Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliches Eigentum aufgrund eines Miet-Kaufvertrags - Voraussetzungen für das Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums - wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit in der Handelsbilanz

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Wirtschaftsgut kann einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen sein, wenn es dem anderen aufgrund eines "Miet-Kaufvertrags" überlassen wird.

 

Orientierungssatz

1. Zum Vermögen des Kaufmanns im handelsbilanzrechtlichen Sinn zählen die ihm zivilrechtlich gehörenden Vermögensgegenstände sowie solche, die zivilrechtlich zwar einer anderen Person gehören, die aber nach der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu dem zivilrechtlichen Rechtsinhaber und nach den tatsächlichen Verhältnissen wirtschaftlich Bestandteil seines Vermögens sind (sog. wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit; vgl. BFH-Urteil vom 3.8.1988 I R 157/84).

2. Ein wirtschaftlicher Ausschluß des zivilrechtlichen Eigentümers im Sinn des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist anzunehmen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder wenn dem Eigentümer überhaupt kein Herausgabeanspruch mehr zusteht (vgl. BFH-Rechtsprechung). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen; bei dieser Beurteilung kommt es nicht nur auf den Wortlaut sowie auf den Sinn und Zweck der von den Vertragspartnern getroffenen Vereinbarung, sondern auch auf deren tatsächlichen Vollzug an (vgl. Literatur). Übergang "wirtschaftlichen Eigentums" kann auch dann anzunehmen sein, wenn der Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber nicht in vollem Umfang gegeben ist.

3. Mietkaufverträge können so gestaltet sein, daß sie bei wirtschaftlicher Bewertung von Anfang an als Kaufverträge anzusehen sind (vgl. Literatur). Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Mieter eine Kaufoption zu einem bereits festgelegten Kaufpreis eingeräumt wird und die Mietzahlungen bis zur Annahme des Verkaufsangebots durch den Mieter in voller Höhe angerechnet werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.11.1970 I 133/64). Ähnlich liegt es bei einem Mietkaufvertrag, bei dem sich aus dem Gesamtbild der getroffenen Vereinbarungen ergibt, daß der wesentliche Sinn des Vertrages im Erwerb eines Wirtschaftsguts liegt und hierfür von dem Nutzungsberechtigten eine bestimmte Gesamtleistung erbracht wird.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1; HGB § 240 Abs. 1, § 242 Abs. 1; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Entscheidung vom 05.10.1990; Aktenzeichen 1 K 163/89)

 

Tatbestand

Am 12.September 1979 schlossen der Kläger und Revisionskläger (Kläger) sowie seine Ehefrau mit den Beigeladenen einen notariellen Vertrag ab, aufgrund dessen dem Kläger und seiner Ehefrau das Grundstück ...straße .. in ..* ab 1.Januar 1980 überlassen wurde. Seither betreibt der Kläger in dem auf diesem Grundstück befindlichen Gebäude eine Metzgerei und ein Lebensmittelgeschäft; ein Teil des Gebäudes wird vom Kläger und seiner Familie als Wohnung benutzt. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung entfallen 65 v.H. der Fläche auf den Betrieb und 35 v.H. auf die Wohnung.

Der Vertrag vom 12.September 1979 hat im wesentlichen folgenden Inhalt:

Das Mietverhältnis beginnt am 1.Januar 1980 und endet am 31.Dezember 1989 (§ 3). Der Mietzins beträgt monatlich 3 000 DM (§ 4). Er soll sich bei Veränderung des Lebenshaltungs-Indexes um mehr als fünf Punkte entsprechend ändern (§ 7). Die Mieter sind berechtigt, auf ihre Kosten das Anwesen neu einzuteilen, die Außenanlage zu verändern und Ein-, Erweiterungs- und Umbauten vorzunehmen (§ 9 Abs.1). Wenn für die Erteilung einer behördlichen Genehmigung die Zustimmung der Vermieter Voraussetzung ist, haben die Vermieter diese auf Verlangen der Mieter unverzüglich zu erteilen (§ 9 Abs.2). Die Mieter übernehmen es, das Mietobjekt für die Dauer des Mietvertrags auf ihre Kosten zu unterhalten (§ 9 Abs.3). Soll das Grundstück während der Mietdauer verkauft werden, müssen es die Vermieter zunächst den Mietern anbieten, mit ihnen in Verhandlungen eintreten und sie über andere Angebote informieren (§ 12). Die Vermieter bestellen den Mietern ein dingliches, vererbliches Vorkaufsrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften; im Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts muß der Kaufpreis in der Verpflichtung bestehen, beiden Vermietern bzw. dem Längstlebenden allein eine Rente von monatlich 2 000 DM zu zahlen (§ 13). Schließlich verpflichten sich die Vertragsparteien, nach Beendigung des Mietverhältnisses einen Kaufvertrag bezüglich des Mietobjekts zu schließen. Der Kaufpreis besteht in der Verpflichtung der Käufer, an die Vermieter bzw. an den Längstlebenden allein eine wertgesicherte lebenslängliche Rente zu zahlen, die einer Rente von 2 000 DM im Basismonat September 1979 entspricht. Sollten beide Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr leben, sind die Erben der Vermieter verpflichtet, das Mietobjekt unentgeltlich an die Mieter zu veräußern. Im Kaufvertrag soll geregelt werden, daß Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr mit Abschluß des Vertrags auf die Mieter übergehen (§ 14).

Während der als "Mietzeit" bezeichneten Phase vereinbarten die Vertragsparteien, das als "Mietzins" bezeichnete Entgelt ab 1.Januar 1985 auf 2 500 DM monatlich herabzusetzen. Von den im Vertrag vom 12.September 1979 getroffenen Vereinbarungen wichen die Vertragschließenden auch insofern ab, als gewisse Erhaltungskosten nicht wie im Vertrag (§ 9 Abs.3) vorgesehen von den Mietern, sondern von den Vermietern (den Beigeladenen) getragen wurden. Es handelt sich dabei um Aufwendungen für eine Kaminreparatur in Höhe von 3 022 DM im Juni 1989 und für eine Dachreparatur in Höhe von 15 763 DM im März 1990. Schließlich kam es auch nicht dazu, daß die Beigeladenen --wie im Vertrag vom 12.September 1979 vorgesehen-- das Grundstück nach Ablauf der 10-jährigen Mietzeit zu den vorgesehenen Bedingungen an die Kläger verkauften.

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für die Streitjahre 1982 bis 1985 zogen die Kläger den im Vertrag vereinbarten Mietzins als Betriebsausgaben im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ab.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat dagegen im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, der Vertrag sei als "Veräußerungsvertrag" zu beurteilen; der Kläger und dessen Ehefrau hätten deshalb bereits mit Beginn des Vertrags wirtschaftliches Eigentum an dem Grundstück erworben. Der Kaufpreis bestehe in der Zahlung einer abgestuften lebenslänglichen Rente und zwar für die Jahre 1980 bis 1989 in Höhe des als "Mietzins" bezeichneten Entgelts (3 000 DM monatlich) und danach in Höhe des vereinbarten Rentenbetrags (2 000 DM monatlich). Der betrieblich genutzte Anteil des Klägers an dem Grundstück sei in den Bilanzen des Klägers als Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu aktivieren; dabei sei als Anschaffungskosten der Rentenbarwert der eingegangenen Verpflichtung zugrunde zu legen. Die als Miete bezeichneten Beträge könnten nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Abziehbar seien vielmehr nur die jährliche Gebäude-AfA und die auf den bilanzierten Grundstücksteil entfallenden Zinsen.

Auf dieser Grundlage erließ das FA gemäß § 173 Abs.1 Satz 1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) Änderungsbescheide über die Einkommensteuer 1982 bis 1985.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 103, abgedruckt.

Mit seiner --vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen-- Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das FG Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für 1982 auf ... DM, für 1983 auf ... DM, für 1984 auf ... DM und für 1985 auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA die Einkommensteuer- bescheide für die Jahre 1983, 1984 und 1985 hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge für vorläufig erklärt. Auf Antrag des Klägers sind diese Bescheide nunmehr gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Aufgrund der bisherigen Sachverhaltsermittlung des FG kann nicht abschließend entschieden werden, ob den Klägern das Grundstück ...straße .. in ... bereits in den Streitjahren wirtschaftlich zuzurechnen war.

1. Bei Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist für den Schluß des Wirtschaftsjahrs das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs.1 EStG). Nach diesen handelsrechtlichen Grundsätzen hat der Kaufmann nur "seine" Vermögensgegenstände auszuweisen (§ 39 Abs.1 und Abs.2 des Handelsgesetzbuches --HGB-- a.F.; §§ 240, 242 HGB n.F.). Zum Vermögen des Kaufmanns zählen die ihm zivilrechtlich gehörenden Vermögensgegenstände sowie solche, die zivilrechtlich zwar einer anderen Person gehören, die aber nach der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu dem zivilrechtlichen Rechtsinhaber und nach den tatsächlichen Verhältnissen wirtschaftlich Bestandteil seines Vermögens sind (sog. wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3.August 1988 I R 157/84, BFHE 154, 321, BStBl II 1989, 21 m.w.N.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 5 Anm.19 a).

Diese vermögensmäßige Zurechnung entspricht im wesentlichen der Regelung des § 39 Abs.2 Nr.1 Satz 1 AO 1977, nach der ein Wirtschaftsgut demjenigen zuzurechnen ist, der, ohne rechtlicher Eigentümer zu sein, die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (zum Verhältnis der handelsbilanzrechtlichen Vermögenszugehörigkeit zum "wirtschaftlichen Eigentum" nach § 39 Abs.2 Nr.1 AO 1977 vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 7.Aufl., S.61 ff.).

Ein wirtschaftlicher Ausschluß des zivilrechtlichen Eigentümers in diesem Sinne wird von der Rechtsprechung des BFH angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (Urteil vom 26.Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264) oder wenn dem Eigentümer überhaupt kein Herausgabeanspruch mehr zusteht (Urteil vom 22.August 1984 I R 198/80, BFHE 142, 370, BStBl II 1985, 126). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen; bei dieser Beurteilung kommt es nicht nur auf den Wortlaut sowie auf den Sinn und Zweck der von den Vertragspartnern getroffenen Vereinbarung, sondern auch auf deren tatsächlichen Vollzug an (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 39 AO 1977 Tz.11 a.E.).

2. Hiernach kann ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen sein, wenn es dem anderen aufgrund eines "Mietkaufvertrags" überlassen wird. Unter "Mietkaufverträgen" versteht man Vereinbarungen, in denen Elemente eines Mietvertrags (§§ 535 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) mit denen eines Kaufvertrags (§§ 433 ff. BGB) verbunden sind. Diese Verträge können so gestaltet sein, daß sie bei wirtschaftlicher Bewertung von Anfang an als Kaufverträge anzusehen sind (vgl. hierzu Brockmeyer in Klein/ Orlopp, Abgabenordnung, 4.Aufl., § 39 Anm.4; Nieland in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., §§ 4, 5 Tz. 837, Mietkaufverträge; Putzo in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 50.Aufl., Vor § 535 Rdnr.22; Tipke/Kruse, a.a.O., § 39 AO 1977 Anm.32). Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Mieter eine Kaufoption zu einem bereits festgelegten Kaufpreis eingeräumt wird und die Mietzahlungen bis zur Annahme des Verkaufsangebots durch den Mieter in voller Höhe angerechnet werden (BFH-Urteil vom 18.November 1970 I 133/64, BFHE 100, 516, BStBl II 1971, 133). Ähnlich liegt es bei einem Mietkaufvertrag, bei dem sich aus dem Gesamtbild der getroffenen Vereinbarungen ergibt, daß der wesentliche Sinn des Vertrages im Erwerb eines Wirtschaftsguts liegt und hierfür von dem Nutzungsberechtigten eine bestimmte Gesamtleistung erbracht wird. In einem solchen Fall kommt es den Vertragsparteien auf den Abschluß eines Kauf- und nicht eines Mietvertrags an.

Ein Wirtschaftsgut, das Gegenstand eines solchen Vertrags ist, ist in der Regel dem Käufer zuzurechnen. Zwar wird im allgemeinen der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums davon abhängig gemacht, daß Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen (BFH-Urteile vom 2.Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820; vom 2.März 1990 III R 70/87, BFHE 161, 22, BStBl II 1990, 733). Da es jedoch für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt, kann der Übergang "wirtschaftlichen Eigentums" auch dann anzunehmen sein, wenn diese Voraussetzungen nicht in vollem Umfange gegeben sind (vgl. BFH-Urteil vom 8.August 1990 X R 149/88, BFHE 162, 251, BStBl II 1991, 70).

3. Im Streitfall läßt sich aufgrund des Vertrags vom 12.September 1979 sowie der hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger und seiner Ehefrau das Vertragsgrundstück bereits bei Vertragsbeginn, also am 1.Januar 1980, wirtschaftlich zuzurechnen war.

a) Geht man vom Vertragstext aus, so spricht manches dafür, daß die Vertragschließenden beabsichtigten, das Grundstück von Anfang an auf den Kläger und seine Ehefrau übergehen zu lassen. Denn die Vertragschließenden hatten sich verpflichtet, "nach Beendigung des Mietverhältnisses einen Kaufvertrag bezüglich des Mietobjekts zu schließen" (§ 14), wobei der Kaufpreis (Zahlung einer lebenslänglichen wertgesicherten Rente in Höhe von monatlich 2 000 DM) bereits festgelegt wurde. Diese Verpflichtung machte den Abschluß eines Kaufvertrages --und damit auch die hieran anschließende Eigentumsübertragung-- zur beiderseitigen Rechtspflicht. Die für derartige Verpflichtungen nach dem Gesetz (§ 313 BGB) vorgesehene Form --nämlich die notarielle Beurkundung-- wurde von den Vertragsparteien eingehalten.

Hinzu kommt, daß die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums selbst für den Fall vorgesehen war, daß die Beigeladenen den Ablauf der "Mietphase" nicht mehr erleben sollten; für diesen Fall sollten die Erben der Beigeladenen verpflichtet sein, das Grundstück unentgeltlich an die Kläger zu übertragen (§ 14).

Entsprechend stark waren die Kläger auch während der "Mietphase" gegen die Möglichkeit eines Verkaufs des Grundstücks an Dritte abgesichert. Denn den Klägern war ein "Vorkaufsrecht" eingeräumt worden, wobei sie nicht --wie sonst bei Einräumung eines Vorkaufsrechts (vgl. hierzu Bassenge in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 50.Aufl., § 1098 Anm.2)-- in die Bedingungen des mit einem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags eintreten sollten, sondern für die Übertragung des Grundstücks in jedem Fall eine wertgesicherte monatliche Rente von 2 000 DM zahlen sollten. Ob in dieser vertraglichen Regelung die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts im rechtstechnischen Sinne (§§ 1094 ff. i.V.m. §§ 504 ff. BGB) oder eines "Ankaufsrechts" (vgl. hierzu Westermann in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl., § 504 Rdnr.5) liegt, kann dahinstehen. Denn in jedem Fall hätte ein etwaiger Verkauf an Dritte dazu geführt, daß die Kläger bereits vor Ablauf der "Mietphase" das Grundstück zu den im Vertrag vom 12.September 1979 für den unmittelbaren Verkauf vorgesehenen Bedingungen erworben hätten. Sie hätten dann anstelle eines Mietzinses von 3 000 DM monatlich nur noch eine monatliche Rente von 2 000 DM zahlen müssen; es lag deshalb außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, daß sich die Beigeladenen zu einem Verkauf an Dritte bereitgefunden hätten.

Insbesondere auch die den Klägern während der Mietphase eingeräumten Rechte und Pflichten könnten dafür sprechen, daß schon von Anfang an eine endgültige Überlassung an die Kläger vorgesehen war. Anders als in einem gesetzestypischen Mietvertrag sollten die Mieter auf ihre Kosten "zu Neueinteilungen des Anwesens, zu Veränderungen der Außenanlagen, aber auch zu sonstigen Ein-, Erweiterungs- und Umbauten ... berechtigt" sein (§ 9 Abs.1); ferner sollten die Vermieter auf Verlangen der Mieter ihre Zustimmung unverzüglich erteilen, wenn eine solche Zustimmung für die Erteilung einer behördlichen Genehmigung vorausgesetzt wird (§ 9 Abs.2). Ebenso wenig entspricht es dem Inhalt eines gesetzestypischen Mietvertrags (vgl. hierzu § 536 BGB), daß der Mieter es übernimmt, "das Mietobjekt für die Dauer des Mietvertrags auf seine Kosten zu unterhalten" (§ 9 Abs.3).

Diese vertraglichen Regelungen könnten im Zusammenhang mit anderen vertraglichen Bestimmungen dafür sprechen, daß die Vermieter (die Beigeladenen) nach Abschluß des Vertrags vom 12.September 1979 nicht mehr in der Lage gewesen sind, den Mietern (den Klägern) das Objekt gegen ihren Willen zu entziehen mit der Folge, daß bereits bei Vertragsbeginn (1.Januar 1980) den Klägern das Grundstück wirtschaftlich zuzurechnen gewesen wäre.

b) Zu Unrecht hat sich das FG jedoch im wesentlichen auf die rechtliche Würdigung des Vertragstextes beschränkt. Denn dem Vertragstext allein kann nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, daß das Grundstück bereits zu Beginn der Mietphase endgültig auf die Kläger übergehen sollte.

Nach Ansicht des Senats könnte der Vertrag vom 12.September 1979 auch dahin ausgelegt werden, daß ein --auch wirtschaftlicher-- Erwerb des Grundstücks durch die Kläger --trotz ihrer starken wirtschaftlichen Position während der "Mietphase"-- erst aufgrund des danach abzuschließenden Kaufvertrags stattfinden sollte. Es wäre denkbar, daß die Vertragschließenden wirtschaftliche Gründe hatten, dem endgültigen Übergang des Grundstücks auf die Kläger zunächst eine "Besitzüberlassungsphase" mit sehr starken Mieterrechten vorauszuschicken. Zur Aufklärung dieser Ungewißheiten könnten die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, von denen die Vertragschließenden ausgegangen sind, von Bedeutung sein. Hierfür könnte auch die bei den Akten des FG befindliche Äußerung des beurkundenden Notars vom 31.Juli 1987 sprechen.

Ferner ist zur Auslegung des Vertrages das von den Vertragspartnern nach Abschluß des Vertrages geübte Verhalten von Bedeutung. Aus diesem Verhalten könnten möglicherweise Anhaltspunkte für den von Anfang an gewollten Inhalt des Vertrags gewonnen werden. Das spätere Verhalten ist aber auch als solches von Bedeutung, da es für die Zurechnungsfrage nicht nur auf die getroffenen Vereinbarungen, sondern auch auf den tatsächlichen Vollzug ankommt (vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 39 AO 1977 Tz.11 a.E., m.w.N.). Zu den insoweit bedeutsamen nachträglichen Ereignissen zählen u.a. die Herabsetzung des Mietzinses von 3 000 DM auf 2 500 DM ab 1.Januar 1985, die --entgegen dem Vertragsinhalt (§ 9 Abs.3) erfolgte-- Übernahme der Kamin- und Dachreparaturkosten im Januar 1989 und März 1990 durch die Beigeladenen und schließlich der Umstand, daß es nach Ablauf der Mietzeit nicht --wie ursprünglich vereinbart-- zum Abschluß eines Kaufvertrags zu den ursprünglich vorgesehenen Bedingungen kam.

Da es hiernach noch einer weiteren Sachaufklärung durch das FG bedarf, ist das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63983

BFH/NV 1992, 14

BStBl II 1992, 182

BFHE 166, 49

BFHE 1992, 49

BB 1992, 241

BB 1992, 241-243 (LT)

DB 1992, 871 (L)

DStR 1992, 177 (KT)

DStZ 1992, 182 (KT)

HFR 1992, 180 (LT)

StE 1992, 83 (K)

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