Leitsatz (amtlich)

Ist die Fälligkeit des vereinbarten Preises (§ 23 Nr. 1 KVStG 1972) langfristig zinslos hinausgeschoben, ist die Preisforderung mit ihrem nach § 12 Abs. 3 BewG 1965 ermittelten Wert der Berechnung der Börsenumsatzsteuer zugrunde zu legen.

 

Normenkette

KVStG 1972 §§ 17, 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 23 Nr. 1; BewG 1965 § 12

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die 1914 geborene Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war als Kommanditistin an sieben Kommanditgesellschaften beteiligt, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern jeweils eine GmbH gehörte.

Außerdem war sie Mitgesellschafterin zu 1/8 der sieben Verwaltungs-GmbHs, die Komplementärinnen je der einzelnen Kommanditgesellschaften waren. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29. März 1973 überließ die Klägerin ihre Anteile an den genannten Gesellschaften "mit Wirkung vom 1. Januar 1973 an unentgeltlich im Wege der Schenkung zur Alleinberechtigung" ihrem Sohn. In dem Vertrag heißt es weiter, der Sohn verpflichte sich "als Gegenleistung" für den Erwerb der Gesellschaftsanteile seiner Mutter als dauernde Last auf Lebensdauer eine private Versorgungsrente in Höhe des jährlichen entnahmefähigen Gewinns aller Beteiligungen, vermindert um die Vermögensteuer, fällig jeweils nach der Gewinnausschüttung, zu zahlen. Unabhängig von den Ertragsverhältnissen garantierte er seiner Mutter ein jährliches Nettoeinkommen von 50 000 DM. Darüber hinaus wurde der Sohn im Hinblick darauf, daß nach den jeweiligen Gesellschaftsverträgen die Beteiligung nur auf einen Abkömmling eines Gesellschafters übertragen werden kann, verpflichtet, an seine Schwester mit Abschluß des Vertrages einen Ausgleichsbetrag von 1 500 000 DM zu zahlen, der im Zeitpunkt der Beendigung der Rentenzahlung für die Mutter fällig werden sollte. Vorzeitige Zahlung wurde für den Fall der Auflösung der Gesellschaften oder des Ausscheidens des Sohnes aus diesen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden, vereinbart. Der Ausgleichsbetrag ist nach den Vereinbarungen in zehn gleichen Jahresraten, jeweils im vorhinein, zu tilgen, erstmals sechs Monate nach Fälligkeit. Dem Verpflichteten wurde das Recht eingeräumt, wahlweise der Berechtigten den Nießbrauch unter näher beschriebenen Konditionen einzuräumen. Weiter heißt es in dieser Vereinbarung, die Zuwendungen erfolgten im Wege der vorweg genommenen Erbfolge in Anrechnung auf Erb- und Pflichtteilsansprüche. Beide Kinder verzichteten auf Pflichtteilsrechte und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen ihre Mutter.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA-) wertete die Vereinbarung über den Erwerb der Kommanditbeteiligungen und der GmbH Anteile als entgeltliche und damit börsenumsatzsteuerpflichtige Anschaffungsgeschäfte. Nachdem es zunächst die Steuer aus dem Wert der Anteile berechnet hatte, setzte es im Einspruchsverfahren die Börsenumsatzsteuer endgültig wie folgt fest:

Erwerb der GmbH-Anteile an

den Verwaltungs-GmbHs in... Steuer jeweils 6,30 DM

Erwerb der Kommanditanteile

an zwei Kommanditgesellschaften Steuer = 2 717,50 DM

bzw. 781,30 DM

Die Besteuerungsgrundlage errechnete das FA ausgehend von einem entnahmefähigen Gewinn in Höhe von 363 325 DM auf insgesamt (363 325 x 11) 3 996 575 DM + 1 500 000 DM Barbetrag. Von diesem Gesamtentgelt hat das FA einen dem Verhältnis der Nominalwerte für die GmbH- und KG-Anteile entsprechenden Betrag von (0,32 v. H. aus 5 496 575 DM =) 17 644 DM als auf alle sieben nominal gleich hohen GmbH-Anteile entfallend errechnet. Den für die KG-Anteile verbleibenden Betrag von 5 478 931 DM hat es unter Zugrundelegung eines an den Einheitswerten orientierten Aufteilungsmaßstabes auf den Erwerb der KG-Anteile verteilt.

Mit der Klage begehrte die Klägerin die ersatzlose Aufhebung der Steuerfestsetzungen. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ausgeführt, der Überlassungsvertrag vom 29. März 1973 beinhalte lediglich das dingliche Erfüllungsgeschäft eines 1971 gegebenen Schenkungsversprechens. 1971 sei bereits grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Mutter und Sohn dahin erzielt worden, daß der Sohn in die Rechtsstellung seiner Mutter einrücken solle. Es seien auch schon beim Notariat Vorbesprechungen geführt worden. Außerdem enthalte der Überlassungsvertrag kein entgeltliches Anschaffungsgeschäft. Die Mutter habe von Anfang an die Gewinnbezugsrechte zurückbehalten, so daß dem Sohn diese Rechte überhaupt nicht zugestanden haben. Die Auszahlungsverpflichtung an die Schwester könne als verlängertes Gewinnbezugsrecht der Mutter angesehen werden. Im übrigen habe bereits Schenkungsteuer entrichtet werden müssen. Der Erwerb von Kommanditbeteiligungen unterliege nicht der Börsenumsatzsteuer. Zudem handele es sich um einen börsenumsatzsteuerfreien Ersterwerb, weil die Mutter die Beteiligungen seit Gründung innegehabt hatte. Unerfindlich sei schließlich, warum das FA bei der Börsenumsatzsteuerfestsetzung vom Nominalbetrag ausgehe, obwohl die Schenkungsteuerstelle die Ausgleichszahlungen an die Schwester nur mit 431 000 DM angesetzt habe.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage unter Abweisung im übrigen teilweise stattgegeben und die Steuer wie folgt festgesetzt:

1 2625 DM für Kommanditanteilserwerb an der KG 1

548,90 DM für Kommanditanteilserwerb an der KG 2

5,10 DM für GmbH-Anteilserwerb an der Verwaltungs-GmbH

...

5,10 DM für GmbH-Anteilserwerb an der Verwaltungs-GmbH

...

Unter Anwendung von § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 hat es die Gesamtgegenleistung bei Abzinsung der Barleistung auf 3 996 575 DM (Kapitalwert der Rente) + 408 816 DM (Wert der Ausgleichsverpflichtung) = 4 405 391 DM errechnet und entsprechend dem unstreitigen Schlüssel auf die einzelnen Erwerbsvorgänge verteilt. Das FG hat die Revision nur für das FA zugelassen. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1981 S. 257 (EFG 1981, 257) veröffentlicht.

Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Mit der innerhalb der Revisionsfrist von der Klägerin eingelegten Anschlußrevision wird das Klagebegehren weiterverfolgt. Das FA rügt Verletzung von § 23 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG 1972). Die Klägerin bezieht sich pauschal auf ihr bisheriges Vorbringen, rügt Verfassungswidrigkeit der Einbeziehung von Kommanditanteilen an einer GmbH & Co. KG in die Börsenumsatzsteuer und hält die Doppelbesteuerung mit Schenkung- und Börsenumsatzsteuer für unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Die Anschlußrevision der Klägerin ist als selbstständige, weil fristgerecht eingelegte (Anschluß-)Revision statthaft, weil die Beschränkung der Revisionszulassung wegen Unteilbarkeit des Gesamtstreitstoffes unwirksam war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Januar 1970 IV 2/65, BFHE 98, 326, BStBl II 1970, 383; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 17. Oktober 1972 III C 82/71, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung, § 115, Rechtsspruch 115 und vom 16. Oktober 1975 II C 43/73, BVerwGE 49, 232; BVerwG Beschluß vom 11. Januar 1977 IV B 186/76, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 115, Rechtsspruch 164). Sie ist jedoch unbegründet.

I.

Revision der Klägerin:

Zutreffend hat das FG dahin erkannt, daß die Vereinbarung vom 29. März 1973 im Geltungsbereich des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1972 abgeschlossene Anschaffungsgeschäfte (§ 18 Abs. 1 KVStG) beinhaltete.

1. Der Senat folgt dem FG, daß in der grundsätzlichen Übereinstimmung von 1971, der Sohn solle in die Gesellschafterstellung der Mutter nachrücken, noch kein obligatorischer Vertrag über die Abtretung der Gesellschaftsanteile zu erblicken ist. Der konkrete Inhalt der Vereinbarung war damals nach dem Ausmaß der gegenseitigen Verpflichtungen noch nicht festgelegt.

Abgesehen von dem Mangel der Form (vgl. § 15 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - einerseits und § 518 Abs. 1 BGB andererseits, s. aber auch § 518 Abs. 2 BGB) ist vor dem Jahre 1973 noch keine Abtretungsverpflichtung der Klägerin entstanden so daß die Vereinbarung vom 29. März 1973 auch nicht lediglich als Erfüllungsgeschäft anzusehen war.

2. Die Vereinbarung vom 29. März 1973 enthält (auch) Elemente eines Austauschvertrages und damit eines entgeltlichen Vertrages. Die gegenseitigen Verpflichtungen stehen in Wechselbezüglichkeit. Der Umstand, daß in der Vereinbarung eingangs die Rede von einer unentgeltlichen Überlassung ist, tritt hinter dem Inhalt des Vertragswerkes zurück, aus dem die Leistungsverpflichtung des Sohnes zur Erlangung der Leistungen der Mutter deutlich sichtbar wird. Die Vertragsauslegung durch das FG hält einer Überprüfung anhand § 157 BGB stand.

Zutreffend hat das FG auch ausgesprochen, daß nach dem Inhalt der Vereinbarung die Anteile mit Fruchtgenuß übergegangen sind und nicht das Gewinnbezugsrecht bei der Klägerin verblieben ist. Die Rentenansprüche der Klägerin richteten sich ausschließlich gegen den Sohn; eigene Ansprüche gegenüber den Gesellschaftern hatte die Klägerin aufgegeben. Ebenso wie die Übernahme der Rentenverpflichtung gegenüber der Klägerin stellt auch die Leistungsverpflichtung gegenüber der Schwester eine Gegenleistungspflicht des Sohnes dar.

3. Die Vereinbarung vom 29. März 1973 enthält - soweit ein Leistungsaustausch stattfindet - auch Anschaffungsgeschäfte i. S. des § 18 Abs. 1 KVStG 1972, weil sie auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet ist. Als Wertpapiere gelten nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 Dividendenwerte, die § 19 Abs. 2 KVStG 1972 näher definiert als - soweit hier einschlägig - Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 3. September 1975 II R 88/74 (BFHE 117, 106, BStBl II 1976, 7; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11. Juli 1980 1 BvR 517/80, StRK, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 18, Rechtsspruch 19) ausgesprochen hat, sind seit dem 1. Januar 1972 im Hinblick auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 auch die Kommanditanteile an einer KG, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine GmbH gehört, Dividendenwerte i. S. von § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KVStG 1972. Der Senat half auch nach neuerlicher Überprüfung an dieser Rechtsprechung fest.

4. Die Anschaffungsgeschäfte waren auch nicht nach § 22 Nr. 2 KVStG 1972 von der Besteuerung ausgenommen, weil sie nicht auf erstmalige Zuordnung der Gesellschaftsrechte gerichtet waren.

II.

Revision des FA:

Nach § 23 Nr. 1 KVStG 1972 wird die Steuer regelmäßig von dem vereinbarten Preis berechnet. Er hat als regelmäßiger Besteuerungsmaßstab Vorrang vor dem mittleren Börsen- oder Marktpreis (§ 23 Nr. 2 KVStG 1972) sowie dem Wert des Wertpapiers (§ 23 Nr. 3 KVStG 1972). Wie der Senat schon in seiner Entscheidung vom 8. Mai 1974 II 133/65 (BFHE 112, 299, BStBl II 1974, 470) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung sowie der des Reichsfinanzhofs (RFH) ausgeführt hat, kann unter dem vereinbarten Preis (§ 23 Nr. 1 KVStG 1972) nur die Gesamtheit der Leistungen verstanden werden, welche der Erwerber des Wertpapiers vereinbarungsgemäß dem Veräußerer oder in dessen Interesse als Gegenleistung für den Erwerb des Wertpapiers i. S. von § 18 Abs. 1 KVStG 1972 zu erbringen hat. Der so verstandene "vereinbarte Preis" kommt auch dann zum Zuge, wenn sich dadurch ein niedrigerer Besteuerungsmaßstab ergibt als bei Anwendung der Hilfsmaßstäbe der Nrn. 2 und 3 des § 23 KVStG 1972. Er gewährleistet, daß bei teilweise unentgeltlichen Geschäften die Besteuerung nur nach Maßgabe des Besteuerungsgrunds erfolgt (vgl. dazu BFH-Entscheidung vom 25. Januar 1978 II R 43/76, BFHE 124, 246, BStBl II 1978, 258). Besteuerungsgrund sind aber "entgeltliche Verträge", die auf den Erwerb von Wertpapieren gerichtet sind (§ 18 Abs. 1 KVStG 1972), wogegen Schenkungen von Wertpapieren nicht zu den Anschaffungsgeschäften rechnen (vgl. BFH-Entscheidung vom 31. März 1976 II R 25/71, BFHE 119, 82, BStBl II 1976, 532). Daraus folgt, daß ein Erwerbsgeschäft nur insoweit gegeben ist, als eine Gegenleistung vorhanden ist.

Berücksichtigt man dies, so ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß der "vereinbarte Preis" seinem Wert nach der Steuerberechnung zugrunde zu legen ist. Denn für die Beantwortung der Frage nach der Grenze zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Teil eines einheitlichen Geschäfts kann der Wert der Leistung, die der im übrigen durch die Unentgeltlichkeit Begünstigte zu erbringen hat, nicht außer Betracht bleiben. Der Wert dieses Preises ist nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften zu ermitteln, die nach § 1 Abs. 1 BewG 1965 für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben gelten, die durch Bundesrecht geregelt und durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Damit gilt auch im Bereich des § 23 Nr. 1 KVStG 1972 der aus § 12 BewG 1965 sich ergebende Wertansatz, wie auch die Nummern 3 und 4 der genannten Vorschrift hinsichtlich der Findung des Wertes des bezeichneten Steuermaßstabes auf das Bewertungsgesetz verweisen. Die vom Sohn zu erbringende Barleistung (Ausgleichsleistung an die Schwester) ist nicht nach § 12 Abs. 1 BewG 1965 mit dem Nennwert anzusetzen, weil die Konditionen für diese Schuld als langfristig unverzinslich hinausgeschobene Zahlungsverpflichtung einen besonderen Umstand darstellen, der einen geringeren Wert begründet. Damit aber hat das FG zutreffend den Wert unter Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG 1965 in der hier maßgebenden Fassung berechnet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413649

BStBl II 1981, 649

BFHE 1981, 450

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