Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat verbleibt bei der im Urteil I 351/56 U vom 18. September 1958 (BStBl 1958 III S. 462, Slg. Bd. 67 S. 492) vertretenen Auffassung, daß eine GmbH & Co KG einkommensteuerlich als Personengesellschaft (nicht als Kapitalgesellschaft) zu behandeln ist. Dem steht nicht entgegen, daß die GmbH & Co KG bisher einkommensteuerlich als Kapitalgesellschaft behandelt wurde, ohne daß sie dagegen Einwendungen erhoben hat. 2. Zur Bindung an Rechtsauffassungen bei früheren Veranlagungen im Rahmen des Grundsatzes von "Treu und Glauben".

 

Normenkette

EStG §§ 4-5, 15/2; AO § 215 Abs. 2

 

Tatbestand

Strittig ist, ob die auf Grund des Vertrages vom Dezember 1922 gegründete GmbH & Co Kommanditgesellschaft "Gebrüder A." steuerlich als Personengesellschaft oder als Kapitalgesellschaft zu behandeln ist.

Die drei Brüder A. haben seinerzeit in die GmbH & Co Kommanditgesellschaft "Gebrüder A." (KG) ihr bisher als OHG betriebenes Unternehmen gegen Gewährung von Kommanditeinlagen in gleicher Höhe eingebracht. Gleichzeitig haben die drei Brüder A. zu gleichen Anteilen die A.-GmbH (GmbH) gegründet, die persönlich haftende Gesellschafterin der KG wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen hat die GmbH die Geschäfte der KG zu führen und ihre eigenen Gesellschafter zu verpflichten, ihre Tätigkeit den Geschäften der KG zu widmen. Dafür hat die KG die Gehälter der Geschäftsführer zu tragen. Ende des Jahres 1955 waren am Stammkapital der GmbH noch einer der Gründer, nämlich O. A., mit rund 9/10 sowie A. A. und R. A. mit rund je 1/20 beteiligt. Die Kommanditeinlagen befinden sich seit der Währungsumstellung zu 2/3 in Händen von O. A. und 1/3 in Händen seiner Ehefrau B. A.

Das Finanzamt sah die KG als nichtbestehend an und rechnete die gesamten Gewinne des Unternehmens bis zum 30. Juni 1957 steuerlich in voller Höhe der GmbH zu. Nach einer Betriebsprüfung führte das Finanzamt Berichtigungsveranlagungen gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO zur Körperschaftsteuer für II/1948 bis 1955 durch. In dem noch nicht entschiedenen Einspruchsverfahren vertraten die Gesellschafter der KG unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 351/56 U vom 16. September 1958 (BStBl 1958 III S. 462, Slg. Bd. 67 S. 492) die Ansicht, daß eine einheitliche Gewinnfeststellung für die KG vorzunehmen und die Körperschaftsteuerbescheide aufzuheben seien. Sie überreichten Handelsbilanzen der GmbH vom 21. Juli 1948 bis zum 30. Juni 1957 und erklärten, daß auf Grund der Bilanzen der "Gebrüder A." die Bilanzen der GmbH ohne weitere Schwierigkeiten hätten erstellt werden können, daß Bücher für die GmbH nicht geführt worden seien und ihrer Ansicht nach auch nicht geführt werden brauchten, da keine Geschäftsvorfälle zu buchen gewesen seien. Den Antrag auf Durchführung einer einheitlichen Gewinnfeststellung lehnte das Finanzamt durch Bescheid mit folgenden Ausführungen ab:

"1. Die auf Grund des Vertrages vom Dezember 1922 gegründete Kommanditgesellschaft "Gebrüder A.", für den Zeitraum ab 21. Juni 1948 bestehend aus der A.-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und aus den Kommanditisten O. A. und dessen Ehefrau B. A., ist steuerlich bis zum 30. Juni 1957 nicht als Kommanditgesellschaft zu behandeln.

Die gesamten Gewinne des Unternehmens für die Zeit vom 21. Juni 1948 bis 30. Juni 1957 sind steuerlich in voller Höhe der A.-GmbH zuzurechnen.

Die Kommanditisten O. und B. A. sind steuerlich an den Gewinnen nicht beteiligt".

Das Finanzgericht erließ ein Zwischenurteil und erkannte die GmbH & Co KG als den Unternehmer des unter der Firma "Gebrüder A." geführten Betriebes an. Es sei nicht zulässig, eine Kommanditgesellschaft der Körperschaftsteuer zu unterwerfen. Auch Treu und Glauben stünden dem nicht entgegen. Die Berichtigungsbescheide seien nicht auf Antrag der Berufungsführer ergangen, sondern gegen ihren Willen. Es könne ihnen nicht verwehrt werden, auf dem Wege über die Gewinnfeststellung die Veranlagung zu ihren Gunsten zu ändern.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist der Ansicht, daß tatsächlich das Unternehmen von der GmbH geführt werde. Es sei hierbei auch zu beachten, daß die GmbH und die übrigen Gesellschafter gegen diese Art der Besteuerung keine Bedenken erhoben hätten, obwohl man schon auf Grund des Urteils des Reichsfinanzhofs I A 532/28 vom 28. Januar 1930, RStBl 1930 S. 165, den Antrag hätte stellen können, das Unternehmen bei der GmbH & Co KG zu besteuern. Die Rechtsbeschwerdegegner hätten sich im Gegenteil immer für die bisherige Art der Veranlagung ausgesprochen. Es widerspreche Treu und Glauben, von dieser Veranlagungsform nunmehr abweichen zu wollen.

Die GmbH & Co KG ist der Ansicht, daß die vom Finanzamt geforderte Veranlagung gesetzwidrig sei und Treu und Glauben auch nicht die Grundlage für diese Art der Veranlagung bilden könne. Die Besteuerung einer GmbH & Co KG sei vor Erlaß des Urteils des Bundesfinanzhofs I 351/56 U vom 16. September 1958 a. a. O. nicht vollkommen klar gewesen. Wie auch das Finanzamt ausführe, habe nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Möglichkeit bestanden, sie als Kapitalgesellschaft zu betrachten. Eine volle Klarheit habe man erst durch das Urteil des Bundesfinanzhofs erlangt. Es könne keinesfalls als ein Verstoß gegen Treu und Glauben angesehen werden, wenn nunmehr die Besteuerung, wie sie sich nach dem Gesetz ergebe, verlangt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. des Vorstehers des Finanzamts ergibt folgendes:

Bei der Frage, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben gegeben ist, muß davon ausgegangen werden, daß die Besteuerung nach dem Gesetz zu erfolgen hat (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -). Ein Abweichen vom formellen Recht kann in der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (ß 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) und in Billigkeitserwägungen (ß 131 AO) begründet sein. Eine verbindliche Zusage (im Gegensatz zur nichtbindenden Auskunft) des Finanzamts kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dann zu einer vom Gesetz abweichenden Beurteilung führen, wenn auf der Zusage des Finanzamts Handlungen des Steuerpflichtigen aufgebaut worden sind, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann nur in engen Grenzen zu einer Abweichung von der Veranlagung nach dem formellen Recht führen. Im einzelnen siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 62/59 S vom 25. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 69), siehe auch Mattern "Treu und Glauben im Steuerrecht" (Verlag Schäffer & Co., GmbH, Stuttgart) Ziff. 31. Auf die engen Grenzen für die Anwendung des Grundsatzes wird auch in den Aufsätzen von Kruse, Steuer und Wirtschaft 1958, Spalten 719 ff. und 1959 Spalten 443 ff. hingewiesen.

Das Einverständnis des Steuerpflichtigen zur Beurteilung einer Rechtsfrage in einem Sinne, die zu einer höheren Besteuerung führen könnte, als es dem Gesetz entspricht, wird schon deshalb nicht die Wirkung einer vom Gesetz abweichenden zulässigen Beurteilung haben können, weil für die Finanzverwaltung gleichartige Wirkungen, wie sie beim Steuerpflichtigen möglich sind, im allgemeinen nicht eintreten werden. Denkbar könnten derartige Fälle dort sein, wo eine Wechselwirkung der Besteuerung zwischen den Gesellschaftern und der Kapitalgesellschaft nach dem Gesetz besteht, und wo bei der Besteuerung der Gesellschafter oder der Kapitalgesellschaft eine bestimmte Rechtsauffassung von seiten der Gesellschafter vertreten worden ist, die folgerichtig auch bei der Gesellschaft oder den Gesellschaftern angewendet werden muß. Denkbar ist eine derartige Wechselwirkung auch bei den verschiedenen Steuerarten, zu denen ein Steuerpflichtiger herangezogen wird, z. B. bei der Einheitsbewertung und der Erfolgsbesteuerung. Siehe z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs I 285/55 vom 21. Juni 1957, Der Betrieb 1957, S. 786.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Eine der Zusage ähnliche Wirkung kann bei einem Steuerpflichtigen dann vorliegen, wenn es sich um Vorgänge tatsächlicher Natur handelt. Hier wird der Steuerpflichtige seine eigene Darstellung in früheren Jahren im allgemeinen gegen sich gelten lassen müssen.

Im Streitfall handelt es sich aber nicht um die Beurteilung tatsächlicher Vorgänge, sondern um die Entscheidung eines bestimmten Rechtsproblems. Im Jahre 1922 wurde eine GmbH & Co KG gegründet. Sie ist in das Handelsregister eingetragen worden. Die mit dieser Gründung verbundenen handelsrechtlichen Wirkungen, insbesondere die Haftung der Kommanditisten mit ihrer Kommanditeinlage, sind somit eingetreten. Hierzu kommt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Steuerpflichtigen an ihrer eigenen Beurteilung, wie sie durch die Eintragung im Handelsregister zum Ausdruck kommt, im allgemeinen festgehalten werden können (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 141/57 U vom 4. November 1958, BStBl 1959 III S. 50, Slg. Bd. 68 S. 130). Das Finanzgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die GmbH & Co KG die Unternehmerin des Betriebs ist. Seine Auffassung widerspricht in keiner Weise dem Akteninhalt. Nach Lage der Verhältnisse wird man seine Feststellung auch als zutreffend ansehen müssen. Auch die Rb. des Vorstehers des Finanzamts bringt keine Gesichtspunkte hiergegen vor. Sie erstrebt im Ergebnis lediglich, die GmbH & Co KG steuerlich wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln. Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß dieser Antrag dem Gesetz widerspricht.

Eine Verwirkung des Anspruches auf eine dem Gesetz entsprechende Veranlagung ist nicht eingetreten. Das in den ursprünglichen Veranlagungen, die auf Grund der Berichtigungsbescheide aufgehoben worden sind, eine Kapitalgesellschaft zur Steuer herangezogen worden ist, kann nicht dazu führen, auch für die Zukunft diese nicht ordnungsmäßige Veranlagung beizubehalten. Dabei erscheint es nicht wesentlich, ob die Firma bewußt oder nicht bewußt diese Art der Veranlagung anerkannt hat. Die Grundsätze, wie sie die Rechtsprechung hinsichtlich der Bindung des Finanzamts an in früheren Jahren vertretene Auffassungen ausgesprochen hat, gelten in gleicher Weise auch zugunsten des Steuerpflichtigen (siehe die neueren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 25/61 U vom 28. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 252; I 141/60 U vom 17. Januar 1961, BStBl 1961 III S. 130, und VI 157/60 U vom 18. November 1960, BStBl 1961 III S. 141).

Das Finanzgericht hat deshalb zutreffend die Notwendigkeit einer einheitlichen Gewinnfeststellung bejaht. Die von den Kommanditisten bezogenen Beträge unterliegen nicht der Besteuerung bei der GmbH.

Die Rb. muß deshalb insoweit als unbegründet zurückgewiesen werden.

Im bisherigen Verfahren hat die Firma in den Steuererklärungen die Bezeichnung gewählt: "Gebrüder A. mit A.-GmbH". In den rechtskräftigen Veranlagungsbescheiden wurde sie bezeichnet: "A.-GmbH, Gebrüder A.". Bei den Berichtigungsveranlagungen wurde die Bezeichnung gewählt: "Gebrüder A. GmbH & Co KG".

Man wird unter diesen Verhältnissen davon ausgehen müssen, daß bei den rechtskräftigen Veranlagungen nicht darüber entschieden werden sollte, ob die GmbH oder die KG die Unternehmerin sei. Die Veranlagungen hatten lediglich die Auffassung zur Grundlage, daß die GmbH & Co KG als Kapitalgesellschaft zur Steuer heranzuziehen sei. Das hat zur Folge, daß in der Frage des Unternehmers bei der GmbH eine rechtskräftige Bindung noch nicht eingetreten ist und die einheitliche Gewinnfeststellung für die KG sich nach § 218 AO entsprechend auch auf die Veranlagung der A.-GmbH auswirkt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410020

BStBl III 1961, 363

BFHE 1962, 263

BFHE 73, 263

BB 1962, 26

DB 1961, 1120

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