Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung einer Gesellschaft als Erwerberin eines Grundstücks an ein Ausbau- und Renovierungskonzept -- einheitlicher Vertragsgegenstand

 

Leitsatz (NV)

1. Sind vom Erwerber eines Grundstücks mit je unterschiedlichen Vertragspartnern Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Renovierung und Erweiterung eines auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudes abgeschlossen worden, so zur Bestimmung des für den Umfang der Gegenleistung maßgeblichen Gegenstands des Erwerbsvorgangs zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf ab zielen, dem Erwerber ein Grundstück in ausgebautem bzw. renoviertem Zustand zu verschaffen (objektiver enger sachlicher Zusammenhang).

2. Ein solcher objektiver enger sachlicher Zusammenhang der Renovierungs- und Ausbauverträge mit dem Grundstückskaufvertrag besteht dann, wenn der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war.

3. Eine derartige Bindung an ein Ausbau- und Renovierungskonzept kann bei einer grundstückserwerbenden Gesellschaft auch dadurch herbeigeführt werden, daß sich die Gesellschafter zeitlich vor dem Grundstückserwerb nicht nur untereinander, sondern auch im Verhältnis zu einem Dritten auf die Verfolgung eines bestimmten Gesellschaftszwecks (Erwerb eines Grundstücks sowie Ausbau und Renovierung der bestehenden Altbausubstanz) festlegen und an ein bestimmtes, auf die Erreichung des Gesellschaftszwecks abzielendes Vertragswerk binden. Eine derart bestehende Bindung der Gesellschafter wirkt nämlich auf die Entscheidungsmöglichkeiten der Gesellschaft ein, denn die Gesellschaft kann in diesen Fällen nicht mehr Entscheidungsfreiheit haben als die Gesamtheit ihrer Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 II R 66/90, BFH/NV 1994, 339).

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die A-GmbH war Eigentümerin eines mit einem Mietwohngebäude bebauten Grundstücks. Gesellschafter mit maßgeblicher Beteiligung und gemeinschaftlich vertretungsberechtigte Geschäftsführer der A-GmbH waren die Herren B und C. Die A-GmbH entwarf zusammen mit der Firma D- GmbH, an der die Herren B und C mit jeweils 50 v. H. als Gesellschafter beteiligt waren, eine Planung für eine grundlegende Sanierung des vorhandenen Altbaus und für einen Ausbau des Dachgeschosses, wo drei neue Wohnungen entstehen sollten. Hierzu sollte die noch zu gründende Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), das Grundstück zu einem bestimmten Preis erwerben und unter Einschaltung einer der beiden jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin als Treuhänderin (Treuhänderin) die zur Durchführung dieser Maßnahmen und ihrer Finanzierung erforderlichen Verträge abschließen. Nach einem von der D-GmbH im November 1983 herausgegebenen Prospekt, der der Anwerbung von Personen dienen sollte, die als Gesellschafter der Klägerin beizutreten bereit waren, sollten die Gesamtinvestitionen 2 150 000 DM betragen, und zwar sollten für den Erwerb des Grundstücks 833 677 DM, an Bau- und Renovierungskosten 737 685 DM sowie an "Werbungskosten" 578 637 DM aufgewendet werden. Diese Kosten sollten in Höhe von 1 935 000 DM fremdfinanziert und der Rest durch Eigenkapital, welches von den zukünftigen Gesellschaftern der Klägerin aufzubringen war, gedeckt werden.

Interessenten, die Gesellschafter der Klägerin werden und sich an dem Projekt betei ligen wollten, wurde ein notariell beur kundetes Angebot der Treuhänderin vom 6. Dezember 1983 auf Abschluß eines Treuhandvertrages zugeleitet. Der das Angebot Annehmende beauftragte die Treuhänderin "zur Vorbereitung, Durchführung und Nutzung des Bauvorhabens" unwiderruflich und unkündbar, u. a. den Gesellschaftsvertrag der Klägerin, den Kaufvertrag über einen von der Treuhänderin zu bestimmenden Anteil an der GbR, den Grundstückskaufvertrag, sämtliche Bau- und Baunebenverträge, einen Baubetreuungsvertrag mit der A-GmbH, Finanzierungsverträge, einen Mietgarantie- und Vermietungsvertrag sowie sonstige Dienstleistungsverträge mit der D-GmbH abzuschließen. Das Angebot auf Abschluß des Treuhandvertrages konnte nur in bestimmter, vorformulierter Form angenommen werden, insbesondere mußten die beitretenden Gesellschafter mit der Annahme des Angebots der Treuhänderin in umfassender Weise eine unwiderrufliche Vollmacht erteilen. Die Treuhänderin war danach zur Vertretung der Treugeber auch in der GbR bevollmächtigt. Der Annehmende verpflichtete sich ferner zur Zahlung eines bestimmten Eigenkapitalanteils.

Das Treuhandangebot vom 6. Dezember 1983 wurde von 13 Personen angenommen. Aufgrund der darin erteilten Vollmachten schloß die Treuhänderin im Namen der Vollmachtgeber am 12. Dezember 1983 den Gesellschaftsvertrag der Klägerin, wonach die Treuhänderin Geschäftsführerin der GbR sein sollte; ferner schloß sie am selben Tage für die Klägerin mit der A-GmbH einen Vertrag über die finanzielle und kaufmännische Baubetreuung und sonstige Nebenleistungen. Darin war für die Verwendung des Gesellschaftsvermögens bzw. für die vor geplanten Bau- und Modernisierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der bisher eingeholten Angebote ein Investitionsplan über die vorgesehenen Gesamtkosten von 2 150 000 DM aufgestellt worden. Ebenfalls am 12. Dezember 1983 schloß die Treuhänderin für die Klägerin mit der D-GmbH einen Vertrag über die Übernahme der Geschlossenheits- und Höchstpreisgarantie, die Vermittlung der Zwischen- und End finanzierung, die Übernahme der Ausbietungs- und Zinsgarantie und die Mietervermittlung. Die einzelnen Leistungsteile konnten von der Klägerin nicht abgewählt werden. Bei Nichtinanspruchnahme einzelner Leistungsteile sah der Vertrag keine Minderung der vorgesehenen Vergütung vor.

Am 15. Dezember 1983 schloß die Treuhänderin den Grundstückskaufvertrag für die Klägerin mit der A-GmbH ab. Der Kaufpreis betrug 793 302 DM. Durch Vertrag vom 9. Januar 1984 beauftragte die Klägerin die Firma E-GmbH gegen einen Festpreis von 402 000 DM mit dem schlüsselfertigen Ausbau des Dachgeschosses. Ferner wurden ein Vertrag über Wärmedämmungs- (Fassaden-)Arbeiten mit der Generalunternehmerin E-GmbH und ein Vertrag über Heizungsarbeiten mit der Firma F geschlossen.

An Beratungs- und Finanzierungskosten sind der Klägerin insgesamt 578 637 DM entstanden, die sich wie folgt aufschlüsseln:

Baubetreuung 3 990 DM

Bürgschaftsgebühren

(Zwischenfinanzierung) 43 000 DM

Zinsgarantie 21 500 DM

Ausbietungsgarantie 10 750 DM

Vermietungsgarantie 39 900 DM

Höchstpreisgarantie 7 752 DM

Finanzierungsvermittlung 86 000 DM

Treuhandgebühren 12 255 DM

Steuerberatung 49 020 DM

Notar- und Rechtsberatungskosten 12 255 DM

Bearbeitungsgebühren

(Bankdarlehen) 32 250 DM

Damnum 193 500 DM

Zinsen (Zwischenfinanzierung) 66 465 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) hat für den Grunderwerb der Klägerin zunächst nach einer Gegenleistung von 793 302 DM Grunderwerbsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gegen die Klägerin festgesetzt. Später hat es sämtliche mit dem Grundstückskaufvertrag vom 15. Dezember 1983 zusammenhängende Verträge als einheitliches Vertragswerk angesehen und durch Bescheid vom 14. Juni 1984 Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 673 234 DM in Höhe von 33 464 DM festgesetzt. Die Gegenleistung ermittelte es wie folgt:

Kaufpreis Grundstück 793 302 DM

Herstellungs- und Modernisierungsaufwand 737 685 DM

Gebühren und Kosten 142 247 DM.

An Gebühren und Kosten wurden vom FA folgende Positionen berücksichtigt:

Baubetreuungsgebühren 3 990 DM

Bürgschaftsgebühren

(Zwischenfinanzierung) 43 000 DM

Zinsgarantie 21 500 DM

Ausbietungsgarantie 10 750 DM

Höchstpreisgarantie 7 752 DM

Vermittlung Zwischenfinanzierung 43 000 DM

Treuhandgebühr 12 225 DM.

Das FA hob gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die Steuerfestsetzung erging hinsichtlich der Höhe der Herstellungs- und Modernisierungskosten, der Kosten für Grund und Boden und Gebäude sowie anzusetzender Gebühren und Kosten vorläufig.

Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie beantragte, Grunderwerbsteuer nur nach den Kosten für den Grund und Boden und das Gebäude (793 302 DM) festzusetzen, blieb erfolglos. Auf die Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgte, hat das Finanzgericht (FG) die Grunderwerbsteuer auf 16 038 DM festgesetzt und die Vorläufigkeit des angefochtenen Bescheides aufgehoben, soweit nicht als Teil der Gegenlei stung der Ansatz der Baubetreuungskosten, Bürgschaftskosten für die Zwischenfinanzierung, Vermittlungskosten für die Zwischenfinanzierung und Kosten für Mietgarantie in Betracht kommen.

Das FG hat ausgeführt, Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei lediglich das Grundstück mit unrenoviertem und nicht ausgebautem Gebäude. Bemessungsgrundlage sei deshalb zunächst auch nur der Kaufpreis hierfür in Höhe von 793 302 DM.

Der Kaufvertrag bilde mit den anderen Verträgen keine rechtliche Einheit. Es sei nicht hinreichend ersichtlich, daß die Verträge voneinander abhängen sollten. Selbst wenn ein einheitlicher Vertrag zustande gekommen wäre, unterliege der Grunderwerbsteuer nur der Teil der Gegenleistung, der sich auf die Grundstücksübereignung beziehe. Denn es könne nicht angenommen werden, daß sich die Grundstücksveräußerer zur Übereignung eines modernisierten Grundstücks verpflichtet hätten.

Das FG halte ferner die Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH), daß lediglich ein objektiver Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen zu einem einheitlichen Vertragswerk führen könne, für eine unzulässige steuerverschärfende Analogie. Wegen der Einzelheiten werde auf das der Vorentscheidung auszugsweise beigefügte Urteil des FG vom 15. November 1990 I 338--339/86 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1991, 496) Bezug genommen, dessen Grundsätze gleichermaßen auch für die im Streitfall erhebliche Frage der Höhe der Gegenleistung maßgeblich seien.

Die Steuerfestsetzung sei auch nicht unter Berücksichtigung des Wirkens eines Initiators begründet. Der BFH habe zwar bei der Erörterung des Erwerbs "aus einer Hand" ausgeführt, daß sogar beim Auftreten mehrerer Personen auf der Veräußererseite ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen bestehen könne, insbesondere könne sich die Verflechtung der Verträge aus der Stellung des Projektanbieters ergeben. Diese Rechtsprechung verstehe das FG so, daß ein Initiator kraft seiner Rechtsmacht bewirken müsse, daß ein unbebautes Grundstück beim Erwerber als bebautes Grundstück ankomme. Es könne jedoch dahinstehen, ob der BFH diese Rechtsprechung neben der zum "objektiven Zusammenhang" unverändert und in vollem Umfang aufrechterhalte. Denn das FG könne in derartigen Fällen keinen für die Steuerbarkeit erforderlichen derivativen Erwerb des Bauherren hinsichtlich des Bauwerks erkennen.

Neben dem Grundstückskaufpreis seien zur Gegenleistung aber vorläufig zu rechnen die Bürgschaftskosten für die Zwischenfinanzierung sowie die Kosten für die Vermittlung der Zwischenfinanzierung in Höhe von jeweils 4 300 DM. Der Senat gehe insoweit vereinfachend im Wege der Schätzung so vor, daß jeweils die Beträge vorläufig für den Grundstückserwerb angesetzt würden, bei denen sich eine Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung in Anlehnung an ertragsteuerliche Grundsätze ergebe, wie sie etwa schon in dem Bauherrenerlaß vom 13. August 1981 (BStBl I 1981, 604 ff.) ihren Ausdruck gefunden hätten. Wegen einer abschließenden Beurteilung der jeweiligen Ausgewogenheit werde die Klägerin auf den Erlaß eines endgültigen Bescheids verwiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen zum sog. einheitlichen Vertragsgegenstand habe die Klägerin ein Grundstück mit einem renovierten und ausgebauten Gebäude erworben. Der sachliche Zusammenhang der Verträge ergebe sich im Streitfall aus der Stellung der Initiatoren, die als Gesellschafter der Grundstücksveräußerin und der D-GmbH freie Hand bei der Durchsetzung des Grundstücksbebauungskonzeptes gehabt hätten. Die Gesellschafter der Klägerin hätten den Zugang zum Grundstück nur erhalten, weil sie die vom Initiator vorgesehenen Modernisierungsmaßnahmen akzeptiert hätten. Eine Verknüpfung der Verträge untereinander ergebe sich auch aus der Stellung der Treuhänderin, der die Gesellschafter der Klägerin Vollmacht zum Abschluß aller Verträge erteilt hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Der Grundstückskaufvertrag vom 15. Dezember 1983 ist ein Rechtsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegt. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Zur Gegenleistung gehört bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).

Für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z. B. BFH- Urteile vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, 287, BStBl II 1990, 590; vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357 sowie -- zu § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 -- BFH-Urteil vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, 231, BStBl II 1981, 537 m. w. N.); denn Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist.

Der für den Umfang der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird nicht nur bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sondern -- ggf. -- auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem und objektiv sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, und II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181 sowie in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und in BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357). Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln.

Sind, wie im Streitfall, vom Erwerber (Klägerin) mit je unterschiedlichen Vertragspartnern Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Renovierung bzw. Erweiterung (Dachgeschoßausbau) eines Gebäudes abgeschlossen worden, so ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück in ausgebautem bzw. renoviertem Zustand zu verschaffen (objektiver enger sachlicher Zusammenhang). Maßgebend ist der Gesamtinhalt der Verträge unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --; BFH-Urteil vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609, und BFH-Beschluß vom 18. September 1985 II B 24--29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627).

Ein solcher objektiver enger sachlicher Zusammenhang des Bauvertrages mit dem Grundstückskaufvertrag kann nach der Rechtsprechung des Senats in den Fällen, in denen -- wie im Streitfall -- der Abschluß der zur Renovierung und zum Ausbau des Gebäudes erforderlichen Verträge zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages erfolgt, dann bestehen, wenn der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532).

Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, so hält es der Senat für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen ferner für notwendig, aber auch für ausreichend, daß diese aufgrund einer vertraglichen Abrede bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge (Übereignung des Grundstücks und Durchführung der Baumaßnahmen) hinzielen (BFH-Urteil vom 14. März 1990 II R 169/87, BFH/NV 1991, 263). Der Abschluß eines schriftlichen Vertrages ist nicht erforderlich.

An dieser nunmehr ständigen Rechtsprechung hält der Senat fest. Die dagegen erhobenen Einwendungen des FG überzeugen nicht. Nach den von der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätzen ist der Gegenstand des Erwerbsvorganges nicht nur dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft (z. B. Grundstückskaufvertrag) selbst zu entnehmen, sondern ggf. auch mit diesem im Zusammenhang stehenden weiteren Rechtsgeschäften. Diese Auffassung beruht auf einer am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierten Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, die die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Gesetzesauslegung nicht überschreitet und auch nicht auf einem verfassungsrechtlich unzulässigen Analogieschluß beruht (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212; BFH in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183; in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und in BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357).

2. Die Sache ist spruchreif.

a) Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist im Streitfall das Grundstück mit renoviertem und ausgebautem Gebäude. Die Klägerin war zwar im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages am 15. Dezember 1983 hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks zivilrechtlich noch nicht gebunden. Gleichwohl war die Klägerin nach den Gesamtumständen bereits zu diesem Zeitpunkt faktisch auf die Bebauung des Grundstücks in der von der A-GmbH und D-GmbH vorgegebenen Art und Weise festgelegt.

Diese faktische Bindung der Klägerin an das Bebauungskonzept der A-GmbH und D-GmbH ergibt sich vor allem daraus, daß sich die beitrittswilligen Gesellschafter gegenüber der von den Initiatoren (A-GmbH und D-GmbH) eingeschalteten Treuhänderin, die den Zugang zur Klägerin regeln konnte, vor Gründung der Klägerin und damit auch vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages mit dem gesamten Vertrags-, Bebauungs- und Finanzierungskonzept einverstanden erklären mußten. Diese konnten nämlich nur dann Gesellschafter der Klägerin werden, wenn sie bereit waren, der Treuhänderin in umfassender Weise eine unwiderrufliche Vollmacht zu erteilen, ihre Rechte und Interessen im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb und der Beteiligung an der Klägerin wahrzunehmen und zu begründen, insbesondere alle im Treuhandvertrag genannten Verträge abzuschließen. Die beitretenden Gesellschafter waren ferner aufgrund des von den Initiatoren vorformulierten Gesellschaftsvertrages auf einen bestimmten Gesellschaftszweck sowie aufgrund des Treuhandvertrages auf ein ganz bestimmtes, von den Initiatoren vorgegebenes Investitionsvolumen, welches dem von ihnen ermittelten Gesamtaufwand für das Projekt entsprach, festgelegt und zur Zahlung von bestimmten Einlagen verpflichtet, die der Höhe nach insgesamt dem vorausberechneten und von der Klägerin aufzubringenden Eigenkapital entsprachen. Diese von allen beitrittswilligen Gesellschaftern der Klägerin der Treuhänderin gegenüber vor der Gründung der Klägerin eingegangenen Verpflichtungen bewirken, daß auch die Klägerin selbst an das Bebauungskonzept der Initiatoren gebunden war. Sind nämlich die Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht nur untereinander, sondern auch im Verhältnis zu einem Dritten auf die Verfolgung eines bestimmten Gesellschaftszwecks festgelegt und insoweit an ein Vertragswerk gebunden, wirkt die derart bestehende Bindung der Gesellschafter auf die Entscheidungsmöglichkeiten der Gesellschaft ein, denn die Gesellschaft kann in diesen Fällen nicht mehr Entscheidungsfreiheit haben als die Gesamtheit ihrer Gesellschafter (Senatsurteil vom 28. Juli 1993 II R 66/90, BFH/NV 1994, 339).

An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß nach dem Inhalt des Beteiligungsprospektes die Entscheidung über die Baumaßnahmen und über den Abschluß der hierzu erforderlichen Verträge noch der Gesellschafterversammlung vorbehalten sein sollte, denn praktische Auswirkungen auf die Bindung der Klägerin an das von den Initiatoren entwickelte Vertrags- und Baukonzept konnte dies wegen der Bindungen aller Gesellschafter der Klägerin gegenüber der ein geschalteten Treuhänderin an das Gesamtkonzept nicht haben. Angesichts der gleichmäßigen Einbindung aller Gesellschafter sowie der bis ins Detail ausgearbeiteten Planung war ein dem Gesamtkonzept widersprechendes Abstimmungsverhalten der Gesellschafter ausgeschlossen. Zudem war die Treuhänderin als Geschäftsführerin der Klägerin prinzipiell berechtigt und unwiderruflich bevollmächtigt, unabhängig von den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung sämtliche Verträge abzuschließen. Ihr stand ferner ein "jederzeitiges persönliches Eingriffsrecht in die Bauplanung und Bauchdurchführung" zu. Der Beschlußfassung durch die Gesellschafterversammlung kommt hier deshalb nur deklaratorische Bedeutung zu (vgl. Senatsentscheidungen vom 20. Dezember 1989 II R 31/88, BFHE 159, 260, BStBl II 1990, 234, und vom 17. Juni 1992 II R 71/89, BFH/NV 1993, 195).

Da die Klägerin aufgrund der von ihren Gesellschaftern der Treuhänderin gegenüber eingegangenen Verpflichtungen an das in allen Einzelheiten vorgeplante Gesamtkonzept der A-GmbH und D-GmbH gebunden war, war sie im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages am 15. Dezember 1983 auch nicht mehr frei hinsichtlich des "Ob" und "Wie" der Renovierungs- und Ausbauarbeiten. Es liegt im Streitfall auch ein abgestimmtes Verhalten auf der Veräußererseite (Grundstücksverkäuferin A-GmbH, D-GmbH und Treuhänderin) vor, das darauf gerichtet war, der Klägerin als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück einschließlich renovierter und erweiterter Bebauung zu verschaffen. Denn durch die von den Initiatoren, bei denen weitgehende Identität der beteiligten Gesellschafter vorliegt, veranlaßte Einschaltung der Treuhänderin konnte offensichtlich sichergestellt werden, daß es zum Abschluß aller vorgesehenen Verträge mit den Initiatoren und weiteren Dritten kommt.

b) Im Streitfall haben die Vertragsparteien das Grundstück im ausgebauten und renovierten Zustand zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht. Damit ist dieser Zustand schon deswegen für die Besteuerung und damit für den Umfang der Gegenleistung maßgeblich. Mithin gehören alle Aufwendungen der Klägerin, die diese gewährt hat, um das Grundstück in diesem Zustand zu erhalten, grunderwerbsteuerrechtlich zur Gegenleistung (vgl. z. B. Senatsurteil in BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898 m. w. N.). Dabei ist es für die Qualifikation einer Leistung als Gegenlei stung entscheidend, daß die Verpflichtung zur Leistung auf den Erwerb des Grundstücks in dem für die Besteuerung maßgeblichen Zustand bezogen ist (Senatsurteil vom 19. Juli 1989 II R 95/87, BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685).

Die Gegenleistung ist nicht auf Leistungen des Erwerbers an den Grundstücksveräußerer beschränkt. Auch Leistungen aufgrund gegenseitiger Verträge mit Dritten können zur Gegenleistung gehören. Dies ist der Fall, wenn sich der Erwerber gegenüber dem Veräußerer verpflichtet hat, in einen gegenseitigen Vertrag mit einem Dritten einzutreten oder einen solchen abzuschließen (vgl. Senatsurteile in BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537, und in BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685). Ist mit Wissen und Willen des verkaufsbereiten Grundstückseigentümers dem potentiellen Erwerber der Abschluß eines Kaufvertrags mit ihm versperrt, sofern der Erwerber nicht einen Dritten mit seiner Vertretung beim Kaufvertragsabschluß beauftragt (und bevollmächtigt), so ist grunderwerbsteuerrechtlich die Veranlassung zum Abschluß von Verträgen mit diesem Dritten oder weiteren von diesem eingeschalteten Vertragspartnern dem Veräußerer auch dann zuzurechnen, wenn der Erwerber gegenüber dem Veräußerer keine entsprechende rechtliche Verpflichtung eingegangen ist (Senatsurteil vom 13. Dezember 1989 II R 115/86, BFHE 159, 362, BStBl II 1990, 440). Solche vom Erwerber eingegangene Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen mit Dritten gehören stets -- d. h., ohne daß es auf ihre Ausgewogenheit ankommt -- zur Gegenlei stung, wenn die Leistung des Dritten dazu führen soll, das Grundstück in den Zustand zu versetzen, in dem es zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht worden ist. Dies gilt auch, wenn die Leistung des Dritten nur dem Veräußerer gegenüber erbracht werden kann (vgl. Senatsurteil in BFHE 159, 362, BStBl II 1990, 440).

Danach hat das FA zutreffend neben dem Kaufpreis für das Grundstück (793 302 DM) auch die Aufwendungen der Klägerin für die Renovierung und den Ausbau des Objektes zur Gegenleistung gerechnet.

Auch der vorläufige Ansatz der Gebühren und Kosten in Höhe von 142 247 DM ist nicht zu beanstanden. Die Baubetreuungsgebühren (3 990 DM) sowie die Treuhandgebühr (12 255 DM) wurden von der Klägerin für Leistungen aufgewendet, die dazu führen sollten, das Grundstück in den Zustand zu versetzen, in dem es zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde, und um es der Klägerin in diesem Zustand zu verschaffen. Diese Kosten sind deshalb zur Gegenleistung zu rechnen (vgl. Senatsentscheidung vom 12. Februar 1992 II R 20/91, BFHE 167, 193, BStBl II 1992, 422). Auch die Aufwendungen der Klägerin für die Vermittlung der Zwischenfinanzierung (43 000 DM) und die Bürgschaftsgebühren für die Zwischenfinanzierung (43 000 DM) sind Teil der Gegenleistung. Die Kosten der Zwischenfinanzierung belasten regelmäßig den Käufer einer noch herzustellenden Sache und gehen daher in den Kaufpreis ein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685). Schließlich sind im Streitfall auch die Gebühren für die Zins-, Ausbietungs- und Höchstpreisgarantie zur Gegenleistung zu rechnen. Diese Gebühren betreffen sämtlich Teilleistungen der D-GmbH aus dem Vertrag vom 12. Dezember 1983, die von der Klägerin nicht abgewählt werden konnten. Auch war die insoweit vereinbarte Gebühr ohne Rücksicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung bzw. des entstehenden Effektivaufwandes von der Klägerin in voller Höhe zu entrichten. Es handelt sich deshalb insoweit um keine eigenständige Leistungsaustauschvereinbarung, sondern nur um kalkulatorische Bestandteile der Gesamtleistungsverpflichtung (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420161

BFH/NV 1995, 262

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Basic. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge