 % als Betriebsausgaben bei der freiberuflichen Tätigkeit anerkannt. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO; siehe unten B.) hat der Kläger das häusliche Arbeitszimmer zu 20 % für seine Rechtsanwaltstätigkeit genutzt. Nur in diesem Umfang sind die Aufwendungen betrieblich veranlasst.

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Wird ein Wirtschaftsgut im Rahmen mehrerer Einkunftsarten genutzt, sind die durch die jeweilige Einkunftserzielung veranlassten Aufwendungen ―ggf. im Schätzungswege― aufzuteilen (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 4 Rz. 29; Blümich/Wacker, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 285p; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz, Kommentar, § 4 EStG Rz. 836). Dies gilt auch für ein häusliches Arbeitszimmer. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG beschränkt den Abzug von betrieblich veranlassten Aufwendungen, erweitert ihn aber nicht. Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16. Juni 1998, BStBl I 1998, 863 Tz. 15 ff. enthält insoweit eine zutreffende Gesetzesauslegung. Der gegenteiligen Auffassung in dem von den Klägern zitierten Urteil des Niedersächsischen FG vom 19. Dezember 2003 1 K 341/01 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2004, 714) ist nicht zu folgen.

3. Im Streitfall ist auf Grund des Vortrags des Klägers im Klageverfahren nicht ausgeschlossen, dass die Aufwendungen ―anteilig― Werbungskosten (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) im Rahmen seiner nichtselbständigen Arbeit sind.

a) Ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Er steht dann gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit … zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Weise tatsächlich nutzen kann. Es reicht nicht aus, dass er nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die grundsätzlich auch an dem anderen Arbeitsplatz verrichtet werden können (BFH-Urteile in BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78; vom 20. November 2003 IV R 30/03, BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775). Ist das Gebäude, in dem sich der "andere Arbeitsplatz" befindet, aber an Feierabenden und/oder Wochenenden verschlossen, steht dem Steuerpflichtigen für diese Zeit grundsätzlich kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung (vgl. BFH-Urteile vom 7. August 2003 VI R 41/98, BFHE 203, 119, BStBl II 2004, 80; VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83). In diesem Fall kann der andere Arbeitsplatz aber auch dann zu diesen Zeiten zur Verfügung stehen, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, eine Zugangsberechtigung zu beantragen, dies aber unterlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 14. April 2004 VI R 43/02, BFH/NV 2004, 1102).

b) Das FG wird im zweiten Rechtsgang die Richtigkeit der Behauptung des Klägers überprüfen müssen, ihm habe spät abends, an Feiertagen sowie an Samstagen und Sonntagen der Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber nicht zur Verfügung gestanden, weil das Betriebsgebäude abends ab 19 Uhr, an Freitagen ab 13 Uhr sowie am Samstag und Sonntag geschlossen gewesen sei. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist zwar davon auszugehen, dass Mitglieder der Geschäftsleitung im Regelfall eine unbegrenzte Zugangsberechtigung haben. Der Kläger hat aber die Möglichkeit, diesen Erfahrungssatz im Streitfall zu widerlegen. Eine zu den genannten Zeiten fehlende Beheizung des Arbeitsplatzes würde an dem Zur-Verfügung-Stehen des Arbeitsplatzes ebenso wenig ändern wie die Tatsache, dass während der üblichen Arbeitszeiten ein ungestörtes und konzentriertes Arbeiten nicht möglich war (BFH-Urteil vom 7. August 2003 VI R 118/00, BFHE 203, 122, BStBl II 2004, 82).

B. Die Anschlussrevision des FA ist unbegründet. Das FG hat seine Pflicht zu weiterer Sachaufklärung nach § 76 Abs. 1 FGO nicht verletzt.

Der Vertreter des FA hat in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2003 beantragt, der Klage in Höhe von 20 % der geltend gemachten Kosten stattzugeben und im Übrigen die Klage abzuweisen. Unter diesen Umständen hat sich dem FG eine weitere Aufklärung zu der Frage, ob der Kläger das häusliche Arbeitszimmer tatsächlich zu 20 % für seine freiberufliche Rechtsanwaltstätigkeit genutzt hatte, nicht mehr aufdrängen müssen, zumal dieser den Umfang seiner Tätigkeiten auf Aufforderung des FG im Schriftsatz vom 9. Februar 2003 eingehend geschildert hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1326313

BFH/NV 2005, 621

BStBl II 2005, 344

BFHE 2005, 239

BFHE 208, 239

BB 2005, 1259

BB 2005, 649

DB 2005, 584

DStR 2005, 513

DStRE 2005, 550

DStZ 2005, 209

HFR 2005, 633

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