Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Kraftfahrerpauschale für Straßenreiniger

 

Leitsatz (NV)

Die Verwaltung ist nicht verpflichtet, Straßenreinigern aus Gründen der Gleichbehandlung mit Mülladern die sog. Kraftfahrerpauschale zu gewähren.

 

Normenkette

EStG 1982 § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1981 Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1982 als Straßenreiniger an 206 Tagen länger als sechs Stunden im Außendienst tätig. Er machte im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich u. a. Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von (206 x 5 DM =) 1030 DM als Werbungskosten geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 nicht berücksichtigte.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er trägt vor, die beantragten Verpflegungsmehraufwendungen seien entsprechend Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1981 (LStR) als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Verwaltung wende die dort aufgeführten Pauschalen auch auf das Begleitpersonal von Müllfahrzeugen an. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müsse ein Straßenkehrer, der mehr als sechs Stunden mit seinem Kehrwagen durch die Straßen laufe, mit einem Müllader oder Müllfahrer, der lediglich mehr als sechs Stunden in seinem Auto unterwegs sei, gleichbehandelt werden, zumal bei ersterem nach der Lebenserfahrung ein höherer Verpflegungs(Getränke-)aufwand anfalle. Zudem habe der Hessische Staatsminister der Finanzen in einem Schreiben vom 12. Oktober 1981 an den Personalrat der Stadtwerke Frankfurt mitgeteilt, er habe die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt angewiesen, für Fälle, die Berufskraftfahrern und dem fahrtechnischen Begleitpersonal der Stadtwerke Frankfurt gleichgelagert seien, allgemeine Regeln zur Sicherstellung einer einheitlichen Verfahrensweise herauszugeben. Danach sei die OFD verpflichtet gewesen, auf derartige gleichgelagerte Fälle, zu denen auch der Streitfall gehöre, die Regelung des Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 LStR zu übernehmen.

Das FA führt aus, der Kläger sei weder berufsbedingt arbeitstäglich mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung entfernt gewesen, noch sei er auf sog. ständig wechselnden Einsatzstellen beschäftigt gewesen, noch gehöre er zu der Personengruppe des Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 LStR. Wie der dort aufgenommene Hinweis, daß keine Dienstreise vorliegen dürfe, verdeutliche, habe der Richtliniengeber die Pauschale nur für Berufskraftfahrer und deren Begleitpersonal gewähren wollen. Die Tatsache, daß diese Regelung nicht auf Straßenreiniger ausgeweitet werde, führe nicht zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Straßenreiniger übten ihre Tätigkeit in fest umrissenen Bezirken aus. Dabei würden Ortskenntnisse erworben, die die Arbeitnehmer in die Lage versetzten, ggf. die günstigsten Verpflegungsmöglichkeiten zu nutzen. Zwar dürften die Reinigungskräfte den zugewiesenen Arbeitsbereich regelmäßig nicht während der festgelegten Kehrzeiten verlassen. Dafür würden sie aber zu festen Pausenzeiten vormittags und mittags von einem Begleitfahrzeug aufgenommen und zum zuständigen Betriebshof gefahren, wo ihnen teilweise besondere Leistungen angeboten würden. Wegen der schmutzigen Tätigkeit entstehe kein genereller Mehraufwand. Besondere Widrigkeiten wie Hitze, Staub, Nässe usw. würden durch differenzierte Tarife bereits im Entgelt berücksichtigt. Das Schreiben des Hessischen Ministers der Finanzen vom 12. Oktober 1981 sei zu einem Einzelfall ergangen. Die vom Kläger angesprochene Anweisung in diesem Schreiben sei nicht so zu verstehen gewesen, daß Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 LStR auf andere Berufsgruppen ausgeweitet werden solle.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Werbungskosten sind bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Aufwendungen, die durch die Berufsausübung veranlaßt sind, soweit sie nicht zu den durch die allgemeine Lebensführung bedingten Kosten gehören. Ausgaben für Verpflegung zählen grundsätzlich zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nichtabziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung. Hingegen sind Werbungskosten die ganz überwiegend oder ausschließlich beruflich veranlaßten Mehraufwendungen für Verpflegung, wie sie beispielsweise bei einer Dienstreise oder bei Berufskraftfahrern, die mehr als sechs Stunden unterwegs sind, typischerweise anfallen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. August 1981 VI R 115/78, BFHE 134, 139, BStBl II 1982, 24).

Werden beruflich veranlaßte Mehraufwendungen für Verpflegung nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, sind sie in der nachgewiesenen Höhe abzüglich der üblichen Haushaltsersparnis als Werbungskosten abzuziehen. Darüber hinaus lassen Verwaltung und Rechtsprechung auch ohne Einzelnachweis oder Glaubhaftmachung Verpflegungsmehraufwendungen mit Pauschbeträgen bei einzelnen, häufig vorkommenden Sachverhalten, in denen Mehraufwendungen dieser Art typischerweise anfallen, als Werbungskosten zum Abzug zu (BFH-Urteil vom 11. Mai 1979 VI R 129/77, BFHE 127, 546, BStBl II 1979, 474).

a) Wie der erkennende Senat wiederholt entschieden hat, handelt es sich auch bei den in Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 LStR geregelten Pauschbeträgen um zutreffende Schätzungen eines schwer zu ermittelnden Mehraufwandes, die einerseits der Beweiserleichterung des Steuerpflichtigen und andererseits der Verwaltungsvereinfachung bei der Bewältigung von Massenverfahren dienen und von den FG grundsätzlich zu beachten sind (BFH-Urteile vom 8. August 1986 VI R 195/82, BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824; VI R 117/83, BFHE 148, 237, BStBl II 1987, 185, und vom 18. September 1986 VI R 100/85, BFH/NV 1987, 163).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind in Verwaltungsanweisungen enthaltene Pauschbeträge nur auf solche Sachverhalte anzuwenden, für die die Anweisungen nach dem Verständnis der Verwaltung gelten sollen. Die Steuergerichte dürfen die Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen. Sie dürfen sie nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Finanzbehörden nach dem Wortlaut der Verwaltungsanweisung möglich ist. Bei Zweifelsfragen ist es Sache der Verwaltungsbehörden zu entscheiden, ob die Vereinfachungsregelung anzuwenden ist oder nicht (BFH-Urteile vom 18. September 1986 VI R 102/85, BFHE 148, 25, BStBl II 1987, 128, und VI R 103/85, BFH/NV 1987, 164, m.w.N.).

b) Danach sind Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen lediglich in den durch die Verwaltungsanweisungen geregelten Fallgruppen als Werbungskosten zu berücksichtigen. Bei Sachverhalten, für die seitens der Verwaltung keine Pauschalierung erfolgt ist, kommt ein Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung als Werbungskosten nur aufgrund eines Einzelnachweises in Betracht.

Es besteht auch kein Anspruch darauf, daß die Verwaltung für alle Fälle, in denen beruflich veranlaßte Mehraufwendungen vorkommen können, Pauschbeträge festsetzt. Grundsätzlich sind Werbungskosten nachzuweisen. Abweichend hiervon eröffnet Art. 108 Abs. 7 des Grundgesetzes (GG) der Verwaltung die Befugnis, allgemeine Verwaltungsvorschriften - wie beispielsweise die in den LStR enthaltenen Pauschbeträge - zu erlassen (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1985 VI R 15/81, BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200, 104, li. Sp. unten). Dem erwähnten, mit der Schaffung von Pauschbeträgen verfolgten Ziel, für häufig vorkommende Fälle aufwendige und schwierige Einzelprüfungen zu erübrigen, würde es widersprechen, aus der aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eingeräumten Befugnis zur Pauschalierung eine Verpflichtung zur Regelung weiterer ähnlich liegender Sachverhalte herzuleiten. Denn derartige zusätzliche Regelungen würden auch inhaltliche Differenzierungen erfordern, die ihrerseits Abgrenzungsprobleme aufwerfen würden, und der Vereinfachungszweck würde durch eine sich alsbald einstellende umfangreiche Kasuistik zunichte gemacht.

2. Im Streitfall greift weder eine behördliche Pauschalierungsvorschrift ein noch ist ein konkreter beruflich veranlaßter Mehraufwand für Verpflegung dargelegt und erwiesen.

a) Wie auch der Kläger einräumt, gehört er nicht zu der in Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 LStR angesprochenen Personengruppe. Insbesondere zählt er nicht zum Begleitpersonal von Müllfahrzeugen, das die Verwaltung ebenfalls als ,,auf einem Fahrzeug tätig" ansieht (Verfügung der OFD Düsseldorf vom 13. Januar 1987, S 2338 A - St 121, Der Betrieb 1987, 459; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. März 1987 VI R 75/85, BFH/NV 1987, 510).

Eine entsprechende Anwendung der Pauschbeträge in Abschn. 22 Abs. 3 Nr. 3 LStR auf Straßenreiniger als vermeintlich ähnliche Personengruppe kommt aus den oben dargelegten Gründen nicht in Betracht. Im übrigen wäre sie auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Tätigkeit von Steuerpflichtigen, deren regelmäßige Arbeitsstätte ein Fahrzeug ist, weist häufig Ähnlichkeiten mit der Tätigkeit von Steuerpflichtigen auf, die Dienstreisen durchführen (vgl. BFHE 127, 546, BStBl II 1979, 474), bei denen typischerweise Mehraufwendungen für Verpflegung anfallen. Eine solche Nähe zu Dienstreisen ist bei einem Straßenreiniger, der nur ein örtlich überschaubares Tätigkeitsgebiet zu betreuen und seine vertraglich geschuldeten Leistungen auch nicht teilweise am Betriebssitz seines Arbeitgebers zu erledigen hat, nicht festzustellen.

Der Kläger ist auch nicht wegen des Schreibens des Hessischen Staatsministers der Finanzen vom 12. Oktober 1981 Personen, deren regelmäßige Arbeitsstätte sich auf einem Fahrzeug befindet, gleichzustellen. Und zwar schon deshalb nicht, weil die dort angesprochenen Ausführungsbestimmungen sich erkennbar nur auf Berufskraftfahrer und das fahrtechnische Begleitpersonal bezogen haben, zu denen der Kläger nicht gehört.

b) Die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für Verpflegung aufgrund Einzelnachweises kommt nicht in Betracht, weil der Kläger einen derartigen Mehraufwand nicht konkret dargetan hat. Die bloße Behauptung des Klägers, ein Mehraufwand falle arbeitstäglich in Höhe von 5 DM an, ist auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten seines Berufs nicht geeignet, das Entstehen bestimmter beruflich veranlaßter zusätzlicher Verpflegungsaufwendungen anzunehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415511

BFH/NV 1988, 364

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