Leitsatz (amtlich)

Soweit es ein Steuerpflichtiger bei Aufgabe eines Gewerbebetriebs unterläßt, vorhandene aktive Wirtschaftsgüter zur Berichtigung der Betriebsschulden einzusetzen, sind die verblei- benden Schulden in Höhe des unterlassenen Ausgleichs nicht mehr durch die frühere gewerbliche Tätigkeit veranlaßt. Auf diese Verbindlichkeiten gezahlte Schuldzinsen können nicht als nachträgliche (gewerbliche) Betriebsausgaben anerkannt werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 24 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Die Ehefrau (Klägerin) hatte am 15. März 1970 das von ihr geführte Lebensmittelgeschäft als unrentabel aufgegeben. In den Erläuterungen zur Betriebsaufgabe-(= Schluß-)Bilanz hatte sie erklärt, die aktiven Wirtschaftsgüter teils veräußert und teils (zum kleineren Teil) ins Privatvermögen überführt zu haben. Die noch vorhandenen Verbindlichkeiten habe sie (sämtlich) ins Privatvermögen "übernommen". Die nach der Geschäftsaufgabe gezahlten Zinsen für die (ehemals) im Rahmen des Betriebs aufgenommenen Kredite waren von den Beteiligten bis zum Jahre 1973 als Sonderausgaben behandelt worden. Nachdem die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen als Sonderausgaben durch das Steueränderungsgesetz vom 26. Juni 1973 - StÄndG 1973 - (BGBl I, 676, BStBl I, 545) beseitigt worden war, machten die Kläger die Schuldzinsen für die Streitjahre 1974 (5 451 DM) und 1975 (4 022 DM) als nachträgliche Betriebsausgaben (Verluste aus Gewerbebetrieb) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug.

Einspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt, daß die für ehemalige Betriebsschulden gezahlten Zinsen ebensowenig den nachträglichen Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 24 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG)zugerechnet werden könnten wie Zinseinnahmen aus Forderungen, die früher zum Betriebsvermögen gehört hätten. Entscheidend sei, daß die Darlehensschulden nach der Aufgabe des Betriebs nicht mehr zum Betriebsvermögen gehört hätten (Hinweis auch auf Kreile/Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1977 S.259 - DStZ A 1977, 259 -).

Dagegen wenden sich die Kläger mit der zugelassenen Revision. Sie rügen Verletzung des § 24 Nr. 2 i. V. m. § 4 Abs. 4 EStG.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide unter Berücksichtigung der streitigen Schuldzinsen (1974 = 5 451 DM und 1975 = 4 022 DM) als Betriebsausgaben zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Ein Teil der geltend gemachten Schuldzinsen sind nachträgliche Betriebsausgaben (§ 24 Nr. 2, § 4 Abs. 4 EStG). Zur näheren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 11. Dezember 1980 I R 119/78 (BStBl II 1981, 460).

2. Soweit hingegen die Zinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die bis zur Vollbeendigung des Gewerbebetriebs durch Verwertung des aktiven Betriebsvermögens hätten getilgt werden können, sind sie nicht (als nachträgliche Betriebsausgaben) abzugsfähig. Setzt ein Steuerpflichtiger bei Aufgabe seines Betriebs nicht sämtliche vorhandenen aktiven Wirtschaftsgüter zur Berichtigung der Betriebsschulden ein, so sind die verbleibenden Verbindlichkeiten nicht (mehr) in voller Höhe durch die frühere betriebliche Tätigkeit veranlaßt. Soweit ein Schuldenausgleich (durch Verwertung aktiver Wirtschaftsgüter - im Falle der Entnahme möglicherweise auch durch Zuführung gleichwertiger Surrogate -) unterblieben ist, hat der Steuerpflichtige damit zum Ausdruck gebracht, daß er insoweit den Zusammenhang der Schulden mit dem betrieblichen Bereich gelöst hat. Der im früheren Gewerbebetrieb begründete Charakter der Verbindlichkeiten wirkt insoweit nicht mehr fort.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Aus den vom FG getroffenen Feststellungen einschließlich der in Bezug genommenen Schlußbilanz läßt sich nicht mit Klarheit entnehmen, in welchem Umfang es die Klägerin unterlassen hat, die bei Betriebsaufgabe vorhandenen Schulden auszugleichen. Insbesondere ist nicht festgestellt, welcher Zinssatz den geltend gemachten Zahlungen zugrunde liegt, so daß eine Berechnung der letztlich anzuerkennenden Zinszahlungen schon aus diesem Grunde nicht möglich ist. Eigene Ermittlungen darf der Senat nicht anstellen, so daß die Sache an das FG zurückzuverweisen ist (§ 118 Abs. 2, § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413526

BStBl II 1981, 463

BFHE 1981, 29

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