Leitsatz (amtlich)

1. Die Vergütung, die ein Grundstückseigentümer dafür erhält, daß er einem anderen die Entnahme einer genau bestimmten Sandmenge aus seinem Grundstück innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums gestattet, ist insbesondere dann als Pachteinnahme zu behandeln, wenn der Erwerber des Sandes in dem Ausbeutevertrag Verpflichtungen übernimmt, die für einen Kaufvertrag atypisch sind.

2. Die aus einem solchen Ausbeutevertrag erzielten Einnahmen rechnen grundsätzlich zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, selbst wenn die Grundstücke zu dem landwirtschaftlichen Besitz des Steuerpflichtigen gehören.

 

Normenkette

EStG § 13 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 21 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten sind Eheleute (Steuerpflichtige). Sie betreiben neben einer Gastwirtschaft einen landwirtschaftlichen Betrieb.

Im Jahre 1961 haben die Steuerpflichtigen zwei Verträge über die Abgabe von Sand aus zwei zu ihrem landwirtschaftlichen Besitz gehörenden Grundstücken abgeschlossen. Die Verträge, die jeweils als "Kaufvertrag" bezeichnet sind, lauten im wesentlichen gleich. Nach dem ersten Vertrag "veräußern" die Steuerpflichtigen eine bestimmte Menge Sand zu einem festen Preis. Vertragsgemäß ist der Preis sofort zahlbar. Nach dem zweiten Vertrag "verkaufen" die Steuerpflichtigen aus einem anderen Grundstück eine bestimmte Menge Auffüllsand ebenfalls zu einem Festpreis. Die Erwerber des Sandes waren nach diesem Vertrag verpflichtet, bei Beginn der Ausbeutearbeiten eine Anzahlung von 25 000 DM zu leisten. Den Rest sollten sie nach Abschluß der Arbeiten zahlen. In beiden Verträgen ist folgendes einheitlich geregelt: Die Entsandung erfolgt durch die Erwerber in eigener Regie. Den Erwerbern steht ein Besitzrecht an dem jeweiligen Grundstück nicht zu. Der Sand geht mit dem Abbau in ihr Eigentum über. Die verkaufte Sandmenge ist eine "künftig bewegliche Sache". Demgemäß erfüllen die Steuerpflichtigen den Kaufvertrag durch Abgabe der vereinbarten Sandmenge. Sie leisten keine Gewähr für Art und Güte des verkauften Sandes, stehen jedoch für das Vorhandensein der vereinbarten Sandmenge ein. Die Erwerber verpflichten sich, vor der Sandentnahme den Mutterboden abzutragen und nach der Entnahme in gleicher Stärke ebenflächig wieder aufzutragen.

Die Zahlungen auf den ersten Vertrag wurden in sechs ungleichmäßigen Raten entrichtet. Der Abbau erfolgte von Anfang Mai 1961 bis Mitte Juli 1961. Die Zahlungen auf den zweiten Vertrag wurden vertragsgemäß geleistet. Der Abbau aus dem zweiten Grundstück wurde in den Monaten Dezember 1961 bis März 1962 durchgeführt.

Das FA (Beklagter und Revisionskläger) behandelte die Einkünfte aus den beiden Verträgen bei der - berichtigenden - Einkommensteuerveranlagung 1961 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Den Einspruch wies es als unbegründet zurück.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG hob die Einspruchsentscheidung und den ihr zugrunde liegenden Steuerbescheid für 1961 auf. Es führte im wesentlichen aus: Die Einkünfte aus beiden Verträgen seien einkommensteuerfrei. Sie stammten aus dem Verkauf von Bodenbestandteilen. Regelmäßig seien Substanzausbeuteverträge zwar als Pachtverträge anzusehen mit der Folge, daß insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorlägen auch wenn die ausgebeuteten Grundstücke zum landwirtschaftlichen Besitz gehörten. Wenn die Mineralien jedoch in genau bestimmter Menge durch einen einmaligen Liefervorgang veräußert würden, liege ein Kaufvertrag vor. Das sei hier gegeben. Denn Vertragsgegenstand sei im Streitfall der mengenmäßig bestimmte Sand, nicht das Ausbeuterecht gewesen. Er sei den Erwerbern in einem "einmaligen Liefervorgang" verschafft worden. Die kurze Abbauzeit weise darauf hin, daß es sich um einen fortlaufenden, ununterbrochenen Arbeitsvorgang gehandelt habe. Es sei unerheblich, daß die Erwerber des Sandes alle Handlungen, wie z. B. Abbau und Abfuhr des gewonnenen Sandes, selbst hätten durchführen müssen. Auch die kurzfristige Gestattung, die Grundstücke zu benutzen, um die Vorkommen auszubeuten, und der tatsächlich auch nur drei Monate dauernde Arbeitsvorgang, sprächen nicht gegen die Annahme eines Kaufvertrags. Regelmäßig sei auch bei einem Kauf die Benutzung von Sachen des Verkäufers notwendig (z. B. Benutzung und Befahren der Wege auf Grundstücken des Verkäufers und Benutzung von Plätzen zur vorübergehenden Abstellung von Maschinen). Die Pflicht der Erwerber, den Mutterboden nach dem Abbau wieder aufzutragen, sei im Rahmen der Verträge von untergeordneter Bedeutung.

Mit der Revision rügt das FA, das FG-Urteil beruhe auf einer Verletzung von § 21 EStG. Mit der Festlegung der Sandmenge werde die Nutzungsberechtigung im Rahmen des Pachtvertrags umschrieben. Aus den Vertragsbestimmungen gehe hervor, daß die Abbauunternehmen erhebliche Risiken bei der Sandausbeute hätten übernehmen müssen. Das sei bei normalen Kaufverträgen nicht üblich.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

Die Abgrenzung zwischen Pacht- und Kaufverträgen ist bei Verträgen über die Gewinnung von Bodenbestandteilen nach bürgerlichem Recht schwierig. Sie entscheidet sich nach Würdigung der Gesamtheit aller Umstände (vgl. Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 2, 10. Aufl., Vorbemerkung 6 vor § 581 und Vorbemerkung 6 vor § 433). Pacht liegt aber vor, wenn das Schwergewicht auf der Fruchtgewinnung durch Ausbeute liegt (so Soergel-Siebert, a. a. O.). Auch der BFH geht davon aus, daß die Abgrenzung zwischen einem Pacht- und einem Kaufvertrag bei Ausbeuteverträgen flüssig ist (vgl. das Urteil I 102/60 vom 5. Juni 1962, HFR 1962, 271). Er behandelt jedoch in ständiger Rechtsprechung Verträge über die zeitlich begrenzte Überlassung von Grundstücken zur Ausbeutung von Bodenschätzen grundsätzlich als Pachtverträge (vgl. zuletzt das Urteil VI 161/65 vom 2. März 1966, BFH 86, 128, BStBl III 1966, 364, und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Einnahmen, die dem Grundstückseigentümer als Gegenleistung für die Überlassung der Bodenschätze zufließen, sind deshalb regelmäßig Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (vgl. die Urteile des BFH VI 161/65, a. a. O.; VI 331/64 vom 30. Oktober 1967, BFH 90, 215, BStBl II 1968, 30). Nur wenn die Steuerpflichtigen selbst den Sand abgebaut und ihn danach an ihre Kunden abgegeben hätten, läge ein Kaufvertrag vor. Ausnahmsweise kann auch ein Ausbeutevertrag, wenn also der Erwerber die Bodenschätze entnimmt, ein Kaufvertrag sein, z. B. dann, wenn es sich um eine einmalige Lieferung einer fest begrenzten Menge von Bodenschätzen handelt (vgl. die Urteile des BFH VI 208/63 vom 13. November 1964, HFR 1965, 209; VI 161/65, a. a. O.).

Das FG hat zu Unrecht einen solchen Ausnahmefall angenommen. Die rechtliche Würdigung der vorliegenden Verträge ergibt, daß auch hier Pachtverträge gegeben sind.

Die Bezeichnung der Verträge als "Kaufvertrag" ist nicht entscheidend. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen. Es kommt auf den wirtschaftlichen Gehalt eines Vorgangs an, und es ist jeweils festzustellen, ob die bürgerlich-rechtliche Bezeichnung das, was die Beteiligten gewollt und vollzogen haben, wirklich zutreffend wiedergibt (vgl. das Urteil des BFH VI 331/64, a. a. O.).

Was im Streitfall vereinbart und durchgeführt ist, entspricht nicht dem Typus "Kaufvertrag", wie er in § 433 BGB umschrieben ist. Durch einen Kaufvertrag wird der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und zu übereignen. Der Käufer hat den Kaufpreis zu zahlen. Daß der Preis im Streitfall in Raten gezahlt wurde, steht zwar einem Kaufvertrag nicht entgegen. Es ist aber für einen Kaufvertrag nicht typisch, daß der Erwerber die Kaufsache selbst abbauen, d. h. aus dem Grundstück gewinnen muß; denn regelmäßig hat der Verkäufer die Sache zu "übergeben". Da unter "Übergabe" im Sinne des § 433 BGB die Verschaffung des unmittelbaren körperlichen Besitzes an der verkauften Sache zu verstehen ist (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 28. Aufl., § 433 Anm. 2 A a), genügt es für die Verneinung eines Kaufvertrags allerdings nicht, allein darauf abzustellen, daß die Vertragspartner der Steuerpflichtigen den Sand selbst abholen mußten. Ein Kaufvertrag kann bei der gegebenen Sachgestaltung vielmehr nur verneint werden, wenn zusätzlich zu dem Selbstabbau durch die Erwerber noch weitere Umstände hinzukommen, die für einen Kaufvertrag atypisch sind. Das ist hier der Fall. So haben sich die Erwerber des Sandes u. a. dazu verpflichtet, den Mutterboden abzutragen und ihn später in gleicher Stärke, und zwar ebenflächig, wieder aufzutragen. Das heißt, sie mußten den Boden nach Beendigung der Abbauarbeiten planieren und für die Landwirtschaft wieder nutzbar machen. Wenn die Steuerpflichtigen im Streitfall eine fest begrenzte Menge Sand abgegeben haben, so war es doch keine "einmalige Lieferung" (vgl. die Urteile VI 208/63, a. a. O.; VI 161/65, a. a. O.). Denn eine im Sinne eines Kaufvertrags typische "Lieferung" seitens der Steuerpflichtigen kann angesichts der erheblichen, den Erwerbern des Sandes auferlegten Arbeitsleistungen nicht angenommen werden.

Es kommt hinzu, daß die Steuerpflichtigen nach den Verträgen keine Gewähr für die "Art und Güte" des Sandes leisteten. Nach § 459 BGB ist die Gewährleistung jedoch typisch für einen Kaufvertrag, wenn sie auch abdingbar ist (vgl. Palandt, a. a. O., Vorbemerkung 3 vor § 459). Bei der Grundstückspacht gestattet demgegenüber der Verpächter dem Pächter des Grundstücks u. a. den Genuß der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind (§ 581 BGB). Damit wird offenbar, daß der Pächter - wie im Streitfall - nicht so sehr einen Anspruch hat, Früchte in ganz bestimmter Art und Güte zu ziehen. Folglich stehen die vorliegenden Verträge dem Typus "Pachtvertrag" viel näher als dem Typus "Kaufvertrag". Daß von einem Pachtvertrag auszugehen ist, bestätigt auch der Umstand, daß zwar nach der weiteren Formulierung ein Besitzrecht an dem jeweiligen Grundstück den Erwerbern "nicht eingeräumt" wird; jedoch widerspricht dies dem tatsächlichen, ebenfalls vertraglich festgelegten Vollzug, daß die Erwerber den Sand selbst abzubauen hatten.

Entgegen der Auffassung des FG spricht es nicht für einen Kaufvertrag, daß der Sand nach den Verträgen als "künftig bewegliche Sache" anzusehen ist. Denn vom Pächter gezogene Sachfrüchte werden ebenfalls bewegliche Sachen. Auch eine verhältnismäßig kurze Dauer der Abbauzeit ist für die Frage, ob ein Kauf- oder ein Pachtvertrag abgeschlossen wurde, nicht ausschlaggebend (vgl. das Urteil des BFH VI 161/65, a. a. O.). Schließlich steht das BFH-Urteil V 286/56 vom 26. März 1957 (HFR 1963, 273) nicht im Widerspruch zum vorstehenden Ergebnis. In diesem Urteilsfall, in dem der BFH einen Kaufvertrag bejahte, war - soweit ersichtlich - der Erwerber des Sandes nicht verpflichtet, den Mutterboden wieder ebenflächig aufzufüllen. Es ist in dem Urteil auch nichts dafür dargetan, daß der Grundstückseigentümer für die Art und Güte des Sandes keine Gewähr übernommen hat. Auf diese Umstände stellt der Senat jedoch trotz der von den Steuerpflichtigen vorgetragenen Einwendungen seine Entscheidung im vorliegenden Fall wesentlich ab.

Danach liegen im Streitfall Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor. Sie können entgegen dem Begehren der Steuerpflichtigen nicht zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gerechnet werden. Es sind zwar Fälle denkbar, in denen Einnahmen eines Landwirts aus der Verpachtung von Grundstücken zu seinen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören. Das wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der die Landwirtschaft weiterbetreibende Landwirt eine entlegene Parzelle verpachtet, weil eine Bebauung für ihn derzeit unwirtschaftlich erscheint. Wenn aber, wie hier, hinsichtlich des Abbaues kein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb vorliegt, weil nicht ersichtlich ist, inwieweit der Abbau dem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt ist (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG), und wenn schließlich die Einnahmen aus dem Abbau im Verhältnis zu denen aus Land- und Forstwirtschaft so erheblich wie im Streitfall sind, kann nicht davon ausgegangen werden, daß diese Einkünfte nach § 21 Abs. 3 EStG zu denjenigen aus Land- und Forstwirtschaft gehören. Das erscheint insbesondere deshalb ausgeschlossen, weil die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in § 13 Abs. 1 EStG enumerativ aufgezählt sind und weil der Abbau von Bodenschätzen dort nicht erwähnt ist (vgl. auch das Urteil des BFH IV 365/59 U vom 10. Juli 1963, BFH 78, 289, BStBl III 1964, 116). Auf die von den Steuerpflichtigen weiter angeschnittene Frage, ob die Abbaugrundstücke aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb entnommen worden sind, kommt es für die steuerliche Beurteilung der Einnahmen aus dem Abbaugeschäft nicht an.

Da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die vom FA in der Einspruchsentscheidung vertretene Rechtsansicht ist zutreffend, so daß die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68889

BStBl II 1970, 210

BFHE 1970, 542

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