Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer. Miterben eines Gewerbebetriebs als Mitunternehmer bei fortgesetzter Erbengemeinschaft. Umwandlung einer Erbengemeinschaft in eine Personengesellschaft. Verpachtung eines Gewerbebetriebs im ganzen. Zurechnung eines Veräußerungsgewinns beim Erben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Miterben eines Gewerbebetriebs werden Mitunternehmer, wenn sie die Erbengemeinschaft über viele Jahre nicht auseinander setzen und den ererbten Betrieb gemeinschaftlich fortführen.

2. Die Umwandlung einer fortgeführten Erbengemeinschaft in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder OHG unter Beibehaltung der Buchwerte führt weder zu einer Betriebsveräußerung noch zur Aufdeckung stiller Reserven, wenn alle Beteiligten Mitunternehmer bleiben und die Beteiligungsverhältnisse sich nicht ändern.

3. Der Anwendung der Grundsätze über die Betriebsfortführung anläßlich der Verpachtung eines Restaurationsbetriebs steht nicht entgegen, daß der Verpächter das Inventar, den Fuhrpark und geringwertige Wirtschaftsgüter veräußert hat, wenn das verpachtete Betriebsgrundstück zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört und nicht im Interesse des Pächters erheblich umgestaltet wird.

4. Hat die Erbin des Miteigentumsanteils an einem ruhenden Gewerbebetrieb vor ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft zusammen mit den anderen Gesellschaftern (Gemeinschaftern) das die wesentliche Betriebsgrundlage darstellende unbewegliche Anlagevermögen veräußert, ist ihr dieses Rechtsgeschäft anteilig zuzurechnen, ohne dass es darauf ankommt, ob sie Unternehmerinitiative entfaltet und sich als Mitunternehmerin betätigt hat.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) durch die Veräußerung von Grundstücken einen (anteiligen) gewerblichen Veräußerungsgewinn erzielt hat.

Herr A unterhielt bis zu seinem Tode im Jahre 1929 einen Gaststätten- und Beherbergungsbetrieb in der Rechtsform eines Einzelunternehmens. Nach seinem Tode führten seine Erben (nämlich die Witwe B und ihre volljährigen Kinder X, Y und Z) das Unternehmen in ungeteilter Erbengemeinschaft ohne schriftlichen Gesellschaftsvertrag fort. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA–) rechnete das Betriebsvermögen und die Gewinne jeweils zu je 1/4 den Miterben zu.

Am 1. Oktober 1966 setzten sich die Miterben auseinander. Die Erbengemeinschaft veräußerte ihr bewegliches Anlage- und Umlaufvermögen teils an die neugegründete H-Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), zu anderem Teil an das Einzelunternehmen F gegen Übernahme sämtlicher kurzfristiger Verbindlichkeiten. Die danach entstandenen Buchgewinne wurden dem Betriebsergebnis des Jahres 1966 hinzugerechnet und als laufender Gewinn erklärt und festgestellt. Ein kleineres im alleinigen Eigentum des X stehendes unbebautes Grundstück (Parkplatz) wurde zum Buchwert auf das Einzelunternehmen F übertragen.

Durch notariellen Vertrag vom 27. Juli 1966 beschlossen die Erben, mit Wirkung zum 1. Oktober 1966 eine Offene Handelsgesellschaft unter der Bezeichnung „K OHG” zu errichten. Zweck dieser Gesellschaft sollte die Verpachtung des Restaurationsbetriebs sein. Die Erbengemeinschaft sollte das gesamte unbewegliche Anlagevermögen (Grund und Boden und Betriebsgebäude) in die OHG einbringen. Durch den Tod eines Gesellschafters sollte die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern durch die überlebenden Gesellschafter und den Erben des verstorbenen Gesellschafters fortgeführt werden. Mit Vertrag vom 19. September 1966 verpachtete die „K-OHG in Gründung” ab 1. Januar 1966 den Grund und Boden mit allen aufstehenden Gebäuden zum Teil an die H-GbR, zum anderen an das Einzelunternehmen F.

In den nach Gesellschaftsgründung abgegebenen Steuererklärungen wurde der Verpachtungsbetrieb für das Jahr 1966 (ab 1. Oktober) als „K-OHG – Grundstücksgesellschaft”, für 1967 und 1968 als „K-OHG” und für 1969 als „Grundstücksgesellschaft K-BGB-Gesellschaft – ruhender Gewerbebetrieb” bezeichnet. Für 1966 bis 1968 wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für 1969 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Der Gewinn wurde in sämtlichen Jahren durch Bestandsvergleich ermittelt. Das FA stellte die Einkünfte jeweils als solche aus Gewerbebetrieb fest.

Am 22. Juni 1968 verstarb X. Er wurde von seiner Ehefrau, der Klägerin, beerbt.

Durch notariellen Vertrag vom 29. August 1969 veräußerte die Gesellschaft ihr gesamtes unbewegliches Anlagevermögen. Es entstand ein Veräußerungsgewinn von … DM. Die Gesellschafter B, Y und Z führten ihre anteiligen Veräußerungsgewinne jeweils einer steuerfreien Rücklage (§ 6 b des Einkommensteuergesetzes –EStG–) zu. Die Klägerin schied mit Wirkung vom 31. August 1969 aus der Gesellschaft aus.

In dem vom FA für das Streitjahr 1969 erlassenen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der Gesellschaft wurde der Klägerin ein Veräußerungsgewinn von … DM zugerechnet.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Einwand, sie sei zu keinem Zeitpunkt an einem Gewerbebetrieb beteiligt gewesen, sondern habe nur einen Anteil an einer Erbengemeinschaft geerbt. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragte sie, den Feststellungsbescheid für 1969, soweit in ihm ein Gewinnanteil aus Gewerbebetrieb der Klägerin zugerechnet worden sei, ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, die noch festzustellenden Einkünfte der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung für die Erbengemeinschaft A zuzurechnen. Das Finanzgericht (FG) lud die Gesellschafter B, Y und Z zum Verfahren bei. Es hielt die Beiladung für notwendig, da – falls die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag durchdringe – die Entscheidung gegenüber den beigeladenen Mitberechtigten nur einheitlich ergehen könne. Das FG wies die Klage ab.

Das Urteil des FG vom 3. März 1977 konnte der Beigeladenen B (Mutter) nicht zugestellt werden; das zuzustellende Schriftstück kam mit dem Vermerk „Empfängerin verstorben” an das FG zurück. Die Ermittlungen des erkennenden Senats im Revisionsverfahren ergaben, daß Frau B bereits am 28. Dezember 1976 verstorben und von den Beigeladenen Y und Z beerbt worden war.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG) sowie mangelnde Aufklärung des Sachverhalts. Das FG habe sie zu Unrecht als Mitunternehmerin angesehen. Bei hinreichender Sachaufklärung hätte es festgestellt, daß sie nach dem Tode ihres Mannes keine Unternehmertätigkeit entwickelt habe. Auch habe das FG den vom FA festgestellten Veräußerungsgewinn aufgrund mangelnder Sachaufklärung zu Unrecht nicht beanstandet. Infolge einer anderweitigen Aufteilung hätte nur ein Veräußerungserlös der Klägerin von … DM zugrunde gelegt werden dürfen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und den Gewinnfeststellungsbescheid aufzuheben, hilfsweise die Sache an das FG zur anderweitigen Aufklärung des Sachverhalts zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Klägerin war Mitunternehmerin (§ 15 Nr. 2 EStG). Ihr wurde gemäß § 215 der Reichsabgabenordnung (AO) zutreffend ein tarifbegünstigter Anteil an einem gewerblichen Veräußerungsgewinn zugerechnet (§§ 16, 34 EStG).

1. Der Ehemann der Klägerin, in dessen Rechtsstellung sie nach dem Tode im Wege der Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist, war Mitunternehmer eines gewerblichen Unternehmens (§ 15 Nr. 2 EStG). Nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die für das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend sind, hatte A (Vater) bis zu seinem Tode im Jahr 1929 ein gewerbliches Einzelunternehmen (§ 15 Nr. 1 EStG) betrieben. Der Gewerbebetrieb fiel beim Tode des Vaters in den Nachlaß (§ 1922 BGB). Da der Erblasser mehrere Erben hinterlassen hatte, wurde der Nachlaß gemeinschaftliches Vermögen der Erben (§ 2032 BGB). Dies gilt auch für das gewerbliche Betriebsvermögen. Die Miterben wurden Mitunternehmer i.S. des § 15 Nr. 2 EStG, da sie die Erbengemeinschaft über viele Jahre nicht auseinandergesetzt und den ererbten Betrieb gemeinschaftlich fortgeführt haben (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 9. August 1973 IV R 133/68, BFHE 110, 509, BStBl II 1974, 84; vom 4. Dezember 1974 I R 149/72, BFHE 114, 364, BStBl II 1975, 295; vom 15. Oktober 1975 I R 146/73, BFHE 117, 169, BStBl II 1976, 191; vom 10. Dezember 1975 I R 133/73, BFHE 118, 304, BStBl II 1976, 368, und vom 2. Dezember 1976 IV R 115/75, BFHE 121, 39, BStBl II 1977, 209).

2. Die im Jahre 1966 eingetretenen Rechtsvorgänge haben weder an der Mitunternehmereigenschaft des Ehemannes der Klägerin etwas geändert noch wurde ein Steuertatbestand erfüllt, der zur Auflösung der im unbeweglichen Anlagevermögen der Erbengemeinschaft ruhenden stillen Reserven geführt hat.

a) Der erkennende Senat kann offenlassen, ob am 1. Oktober 1966 eine Auseinandersetzung unter den Miterben auch hinsichtlich des wesentlichen Teils des unbeweglichen Anlagevermögens stattgefunden hat. Ob insoweit die Erbengemeinschaft als solche weiterbestanden hat, ob eine Offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB) oder eine GbR (§§ 705 ff. BGB) begründet wurde, ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Die Umwandlung einer Mitunternehmergemeinschaft in eine solche anderer Rechtsform ist jedenfalls dann unbeachtlich, wenn alle Beteiligten Mitunternehmer bleiben und die Beteiligungsverhältnisse sich nicht ändern (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 16 EStG, Rdnr. 131, EK-Lieferung 114). Eine Umwandlung einer Erbengemeinschaft in eine GbR oder in eine Offene Handelsgesellschaft unter Beibehaltung der Buchwerte führt nicht zu einer Betriebsveräußerung (§ 16 EStG) und nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven.

b) Die Verpachtung des unbeweglichen Anlagevermögens der „K-OHG in Gründung” war keine Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG). Vielmehr greifen insoweit die Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63 (BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124) ein. Wird danach ein Gewerbebetrieb (im ganzen) verpachtet, so kann der Verpächter erklären, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe behandeln und damit Gegenstände des Betriebsvermögens in sein Privatvermögen überführen oder ob und wie lange er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen will. Solange der Verpächter eine Erklärung in diesem Sinne nicht abgegeben und den Betrieb auch nicht veräußert hat, bleiben die verpachteten Wirtschaftsgüter sein Betriebsvermögen. Das hat zur Folge, daß er weiter Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und Wertschwankungen des verpachteten Betriebsvermögens im Rahmen des § 6 EStG zu berücksichtigen sind. Im Streitfall steht der Anwendung dieser Grundsätze nicht entgegen, daß der Verpächter das Inventar, den Fuhrpark und geringwertige Wirtschaftsgüter veräußert hat; denn diese Wirtschaftsgüter gehören – wie das FG zutreffend dargelegt hat – nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Restaurationsbetriebs. Die Frage, ob zwar das Betriebsgrundstück, nicht aber das Inventar zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört, ist für den Streitfall ebenso zu beurteilen, wie im Falle der Verpachtung eines Cafés (BFH-Urteil vom 14. Juni 1967 VI 180/65, BFHE 89, 515, BStBl III 1967, 724). Der Verpächter hat im Streitfall auch nicht im Interesse des Pächters die wesentlichen Betriebsgrundlagen erheblich umgestaltet (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1973 I R 122/72, BFHE 111, 98, BStBl II 1974, 208). Der Verpachtungsbetrieb war – wenn nicht eine OHG– jedenfalls eine andere Gesellschaft i.S. des § 15 Nr. 2 EStG, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen waren.

3. Der Klägerin ist der nach dem Tode ihres Mannes erzielte Gewinn aus der Veräußerung des unbeweglichen Anlagevermögens anteilig zuzurechnen.

Geht man im Streitfall davon aus, daß eine OHG, wie sie nach den Vereinbarungen vom 1. Oktober 1966 geplant war, rechtswirksam zustande gekommen ist, so sollte sie nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags mit der Erbin des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt werden (§ 139 HGB). In diesem Falle wäre die Klägerin mit dem Tode ihres Mannes Gesellschafterin geworden (Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH– vom 22. November 1956 II ZR 222/55, BGHZ 22, 186). Ähnliches gilt, wenn es sich um eine GbR gehandelt hätte (§ 727 Abs. 1 BGB). Andernfalls – bei Fortbestehen der Erbengemeinschaft – wäre die Klägerin Miterbin geworden. Ob sie damit schon ohne weiteres in die Stellung ihres Ehemannes als Mitunternehmer eingetreten ist, kann der Senat offenlassen. Das FG hat für den Senat bindend festgestellt, daß die Klägerin – vor ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft (Gemeinschaft) – zusammen mit den anderen Gesellschaftern (Gemeinschaftern) das unbewegliche Anlagevermögen der Gesellschaft (Gemeinschaft) veräußert hat. Dieses Rechtsgeschäft ist der Klägerin wie den anderen Miteigentümern zuzurechnen. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Unternehmerinitiative entfaltet hat. Entscheidend ist allein, daß Betriebsvermögen veräußert wurde und daß wegen der bisher nicht erklärten Betriebsaufgabe die in diesen Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven nunmehr spätestens realisiert werden mußten. In der Veräußerung des unbeweglichen Anlagevermögens liegt eine Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG), die zur Besteuerung des Veräußerungsgewinns geführt hat. Das FG brauchte keine Ermittlungen darüber anzustellen, ob sich die Klägerin als Mitunternehmerin betätigt habe. Die diesbezüglich vorgebrachte Rüge mangelnder Sachaufklärung ist unbegründet.

4. Auch die Einwendungen der Klägerin gegen die Höhe des ihr zugerechneten Anteils am Veräußerungsgewinn sind nicht berechtigt.

Das FG hat die vom FA vorgenommene Behandlung des Veräußerungsgewinns nicht beanstandet. Dazu bestand auch kein Anlaß, da weder die Klägerin die Berechnung des FA im Verfahren vor dem FG angegriffen hatte, noch Umstände ersichtlich sind, die eine weitere Sachaufklärung notwendig machten. Der Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren, ihr hätte nur ein Teilbetrag des Veräußerungsgewinns zugerechnet werden dürfen, beruht auf neuem tatsächlichen Vorbringen, das der erkennende Senat nicht mehr berücksichtigen kann (§ 118 Abs. 2 FGO).

5. Die Revision der Klägerin ist mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, daß sich das Urteil des FG – außer gegen das FA, die Klägerin und die Beigeladenen Y und Z – nicht auch gegen die Beigeladene B richtet, da diese bei Erlaß des finanzgerichtlichen Urteils bereits verstorben war. Das Urteil richtet sich vielmehr an die Beigeladenen Y und Z zugleich als Rechtsnachfolger ihrer verstorbenen Mutter B.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1179005

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