Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung bei unklaren Rechtsverhältnissen; Beherrschung einer Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Bei Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter ist eine verdeckte Gewinnausschüttung schon dann anzunehmen, wenn sie auf einem Rechtsverhältnis beruhen, das nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters zu zahlen ist.

2. Für die Beherrschung einer Kapitalgesellschaft ist im Regelfall die Mehrheit der Stimmrechte erforderlich. Eine Beherrschung ist aber auch dann anzunehmen, wenn mehrere Gesellschafter, deren Stimmrechte zusammen genommen mehr als 50 v. H. ausmachen, mit gleichgerichteten Interessen zusammenwirken, um eine ihren Interessen entsprechende Willensbildung der Gesellschafter herbeizuführen.

 

Normenkette

KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

An der Klägerin, einer GmbH, war bis zum 22. 9. 1978 nur H beteiligt. Am 22. 9. 1978 wurde die Erhöhung des Stammkapitals beschlossen. Die neuen Geschäftsanteile übernahm T. Fortan waren H zu 13/20 und T zu 7/20 beteiligt. H blieb Geschäftsführer der Klägerin; T wurde Angestellter. Die Gesellschafter hatten jedoch gleiches Stimmrecht. In Anstellungsverträgen vom 12. 7. 1978 wurden H und T vom Betriebsergebnis abhängige Tantiemen versprochen, die nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile aufgeteilt und eine angemessene Gehaltshöhe nicht übersteigen sollten. In Erfüllung dieser Tantiemeversprechen ,,beschloß" die Klägerin am 9. August 1980, für das Streitjahr 1978 neben dem Gewinn eine Tantieme in Höhe von insgesamt 40 000 DM an H und T auszuschütten, und zwar an H 33 000 DM (82,5 v. H.) und an T 7 000 DM (17,5 v. H.). Das FA behandelte die Tantiemeversprechen als verdeckte Gewinnausschüttung. Klage und Revision blieben ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Die Rückstellung von 40 000 DM für die dem Gesellschafter-Geschäftsführer H und dem Gesellschafter-Angestellten T zugesagten Tantiemen darf den steuerpflichtigen Gewinn der Klägerin für das Jahr 1978 nicht mindern. Die Gesellschafter haben mit ihren verschiedenen Tantiemezusagen für das Wirtschaftsjahr 1978 sich selbst gegenüber ein Zahlungsversprechen abgegeben, dessen Erfüllung eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 darstellt.

a) Unter dem Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung sind - entsprechend ihrem Wesen und der systematischen Stellung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 - alle Vorgänge zu verstehen, durch die letztlich Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei - um den Folgen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 zu entgehen - eine Beurteilung des Sachverhalts geltend gemacht wird, die diesen nicht als Grundlage einer Ausschüttung erscheinen läßt, vielmehr eine solche dadurch ,,verdeckt", daß sie unter anderer Bezeichnung verborgen wird. Entscheidend ist, ob Leistungen an den Gesellschafter aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673).

b) Bei Leistungen einer Gesellschaft an einen beherrschenden Gesellschafter ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juli 1974 I R 205/72, BFHE 113, 218, BStBl II 1974, 719; vom 21. Juli 1976 I R 178/75, BFHE 119, 457, BStBl II 1976, 761; vom 26. Juli 1978 I R 138/76, BFHE 125, 557, BStBl II 1978, 659) die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses schon dann zu bejahen, wenn sie auf einem Rechtsverhältnis beruhen, das nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters bezahlt wird. Dies gilt nicht nur für Grund und Höhe von Geschäftsführervergütungen eines beherrschenden Gesellschafters, sondern gleichermaßen für andere zwischen ihm und der Gesellschaft abgeschlossene Rechtsverhältnisse (vgl. für einen Mietvertrag: BFH-Urteil vom 20. September 1967 I 97/64, BFHE 90, 212, BStBl II 1968, 49). Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, daß rückwirkende Vereinbarungen mit beherrschenden Gesellschaftern steuerrechtlich unbeachtlich sind (BFH-Urteil vom 23. September 1970 I R 116/66, BFHE 100, 364, BStBl II 1971, 64). Der Grund dafür ist in der Tatsache zu suchen, daß der beherrschende Gesellschafter die Möglichkeit hat, für seine Leistungen einen gesellschaftsrechtlichen oder einen schuldrechtlichen Ausgleich zu suchen. Um klare Verhältnisse zu schaffen, muß er im voraus mit der Gesellschaft vereinbaren, welchen Weg er wählt. Sonst besteht die Gefahr, daß der beherrschende Gesellschafter die Gesellschaft in einer Weise beeinflußt, die bei der rückwirkenden Gestaltung der Beziehungen weniger die eigenen Belange als die des beherrschenden Gesellschafters berücksichtigt (vgl. Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, S. 64).

c) Zwar ist im Regelfall für die Beherrschung einer Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte erforderlich, weil nur sie es erlaubt, Gesellschafterbeschlüsse im Interesse des beherrschenden Gesellschafters zu erzwingen (§ 47 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Auch sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt, weil H und T jeweils nur 50 v. H. der Stimmrechte besaßen. Jedoch hat der Senat schon in seiner Entscheidung vom 21. Juli 1976 I R 223/74 (BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734) ausgeführt, daß die Grundsätze über die Unbeachtlichkeit rückwirkender Vereinbarungen nicht nur gelten, wenn die gesellschaftsrechtliche Stellung einen umfassenden Einfluß auf die Gesellschaft gewährt, sondern auch dann, wenn die Möglichkeit der Einflußnahme nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles auf sachlich begrenzte Bereiche beschränkt ist. Eine solche begrenzte Möglichkeit der Einflußnahme ist gegeben, wenn mehrere Gesellschafter mit gleichgerichteten Interessen zusammenwirken, um eine ihren Interessen entsprechende Willensbildung der Gesellschafter herbeizuführen.

d) In Anwendung dieser Rechtsprechung konnte das Finanzgericht (FG) auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu der Überzeugung gelangen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO), daß der Tantiemebeschluß vom 9. August 1980 auf ein gesellschaftliches Zusammenwirken von H und T und einen dadurch begründeten beherrschenden Einfluß zurückzuführen ist. Maßgeblich für diese mögliche Beurteilung ist einmal, daß die versprochenen Tantiemen in ihrer quotalen Verteilung den Beteiligungen von H und T an der Klägerin im Wirtschaftsjahr 1978 entsprachen. T sollte erst ab dem 1. Juli 1978 ,,am Gewinn der Klägerin teilhaben". Deshalb erhielt er nur 17,5 v. H. der Gesamttantieme, was der Hälfte seiner prozentualen Beteiligung an der Klägerin entspricht. Die Ausrichtung der Tantiemeverteilung an den bestehenden Beteiligungsquoten läßt den vom FG gezogenen Schluß zu, daß H und T bei der Beschlußfassung als Gesellschafter zusammenwirkten. Die Höhe einer betrieblich veranlaßten Tantieme ist nämlich unabhängig von der Quote, mit der der Tantiemeempfänger an dem Zahlungsverpflichteten beteiligt ist. Es kommt hinzu, daß das Tantiemeversprechen erst im Rahmen der Gesellschafterversammlung vom 9. August 1980 konkretisiert wurde, in der auch über die Gewinnverteilung 1978 beschlosssen wurde. Betrieblich veranlaßte Tantiemeversprechen werden jedoch üblicherweise wenige Monate nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres erfüllt. Der erhebliche Zeitablauf zwischen dem Ende des Wirtschaftsjahres 1978 und der Beschlußfassung am 9. August 1980 spricht deshalb ebenfalls für ein Zusammenwirken von H und T als Ausfluß ihrer Gesellschafterstellung.

e) Zwar hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 125, 557, BStBl II 1978, 659 entschieden, daß nachträglich beschlossene gewinnabhängige Tätigkeitsvergütungen für die Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, die zugleich ihre alleinigen Gesellschafter sind, nicht in jedem Fall eine verdeckte Gewinnausschüttung begründen. Die Besonderheit des Urteilsfalles bestand jedoch darin, daß die den Gesellschafter-Geschäftsführern gezahlten Tantiemen sich der Höhe nach nicht an den Beteiligungsverhältnissen orientierten. Eine solche Besonderheit ist im Streitfall nicht gegeben, weshalb die Entscheidung in BFHE 125, 557, BStBl II 1978, 659 nicht einschlägig ist. Soweit die Klägerin mit der Revisionsbegründung eine betriebliche Veranlassung der Tantiemezahlungen geltend macht, übersieht sie, daß der Senat in Ermangelung entsprechender Rügen an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Er kann deshalb nur prüfen, ob das FG aufgrund der getroffenen Feststellungen zu der von ihm vorgenommenen Würdigung kommen konnte. Der Senat hat dagegen nicht zu untersuchen, ob auch eine andere Würdigung in Betracht gekommen wäre. Lassen die tatsächlichen Feststellungen des FG die Annahme eines beherrschenden Einflusses von H und T zu, so schließt dies steuerrechtlich die rückwirkende Anerkennung der Tantiemeversprechen aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414299

BFH/NV 1986, 637

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