Leitsatz (amtlich)

Verpflichtet sich ein Steuerpflichtiger in einem notariellen Vertrag, seinen Kindern Geldbeträge zuzuwenden, die sie laut Vertrag dem Vater sogleich wieder als "Darlehen" zur Verfügung zu stellen haben, liegt keine Schenkung mit anschließendem Darlehensvertrag vor, sondern nur ein Schenkungsversprechen. Die aufgrund des Schenkungsversprechens geleisteten Zinsen sind bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht abziehbare Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Kfz-Meister und betrieb in den Streitjahren eine Kfz-Werkstatt mit Tankstelle. Mit seinen 1962 und 1966 geborenen Töchtern, die durch einen Ergänzungspfleger vertreten waren, schloß er am 24. November 1972 einen vormundschaftsgerichtlich genehmigten, als Schenkung und Darlehen bezeichneten notariellen Vertrag. Danach schenkte er seinen Töchtern aus dem Firmenvermögen je 30 000 DM, die aus dem Betrieb entnommen und auf die Kinder umgebucht werden sollten. Die Kinder stellten sodann diese Beträge dem Betrieb des Klägers wiederum als Darlehen zur Verfügung. Die Darlehen waren mit sechsmonatiger Kündigungsfrist beiderseits zum Jahresende kündbar. Eine Laufzeit wurde nicht vereinbart. Den Kindern wurden keine Sicherheiten bestellt. Die Darlehen waren zunächst mit 15 % jährlich zu verzinsen. Der Zinssatz wurde mit notarieller Vereinbarung vom 23. Februar 1977 anderweitig auf 6 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank festgesetzt. Die Zinsen waren jeweils am 31. Dezember nachträglich zu entrichten.

Der Schenkungs- und Darlehensvertrag wurde wie folgt vollzogen: Der Kläger gab dem Ergänzungspfleger einen Scheck über 60 000 DM, welcher diesem am 7. Februar 1973 gutgeschrieben und dem Kläger am 12. Februar 1973 auf seinem laufenden betrieblichen Konto belastet wurde. Am 9. Februar 1973 überwies der Ergänzungspfleger dem Kläger 60 000 DM (Gutschrift bei diesem am 13. Februar 1973). Die Darlehenszinsen 1973 und 1974 wurden zunächst nicht ausgezahlt, sondern dem Darlehenskonto gutgeschrieben und ebenfalls mit 15 % verzinst. Im Jahre 1976 wurden Zins und Zinseszinsen 1973/74 und die Zinsen 1975 ausbezahlt. Der Kläger machte die Zinsen als Betriebsausgaben für die Jahre 1973 bis 1977 geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Zinsbeträge in den endgültigen Veranlagungen 1973 bis 1975 und den nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufigen Veranlagungen 1976/1977 nicht zum Abzug zu. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 551 veröffentlicht ist, wies die Klage mit folgender Begründung ab: Der notarielle Vertrag sei nicht als Schenkung mit daran anschließendem Darlehen zu qualifizieren, sondern einheitlich als Schenkungsversprechen. Folglich könnten die versprochenen laufenden Zahlungen keine Schuldzinsen, sondern nur Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sein, die nicht abzugsfähig seien.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts: Er führt im wesentlichen aus: Im Gegensatz zur Auffassung des FG seien eindeutig eine Schenkung und eine Darlehensgewährung vereinbart worden. Dies entspreche auch dem wirklichen Willen der Beteiligten. Er habe seinen Töchtern einen bestimmten Geldbetrag ohne Hinausschieben der Fälligkeit der Aushändigung versprochen. Dieses wirksame Schenkungsversprechen stelle bereits eine Schenkung dar, weil dadurch das Recht des Beschenkten, die versprochene Leistung zu fordern, begründet worden sei (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 43. Aufl., § 518 Anm. 2 b). Mit der Übergabe des Schecks an den gerichtlich bestellten Ergänzungspfleger sei die Schenkung tatsächlich vollzogen worden. Die Vereinbarung eines Darlehens an den Kläger in Höhe des Schenkungsbetrages könne zu keiner anderen Beurteilung führen, weil die Darlehensgeber nach den Darlehenskonditionen nicht auf die Dauer von der Einwirkung auf die ihnen ursprünglich geschenkten Geldbeträge ausgeschlossen seien. Die Darlehen hätten ohne Angabe besonderer Gründe unter Beachtung einer Kündigungsfrist jeweils zum Jahresende gekündigt werden können.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1977 dahin gehend zu berichtigen, daß die für diese Jahre bezahlten Zinsen als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zu Recht die für 1973 bis 1977 gezahlten Zinsen nicht als Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG angesehen, sondern als Zuwendungen, die gemäß § 12 Nr. 2 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht abgezogen werden dürfen. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß durch den notariellen Vertrag vom 24. November 1972 keine Schenkung mit einem daran anschließenden Darlehnsverhältnis begründet wurde, sondern ein Schenkungsversprechen.

1. Der als "Schenkung" bezeichnete Teil des Vertrages kann nicht als Schenkung i. S. des § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) angesehen werden, die durch Übergabe des Schecks an den Ergänzungspfleger der minderjährigen Töchter erfüllt worden wäre. Voraussetzung einer Schenkung ist nach dieser Vorschrift, daß jemand einen anderen durch eine Zuwendung aus seinem Vermögen bereichert. Dies setzt eine "Vermögensverschiebung" in der Weise voraus, daß sich ein Rechtssubjekt zum Vorteil eines anderen eines Vermögensbestandteils tatsächlich und rechtlich entäußert (Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 516 Rdnr. 3; siehe auch Soergel/Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., § 516 Rdnr. 2). Dieser vermögensrechtliche Charakter der Schenkung erfordert es, daß sie auf seiten des Empfängers eine endgültige und materielle, nicht nur vorübergehende oder formale Vermögensmehrung zum Gegenstand hat (Soergel/Siebert, a.a.O., § 516 Rdnr. 27 im Anschluß an Knobbe-Keuk, in Festschrift für Werner Flume, Bd. II, Köln 1978 S. 149 ff., die S. 155 bis 157, 160 darauf abstellt, daß der Erwerb des Empfängers der Zuwendung ein endgültiger sein muß). Davon kann nicht die Rede sein, wenn - wie im Streitfall - der Vater seinen Kindern mit der einen Hand gibt, was er ihnen mit der anderen sogleich wieder nimmt.

Dies wird im Streitfall durch die Art und Weise des tatsächlichen Vollzugs des notariellen Vertrags deutlich unterstrichen: Wenn dem Ergänzungspfleger am 7. Februar 1973 der vereinbarte Betrag gutgeschrieben wurde und er diesen bereits am 9. Februar 1973 dem Kläger wieder überwies, so wurden nur Geldbeträge hin- und hergeschoben, ohne daß eine materielle Vermögensverschiebung i. S. des § 516 Abs. 1 BGB eintrat (vgl. Knobbe-Keuk, a.a.O., S. 168 bis 172). Die Kinder waren zu keiner Zeit frei in der Verfügung über die "geschenkten" Geldbeträge, da der Schenkungsvertrag und der Darlehensvertrag am selben Tag und in derselben Urkunde geschlossen wurden.

2. Erst die Verpflichtung des Klägers aus dem Darlehensvertrag, den der Kläger mit seinen Töchtern schloß, kann seinem zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt nach als Schenkungsversprechen i. S. des § 518 Abs. 1 BGB angesehen werden (s. Knobbe-Keuk, a.a.O., S. 171/172; vgl. auch Pawlowski, Betriebs-Berater - BB - 1977, 254 f.). Dieses Schenkungsversprechen ist gemäß § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingt durch die Kündigung der "Darlehen" durch die Töchter. Eine andere Auffassung vertritt für den Fall, daß die Darlehens- und Schenkungsverträge in getrennten Urkunden abgeschlossen wurden, das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) im Beschluß vom 12. Februar 1974 BReg. I Z 104/73 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1974, 1142); da der Schenkungs- und Darlehensvertrag hier in einer Urkunde abgeschlossen wurde, läßt der Senat es offen, ob er der Ansicht des BayObLG, es handle sich um eine Schenkung unter Auflage, folgen könnte. Daß dieser Vertragsteil Regelungen unterstellt war, die für das Darlehen (§§ 607 ff. BGB) typisch sind, berührt die Würdigung als Schenkungsversprechen nicht (s. Pawlowski, BB 1977, 255 nach Anm. 20).

Aus dieser Wertung ergibt sich die vom FG gezogene Folgerung, daß die den Töchtern versprochenen, jährlich zu zahlenden "Zinsen" nicht Entgelt für ein dem Vater zur Nutzung überlassenes Darlehen sind, sondern zusätzliche Schenkungen, genauer: befristete Schenkungsversprechen, bei denen es an einer betrieblichen Veranlassung fehlt. Die den Töchtern 1973 und 1974 zunächst gutgeschriebenen und ab 1976 jährlich ausbezahlten Zinsen stellen vielmehr Zuwendungen i. S. des § 12 EStG dar. Diese sind in den Veranlagungszeiträumen 1973 und 1974 nicht abziehbar, weil sie auf einer besonderen Vereinbarung beruhen, die zwischen dem Vater (Steuerpflichtigen) und seinen gesetzlich unterhaltsberechtigten Töchtern geschlossen wurde (§ 12 Nr. 2 EStG in der für 1973 und 1974 gültigen Fassung), in den Veranlagungszeiträumen 1975 bis 1977 schon deshalb nicht, weil sie aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht geleistet wurden (§ 12 Nr. 2 EStG in der ab 1975 gültigen Fassung).

3. Mit seiner Entscheidung setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zum Urteil des IV. Senats vom 1. Juni 1978 IV R 109/74 (BFHE 125, 254, BStBl II 1978, 618). Dort wird zwar die Auffassung vertreten, daß Rechtsverhältnisse der vorliegenden Art primär den Vorschriften über das Darlehen (§§ 607 ff. BGB) und erst in zweiter Linie den Schenkungsvorschriften zu unterwerfen seien (BFHE 125, 258, BStBl II 1978, 620). Jedoch sind die Ausführungen zu diesem Punkt nicht entscheidungserheblich, weil der IV. Senat zu dem Ergebnis gelangt, daß die vom Vater gezahlten "Zinsen" einkommensteuerrechtlich als laufende "Unterhaltsbeiträge" zu werten seien, die dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG unterlägen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75073

BStBl II 1984, 705

BFHE 1985, 308

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