Entscheidungsstichwort (Thema)

Folgebescheid-Änderung; beschränkte Steuerpflicht; DBA-Schweiz

 

Leitsatz (NV)

1. Die Folgebescheid-Änderung erfordert, daß das Finanzamt alle Folgerungen aus der Änderung des Grundlagenbescheides zieht, selbst wenn sich diese auf andere Besteuerungsgrundlagen auswirken.

2. Art. 14 DBA-Schweiz ist zumindest auf solche in einer festen Einrichtung erzielten Erfinder-Lizenzeinnahmen anwendbar, die aus Drittstaaten stammen.

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 177; RAO § 218 Abs. 4 S. 1; EStG §§ 18, 49 Abs. 1 Nr. 3, § 50 Abs. 6; DBA CHE Art. 12, 14, 21

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) klagt zugleich als Rechtsnachfolgerin ihres am . . . 1973 verstorbenen . . . Ehemannes. In den Streitjahren 1972 und 1973 hatten beide ihren alleinigen Wohnsitz in der Schweiz. Es wurden u. a. Einkünfte aus freiberuflicher Erfindertätigkeit erklärt, und zwar aus dem Zeitraum bis . . . 1973 für den Rechtsvorgänger (1972: . . . DM, 1973: . . . DM) und danach für die Klägerin (. . . DM).

Die auf die Lizenzeinnahmen entrichteten ausländischen Quellensteuern (1972: . . . DM, 1973: . . . DM) wurden in der Steuererklärung 1972 nicht geltend gemacht, dagegen in der Gewinnermittlung 1973 zeitanteilig abgezogen.

Der Rechtsvorgänger und nach ihm die Klägerin ließen die Erfindereinkünfte von einer GmbH & Co. KG im Inland verwalten, an der zugleich eine - ebenfalls im Wege der Rechtsnachfolge vom Erblasser auf die Klägerin übergegangene - Kommanditbeteiligung (zu 88,89 v. H.) bestand.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) führte die Veranlagungen zunächst erklärungsgemäß vorläufig nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) durch.

Aufgrund einer Betriebsprüfung bei der KG rechnete das Betriebsstätten-FA die Erfindereinkünfte mit Gewinnfeststellungsbescheid vom 28. April 1977 für die Streitjahre zum Gewerbebetrieb der KG. Hierbei wurden die ausländischen Quellensteuern für 1972 und 1973 als Betriebsausgaben abgezogen. Dementsprechend wurden die Einkommensteuerveranlagungen durch Bescheide vom 27. Juni 1977 (betreffend Einkünfte des Rechtsvorgängers) und vom 26. Mai 1977 (betreffend Einkünfte der Klägerin) geändert und gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) endgültig durchgeführt.

Im Rechtsbehelfsverfahren der KG gegen den Gewinnfeststellungsbescheid schloß sich das Betriebsstätten-FA der - im Einspruch vertretenen - Auffassung an, daß die Erfindereinkünfte nicht zu den gewerblichen Einkünften bei der KG rechneten; der gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 geänderte Gewinnfeststellungs-Sammelbescheid vom 24. September 1980 enthält die Erfindereinkünftebeträge nicht mehr.

Das für die Veranlagung zuständige FA setzte daraufhin in den nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geänderten Einkommensteuerbescheiden 1972 und 1973 vom 9. Februar 1981 (betreffend Einkünfte des Rechtsvorgängers) und vom 21. Januar 1981 (betreffend Einkünfte der Klägerin) die Einkünfte aus Gewerbebetrieb entsprechend an und berücksichtigte zugleich Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Letztere wurden hinsichtlich des Rechtsvorgängers für 1972 - wie ursprünglich erklärt - mit . . . DM und für 1973 mit . . . DM sowie betreffend die Klägerin für 1973 mit . . . DM angesetzt. Dabei ließ das FA die ausländischen Quellensteuern in Höhe von . . . DM aus 1972 bzw. von . . . DM aus 1973, die vormals im Rahmen der Betriebsprüfung bei der KG als gewerbliche Betriebsausgaben behandelt worden waren, nicht mehr zum Abzug zu.

Die Einsprüche wurden unter dem 30. März und 14. April 1982 zurückgewiesen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist - im Ergebnis - begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zwar ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht die mit der Revision gerügte Verletzung des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (I.).

Die Vorentscheidung enthält jedoch in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichenden Feststellungen i. S. des § 118 Abs. 2 FGO, die eine revisionsrechtliche Überprüfung der Voraussetzungen für die inländische Besteuerung der Erfinder-Linzenzeinnahmen ermöglichen (II.). Dies ist ein materiell-rechtlicher Fehler in der Urteilsfindung, der für sich genommen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG - zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung im Rahmen des Klagebegehrens (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) - führt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Januar 1987 I R 85/80, BFHE 150, 120, 124, BStBl II 1987, 616, 618, zu B 1; vom 5. März 1968 II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610).

I.

Wie das FG zutreffend entschieden hat, konnte das FA die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 stützen.

1. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu ändern, ,,soweit" ein Grundlagenbescheid geändert wird, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt.

Entgegen der Revision unterscheidet sich der Wortlaut dieser Norm im wesentlichen nur redaktionell gegenüber § 218 Abs. 4 AO, wo es in Satz 1 heißt, daß die auf dem bisherigen Feststellungsbescheid beruhenden Steuerbescheide bei Änderung des Feststellungsbescheids von Amts wegen durch neue Bescheide ersetzt werden, die der Änderung ,,Rechnung tragen" (vgl. z. B. v. Wallis in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 175 AO 1977 Rdnr. 6; Woerner / Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., S. 119; ferner zum Teil BFH-Urteil vom 4. Juli 1989 VIII R 217/84, BFHE 157, 427, 430, BStBl II 1989, 792, 793).

Nach beiden Vorschriften führt die Berichtigung des Folgebescheids wegen Änderung des Grundlagenbescheids nicht zu einer Wiederaufrollung der gesamten Veranlagung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 3. Juli 1964 VI 78/63 S, BFHE 80, 257, BStBl III 1964, 566); das Rechtskraftprinzip geht insoweit dem Bedürfnis zur Berichtigung materieller Fehler vor (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 1965 I 258/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 490, 491, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 2, Rechtsspruch 59 zu I. 2.).

Dagegen wird der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids im Umfang der vorgeschriebenen Anpassung an die Änderung des Grundlagenbescheids Vorrang einräumt (vgl. BFH-Urteile vom 14. April 1988 IV R 219/85, BFHE 153, 285, 287, BStBl II 1988, 711, 712 zu 1. a) m. w. N.; vom 8. April 1965 III 132/61 U, BFHE 82, 352, 356, BStBl III 1965, 376, 377). Diese Anpassung erschöpft sich nicht in der Pflicht, nur die geänderten Feststellungen in die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide zu übernehmen, sondern erfordert, daß das FA alle Folgerungen aus der geänderten Feststellung ziehen muß, selbst wenn sich diese auf andere Besteuerungsgrundlagen oder Einkunftsarten auswirken (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 24. November 1965 VI 128/65 U, BFHE 84, 365, 367, BStBl III 1966, 131, m. w. N.). Die Anpassung des Folgebescheids besteht nicht nur in der Änderung von Zahlen, die dem geänderten Grundlagenbescheid zu entnehmen sind, sondern kann eine neue selbständige Würdigung eines für das Folgeverfahren (die Einkommensteuerveranlagung) relevanten Sachverhalts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einschließen. Eine derartige Nachholung von Veranlagungsarbeiten bis hin zur Nachschiebung einer anderen Besteuerungsgrundlage kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Sachverhalt zunächst Gegenstand eines Feststellungsverfahrens war, dann aber abschließend in jenem Verfahren festgestellt wurde, daß er nicht im Grundlagenbescheid (bei der Gewinnfeststellung), sondern im Folgebescheidsverfahren (bei der Einkommensteuerveranlagung) unmittelbar zu berücksichtigen oder zu überprüfen sei. In derartigen Fällen war das für den Folgebescheid zuständige FA zuvor durch die Bindung an den ursprünglichen Feststellungsbescheid an einer abschließenden eigenen Ermittlung und Wertung gehindert (FG Münster, Urteilvom 8. Juli 1980 VI 668/781 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 66, rechtskräftig; vgl. ferner insoweit auch FG Düsseldorf, Senate in Köln, Urteil vom 28. April 1969 VII 1/69 E, EFG 1969, 548, rechtskräftig).

Bei der negativen Entscheidung, den Sachverhalt nicht mehr in das Grundlagenbescheidsverfahren einzubeziehen, handelt es sich um eine negative Feststellung, die ebenso wie eine positive Feststellung der Auswertung im Folgebescheidsverfahren bedarf. Die Feststellung, daß ein bestimmter Sachverhalt von der einheitlichen Feststellung nicht mehr erfaßt wird, führt dazu, daß das FA insoweit bei der Durchführung der Einzelveranlagung freie Hand erhält und an frühere Berechnungen nicht mehr gebunden ist (Urteil in BFHE 82, 352, 356, BStBl III 1965, 376, 377; ferner zur ,,entsprechenden" Berichtigung nach § 67 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1925 Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 24. Juni 1936 VI A 192/36, RStBl 1936, 747, 748; zur ,,entsprechenden" Berichtigung gemäß § 70 Abs. 2 des Reichsbewertungsgesetzes 1925 RFH-Urteil vom 7. Dezember 1932 III A 775/31, RStBl 1933, 96, 97).

Diesem Ergebnis stehen die in der Revision angeführten weiteren finanzgerichtlichen Entscheidungen nicht entgegen (vgl. FG Köln, Urteil vom 8. Mai 1981 VII (XIII) 84/75 E, EFG 1982, 192, rechtskräftig; FG Nürnberg, Urteil vom 3. April 1985 V 185/79, EFG 1985, 427, aufgehoben durch Urteil in BFHE 153, 285, BStBl II 1988, 711); diese befassen sich nicht mit den Auswirkungen negativer Feststellungen. Anders gelagert sind ferner die vom BFH mit Urteilen vom 18. März 1987 II R 223/84 (BFHE 149, 139, BStBl II 1987, 415) und vom 30. Oktober 1986 IV R 175/84 (BFHE 148, 119, BStBl II 1987, 89) entschiedenen Fälle.

Im Streitfall konnte danach das mit der Einkommensteuerveranlagung befaßte FA die Erfindereinkünfte in eigener Zuständigkeit hinsichtlich Grund und Höhe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht neu würdigen. Wie das FG - für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) - festgestellt hat, waren diese Einkünfte zuvor Gegenstand der Gewinnfeststellung für die KG durch das Betriebsstätten-FA, bis durch den Gewinnfeststellungsänderungsbescheid vom 24. September 1980 die negative Feststellung getroffen wurde, daß diese Einkünfte nicht zum Gewinn der KG gehörten.

2. Entgegen der Revision ist § 177 AO 1977 im Streitfall nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift sind im Rahmen einer zulässigen Änderung eines Steuerbescheids solche Rechtsfehler zu berichtigen, die nicht Anlaß der Änderung sind; mit anderen Worten wird insoweit eine beschränkte Wiederaufrollung des Steuerfalles ermöglicht (vgl. v. Wallis in Hübschmann / Hepp / Spitaler, a. a. O., § 177 AO 1977 Rdnr. 2). Die Regelung gewährt also weitere Möglichkeiten zur Fehlerkorrektur über die Fehlerberichtigung hinaus, die Anlaß der Änderung ist. Der Streitfall betrifft jedoch allein - worauf bereits die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - eine Berichtigung der Einkommensteuerveranlagungen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 aus dem sachlichen Anlaß der Gewinnfeststellungsänderung. Wie bereits zu I. 1. ausgeführt, wurde die neue Ermittlung der Erfindereinkünfte durch das Veranlagungs-FA aufgrund der negativen Feststellung des geänderten Grundlagenbescheids (über die dortige Nichterfassung) erforderlich.

II.

Die Entscheidung des FG über die Besteuerung der Erfinder-Lizenzeinnahmen des Rechtsvorgängers und der Klägerin im Inland wird dagegen nicht von hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getragen.

1. Nicht nachprüfbar ist, weshalb der Rechtsvorgänger (a) und die Klägerin (b) die Voraussetzungen erfüllten, unter denen Erfinder-Lizenzeinnahmen nach dem im inländischen Recht maßgeblichen EStG steuerpflichtig sind.

Nachdem der Rechtsvorgänger und die Klägerin vor den Streitjahren ihren gemeinsamen Wohnsitz in die Schweiz verlegt hatten, waren sie in den hier interessierenden Veranlagungszeiträumen nur noch mit ihren inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 2 EStG i. d. F. der Streitjahre - jetzt Abs. 4 - i. V. m. § 49 EStG i. d. F. der Streitjahre).

a) Der Rechtsvorgänger der Klägerin würde in Höhe der Erfinder-Lizenzeinnahmen Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 18 EStG erzielt haben, wenn die Erfindertätigkeit Teil einer im Inland ausgeübten oder verwerteten selbständigen Arbeit war.

aa) Im Einklang mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung hat das FG die Erfindertätigkeit, die auf die Nutzung von Erfindungen durch Lizenzvergabe gerichtet war, als selbständige Arbeit i. S. des § 18 EStG angesehen (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1989 VIII R 151/85, JURIS; vom 14. März 1985 IV R 8/84, BFHE 143, 355, 357, BStBl II 1985, 424, zu 1. b) m. w. N.).

Insbesondere bestand nach dem bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid der KG vom 24. September 1980 kein Zusammenhang mit deren gewerblicher Betätigung (vgl. BFH-Urteile vom 11. Februar 1988 IV R 223/85, BFH/NV 1988, 737, StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 15 Abs. 1 Nr. 1, Rechtsspruch 23; vom 28. März 1984 I R 191/79, BFHE 141, 244, 246, BStBl II 1984, 664, zu 1.).

bb) ,,Ausgeübt" wird eine selbständige Tätigkeit in erster Linie dort, wo sich die ausübende Person physisch aufhält und die Berufstätigkeit persönlich entfaltet. Für die Bestimmung des Ausübungsortes muß allerdings auch die Art der Tätigkeit berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 12. November 1986 I R 268/83, BFHE 148, 453, 455, BStBl II 1987, 372, zu 3. m. w. N.; vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 1/71, BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68).

Ein Erfinder übt seine Tätigkeit überall dort aus, von wo er seine Erfinderidee planmäßig verwirklicht (BFH-Urteil vom 20. November 1974 I R 1/73, BFHE 114, 530). Hat daher der Erfinder für die Auswertung seiner Erfindung Lizenzen vergeben und stellt die Ausübung seiner Rechte aus den Lizenzverträgen schon für sich allein eine freiberufliche Tätigkeit dar, so wird die Tätigkeit, aus der die Lizenzeinnahmen herrühren, dort persönlich ausgeübt, von wo der Steuerpflichtige seine Rechte aus den Lizenzvertägen geltend macht (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1976 I R 261/70, BFHE 120, 225, BStBl II 1977, 76).

Ob die vom FG festgestellte inländische Verwaltung der Lizenzeinnahmen am Sitz der KG diesen Merkmalen entsprach, erscheint mangels Feststellung näherer Tatsachen zweifelhaft (vgl. auch zur inländischen Tätigkeitsausübung mittels Weisungsbefugnis vom Ausland aus BFH-Beschluß in BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68; vgl. zur Unbeachtlichkeit des bloßen Zahlungsortes - im anderen Zusammenhang - Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 12 Rdnr. 25 a. E.).

cc) ,,Verwertet" wird eine selbständige Arbeit im Inland dann, wenn zwar eine persönliche Arbeit im Inland nicht mehr vorliegt, der Erfolg einer im Ausland ausgeübten Tätigkeit aber im Inland eintritt - z. B. durch Lizenzvergabe an inländische Unternehmen - (Urteil in BFHE 120, 225, 227, BStBl II 1977, 76 zu 2. a). Feststellungen hierzu hat das FG nicht getroffen.

b) Die Klägerin hat bei fehlender eigener freiberuflicher Qualifikation (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn sich ihre Tätigkeit auf eine - zeitlich begrenzte - Abwicklung beschränkte (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1989 IV R 45/87, BFHE 156, 204, 206, BStBl II 1989, 509, 510 zu 2.).

Auch hierzu liegen keine Feststellungen vor.

2. Auch zur Zuweisung der Besteuerung nach dem Recht der zwischenstaatlichen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) hat das FG keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

a) Dies gilt einmal für die Einkünfte des Rechtsvorgängers.

aa) Das FG ist konkludent vom Bestehen einer festen Einrichtung i. S. des Art. 14 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz vom 11. August 1971, BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 518) ausgegangen. Nach dieser Vorschrift können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt. Verfügt sie über eine solche feste Einrichtung, so können die Einkünfte in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.

bb) Anwendbar ist die Vorschrift des Art. 14 Abs. 1 DBA-Schweiz, die Art. 14 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens 1963 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens (OECD-MustAbk 1963) entspricht, jedenfalls auf solche in einer festen Einrichtung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) erzielten Erfinder-Lizenzeinnahmen, die aus Drittstaaten stammen.

Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 1 DBA-Schweiz, die Art. 12 Abs. 1 OECD-MustAbk 1963 entspricht, steht der Anwendung des Art. 14 DBA-Schweiz nicht entgegen, weil danach nur Lizenzgebühren, die aus einem Vertragsstaat (hier Bundesrepublik) stammen und an eine in dem anderen Vertragsstaat (hier Schweiz) ansässige Person gezahlt werden, in dem anderen Staat besteuert werden können. Lizenzgebühren aus Drittstaaten werden mithin durch Art. 12 DBA-Schweiz nicht erfaßt; Art. 14 Abs. 1 DBA-Schweiz ist - entsprechend seinem Wortlaut - unmittelbar anwendbar (vgl. Kempermann in Flick / Wassermeyer / Wingert / Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 12 Rdnr. 72; ferner Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, vor Art. 10 bis 12 Rdnr. 21).

Danach ist die Vorschrift des Art. 21 DBA-Schweiz, die Art. 21 OECD-MustAbk 1963 entspricht und das Besteuerungsrecht für die in den vorstehenden Artikeln des DBA nicht geregelten Einkünfte dem Ansässigkeitsstaat zuweist, nicht einschlägig (vgl. Schürmann in Meyer-Marsilius / Hangarter, DBA-Schweiz, Art. 21 Anm. II 2; ferner Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 21 Rdnr. 26).

cc) Im Streitfall hat das FG zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 14 DBA-Schweiz jedoch (ebenso wie zu denen des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG - siehe oben II. 1. a) aa) -) keine hinreichende Feststellungen getroffen. Allein aufgrund des im angefochtenen Urteil enthaltenen Hinweises auf die ,,Verwaltung der Lizenzeinnahmen" im Inland kann der Senat nicht überprüfen, ob der Rechtsvorgänger hier ,,regelmäßig" über eine ,,feste Einrichtung verfügte", die dazu bestimmt war, der freiberuflichen Tätigkeitsausübung zu dienen.

Wie der Senat zu dem - in früheren DBA verwendeten - Begriff des festen Mittelpunkts bereits ausgeführt hat, handelt es sich um eine Einrichtung, unter der gewissermaßen die Betriebsstätte eines Freiberuflers zu verstehen ist (Urteile in BFHE 126, 209, 213, BStBl II 1979, 64 zu 3.; vom 22. März 1966 I 65/63, BFHE 85, 456, 459, BStBl III 1966, 463) und für die ein Verfügungsrecht des selbständig Tätigen vorausgesetzt wird (Urteil vom 3. Februar 1988 I R 369/83, BFHE 152, 485, 487, BStBl II 1988, 486 zu 1.). Der Nutzende muß eine Rechtsposition innehaben, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres entzogen oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann.

dd) Mangels tatsächlicher Feststellungen muß der Senat nicht entscheiden, ob Art. 14 DBA-Schweiz gegenüber Art. 12 DBA-Schweiz auch bei eventuellen Lizenzeinnahmen aus dem Wohnsitzstaat (Schweiz) Vorrang zukommt.

ee) Falls das Besteuerungsrecht nicht nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Schweiz der Bundesrepublik zustehen sollte, wird das FG Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz zu beachten haben.

b) Zur Frage der Besteuerung der Einkünfte der Klägerin nach dem DBASchweiz fehlt es ebenfalls an hinreichenden Fststellungen, die eine Überprüfung der Voraussetzungen des Art. 14 DBA-Schweiz und - insbesondere bei Verneinung freiberuflicher Einkünfte der Klägerin - der Art. 4 Abs. 4 und Art. 12 DBA-Schweiz ermöglichen.

III.

Sollte das FG auch nach erneuter Verhandlung die Voraussetzungen für die Besteuerung der Erfinder-Lizenzeinnahmen des Rechtsvorgängers und der Klägerin in der Bundesrepublik bejahen, ist davon auszugehen, daß vor Inkrafttreten des § 50 Abs. 6 EStG in der seit 1980 geltenden Fassung keine Möglichkeit zum Abzug der ausländischen Quellensteuern bestand, wie auch die Revision nicht bezweifelt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 143

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