Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine formwechselnde Umwandlung einer stillen Gesellschaft in eine KG; Buchführungspflicht für eine atypische stille Gesellschaft? Zulässiger Umfang einer Bp gegen eine KG

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Personengesellschschaft kann unter Wahrung ihrer Identität die Rechtsform wechseln (formwechselnde Umwandlung). Eine stille Gesellschaft kann allerdings nicht formwechselnd zu einer Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG) werden; hierzu bedarf es vielmehr der Auflösung der stillen Gesellschaft und der Neugründung der Personenhandelsgesellschaft.

2. Zur Frage, wer im Falle eines von einer atypischen stillen Gesellschaft betriebenen Unternehmens die Buchführungspflichten zu erfüllen hat.

3. Wird ein Unternehmen zunächst von einer atypischen stillen Gesellschaft und anschließend von einer KG betrieben, so umfaßt die Anordnung einer Bp bei der KG nicht auch die steuerlichen Verhältnisse der stillen Gesellschaft.

 

Normenkette

HGB § 105 Abs. 1, § 161 Abs. 1, § 230; RAO § 160 Abs. 1, § 162 Abs. 10, §§ 193-195; AO 1977 § 193 Abs. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der zulässige Umfang einer Betriebsprüfungsanordnung streitig.

Der Kaufmann A beschäftigte sich in der Vergangenheit unter der Bezeichnung ,,X" mit dem Betrieb von Tankstellen. Im Jahre 1958 wurden B und C stille Gesellschafter dieses Unternehmens. Sie waren zu je 1/3 an Gewinn und Verlust beteiligt, nahmen an der Geschäftsführung teil und konnten den Geschäftsinhaber nach außen vertreten. Kündigte der Geschäftsinhaber das Gesellschaftsverhältnis, konnten die stillen Gesellschafter die Übertragung des Unternehmens verlangen; bei seinem Tode sollten sie das Unternehmen fortsetzen. Im Falle der Kündigung durch einen stillen Gesellschafter oder bei seinem Tode sollte das Rechtsverhältnis mit dem anderen stillen Gesellschafter fortbestehen. Ein ausscheidender Gesellschafter sollte grundsätzlich aufgrund einer Abschichtungsbilanz abgefunden werden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Gesellschaft als Mitunternehmerschaft und erließ dementsprechend Gewinnfeststellungen und Einheitswertbescheide für das Betriebsvermögen.

Zum 30. Juni 1972 wurde die stille Gesellschaft beendet. Aus diesem Anlaß erhielt C zur Abgeltung seines Drittelanteils aus dem Unternehmensbestand eine Tankstelle sowie eine Anzahl von Aktiva; er übernahm auch bestimmte Verbindlich- keiten. A und B gründeten zum 1. Juli 1972 eine KG, in der B Komplementär, A Kommanditist wurden. A brachte sein Unternehmen in Anrechnung auf seine Kommanditeinlage ein; B legte sein Guthaben aus der stillen Gesellschaft ein. Die KG führte die Bezeichnung ,,Y-KG". Die KG teilte dem FA mit, daß die bisherige Firma ,,X" umgewandelt worden sei, und wies auf den beigefügten Gesellschaftsvertrag hin. Für das Jahr 1972 erstellte die KG gesonderte Gewinnberechnungen für die Zeit der stillen Gesellschaft (1. Januar bis 30. Juni 1972) und der KG (1. Juli bis 31. Dezember 1972) und gab auch gesonderte Feststellungserklärungen ab. Das FA erließ jedoch einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für das gesamte Wirtschaftsjahr 1972 mit dem Hinweis, daß die atypische stille Gesellschaft in die KG umgewandelt und die Nämlichkeit erhalten geblieben sei.

Im November 1975 ordnete das FA bei der KG für die Jahre 1968 bis 1973 eine Betriebsprüfung an, die sich auf die einheitliche Gewinnfeststellung, Gewerbe- und Umsatzsteuer sowie die Einheitswerte des Betriebsvermögens erstrecken sollte; die Anordnung enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Mit der Prüfung wurde im Dezember 1975 begonnen; die Gesellschafter erhoben dabei keine Einwendungen gegen den Prüfungszeitraum. Bei Fortsetzung der Prüfung im Jahre 1976 vertrat der Steuerberater der KG die Auffassung, daß das FA nur die Vorlegung der ab 1. Juli 1972 zu erstellenden Buchungsunterlagen verlangen könne. Im März 1976 erhob die KG Beschwerde gegen die Prüfungsanordnung, weil sie sich nur auf die Zeit ihrer Gründung erstrecken könne. Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Die Klage hatte dagegen Erfolg; das Finanzgericht (FG) hob die Prüfungsanordnung auf, soweit sie den Zeitraum vor dem 1. Juli 1972 betreffe. Während des Klageverfahrens ist die KG auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine GmbH - umgewandelt worden.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der fehlerhafte Anwendung der Reichsabgabenordnung (AO) gerügt wird.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet; das FG hat die Prüfungsanordnung zu Recht für die Zeit vor dem 1. Juli 1972 aufgehoben.

1. Die angefochtene Prüfungsanordnung ist noch unter der Geltung der AO ergangen. Sie findet ihre Rechtfertigung in § 162 Abs. 10 Satz 1 und in §§ 193 bis 195 AO (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Mai 1977 I R 36/75, BFHE 122, 248, BStBl II 1977, 652). Danach konnte bei den gemäß § 162 Abs. 1 AO buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen eine Betriebsprüfung durchgeführt werden. Die KG war in der Tat aufgrund der §§ 6 Abs. 1, 38 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) in der seinerzeit geltenden Fassung und des § 160 Abs. 1 AO zur Buchführung verpflichtet; diese Verpflichtung bestand jedoch erst seit ihrer Gründung. Sie ist mit der früher vorhanden gewesenen stillen Gesellschaft weder identisch noch ist sie Gesamtrechtsnachfolgerin dieser Gesellschaft; sie hatte daher Buchführungspflichten dieser Gesellschaft - ihre rechtliche Existenz unterstellt - nicht zu erfüllen.

a) Eine Personengesellschaft kann unter Wahrung ihrer Identität die Rechtsform wechseln. So kann aus einer BGB-Gesellschaft eine OHG entstehen, wenn die Gesellschaft nunmehr ein Handelsgewerbe betreibt (§ 105 Abs. 1 HGB); aus ihr wird eine KG, wenn bei einem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt wird (§ 161 Abs. 1 HGB). Dieser Vorgang wird auch als formwechselnde Umwandlung bezeichnet. In diesem Fall mußte die BGB-Gesellschaft aber wie die OHG und die KG eine nach außen auftretende Gesellschaft mit eigener Organisation und mit Gesamthandsvermögen darstellen. Handelte es sich dagegen bei der BGB-Gesellschaft um eine Innengesellschaft, die sich in einem gesellschaftsrechtlichen Schuldverhältnis erschöpfte, mußte eine OHG oder KG zunächst durch einen Gesellschaftsvertrag zwischen den Parteien der Innengesellschaft geschaffen und Gesellschaftsvermögen gebildet werden. Die Personenhandelsgesellschaft setzt die Innengesellschaft nicht fort; diese hat vielmehr ihr Ende gefunden.

Um eine derartige Innengesellschaft handelt es sich auch bei der stillen Gesellschaft der §§ 335 HGB a. F., 230 HGB n. F. Sie erschöpft sich in schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter und wird deshalb vom Gesetz nicht zu den Handelsgesellschaften gerechnet. Eine stille Gesellschaft kann nicht formwechselnd zu einer OHG oder KG werden; vielmehr bedarf es dazu der Auflösung der stillen Gesellschaft und der Neugründung der Personenhandelsgesellschaft (Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 27. Aufl., Einleitung vor § 105 Anm. 4 C; vgl. Entscheidung des Reichsgerichts - RG - vom 29. Oktober 1942 II 47/42, RGZ 170, 105, zur Umwandlung einer Kommanditbeteiligung in eine stille Beteiligung).

Diesen Weg sind die Gesellschafter im Streitfall gegangen. Die Beteiligten der stillen Gesellschaft haben das Gesellschaftsverhältnis untereinander zum 30. Juni 1972 aufgelöst; damit war die stille Gesellschaft untergegangen (BFH-Beschluß vom 24. November 1988 VIII B 90/87, BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145, m.w.N.). Die anschließend gegründete KG kann aus diesem Grund nicht mit der stillen Gesellschaft identisch sein. Soweit bei Widmann / Mayer (Umwandlungsrecht, Rdnr. 5.3) in steuerlicher Sicht von einer formwechselnden Umwandlung zwischen atypisch stiller Gesellschaft und Personenhandelsgesellschaft die Rede ist, kann sich dies nur auf die Frage beziehen, ob der Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen mit dem steuerlichen Wert seiner stillen Beteiligung ansetzen kann.

b) Das handelsrechtliche Umwandlungsgesetz (UmwG) ermöglicht darüber hinaus eine übertragende Umwandlung, bei der das Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine bestehende oder neu errichtete Gesellschaft übergeht. Zwischen einer stillen Gesellschaft und einer Personenhandelsgesellschaft ist ein derartiger Vermögensübergang nicht vorgesehen; da die stille Gesellschaft nicht über Vermögen verfügt, kommt dies von vornherein aus Rechtsgründen nicht in Betracht.

2. In der jüngeren Rechtsprechung des BFH wird hervorgehoben, daß eine atypische stille Gesellschaft kein Gewerbe betreibt, dies vielmehr Sache des Inhabers des Handelsgeschäftes sei, an dem sich der stille Gesellschafter mit einer Vermögenseinlage beteilige (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311). Dies legt die Folgerung nahe, daß auch eine Buchführungspflicht im Handels- und Steuerrecht nur den Geschäftsinhaber trifft (Döllerer, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1985, 295, 296; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 6. Aufl., S. 302 f.; Paulick / Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 3. Aufl., S. 237 f.; abweichend Schön, Betriebs-Berater - BB - 1985, 313, 314).

Die Frage war bereits in der Vergangenheit umstritten; der Senat hat sie in seiner Entscheidung vom 12. Juni 1975 IV R 10/72 (BFHE 116, 341, BStBl II 1975, 853) offengelassen. Sie braucht auch im Streitfall nicht abschließend entschieden zu werden. War nämlich A als Geschäftsinhaber buchführungspflichtig, so ist diese Verpflichtung nicht auf die KG übergegangen. A hat sein Unternehmen in die KG eingebracht. Die KG ist dadurch im Wege der Einzelrechtsnachfolge, d.h. durch Übertragung der Vermögensgegenstände und Übernahme der Verbindlichkeiten Inhaberin seines Unternehmens geworden. Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Buchführung für die zurückliegende Zeit würde nicht zu den übergegangenen Verbindlichkeiten gehören; sie wäre dem früheren Geschäftsinhaber verblieben, so daß bei ihm eine Betriebsprüfung anzuordnen und durchzuführen wäre.

3. An diesem Ergebnis ändert sich auch aufgrund der Abgabenordnung (AO 1977) nichts. Gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 findet die Außenprüfung bei Steuerpflichtigen statt, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten. Dies trifft für die KG erst seit dem 1. Juli 1972 zu. Da die KG nicht mit der atypisch stillen Gesellschaft identisch ist, setzt sie nicht einen Betrieb dieser Gesellschaft fort; sie hat ihn auch nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernommen. Der Senat braucht deshalb nicht zu erörtern, ob eine Änderung der Prüfungsvoraussetzungen durch die AO 1977 Bedeutung für die Beurteilung der angefochtenen Prüfungsanordnung hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416435

BFH/NV 1990, 545

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