Leitsatz (amtlich)

Wird ein Wirtschaftsgut aus einem Gewerbebetrieb in ein land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen überführt, ist eine Entnahme jedenfalls dann zu verneinen, wenn die einkommensteuerliche Erfassung der stillen Reserven gewährleistet ist und eine Gewerbesteuer wegen der Einstellung des Gewerbebetriebs nicht mehr anfallen kann.

 

Orientierungssatz

1. Eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG liegt nur dann vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Gewerbebetriebs im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebseinstellung veräußert oder in das Privatvermögen überführt werden (vgl. BFH-Urteil vom 23.6.1977 IV R 81/73).

2. Für die Annahme eines landwirtschaftlichen Betriebs sind eine Mindestgröße der landwirtschaftlich genutzten Fläche sowie ein Mindestbesatz an Inventar nicht erforderlich. Hier: Verwertung von Schnittgrün aus einem 2 229 qm großen Grundstück als landwirtschaftlicher Betrieb.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1 S. 2, § 16 Abs. 3; GewStG § 7; EStG § 13

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in gemieteten Räumen ein Blumeneinzelhandelsgeschäft mit Kranzbinderei. Das Geschäft wurde 1969 eingestellt.

Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, daß folgende zum Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs des Klägers gehörigen Grundstücksteile im Zuge einer Betriebsaufgabe in das Privatvermögen überführt worden seien:

Grundstücksteil A-Straße; Aufgabegewinn hieraus 64 370 DM,

Grundstücksteil B-Straße; Aufgabegewinn hieraus 44 038 DM.

Dementsprechend erließ das FA den endgültigen Einkommensteuerbescheid für 1969. Mit der Sprungklage machte der Kläger geltend: Für den Grundstücksteil A-Straße dürfe kein Aufgabegewinn angesetzt werden. Dieser Grundstücksteil sei für die Einheitsbewertung als gärtnerisch genutztes Grundstück angesehen und nach der Aufgabe des Blumeneinzelhandels zur Gewinnung von Schnittgrün in geringem Umfang genutzt worden. Insoweit liege ein Strukturwandel vom Gewerbebetrieb zum landwirtschaftlichen Betrieb ohne Zwang zur Gewinnrealisierung vor. Hiervon abgesehen sei auch der Wertansatz durch das FA zu hoch.

Für den Grundstücksteil B-Straße sei vom FA ein zu hoher Wert bei der Ermittlung des Aufgabegewinns angesetzt worden.

Die Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) führte aus:

Für den Grundstücksteil A-Straße sei kein Gewinn anzusetzen, weil keine Entnahme vorliege. Eine Entnahme sei zu verneinen, wenn ein Wirtschaftsgut aus einem Betrieb des Steuerpflichtigen in einen anderen ihm gehörenden Betrieb übergehe und dabei die steuerliche Erfassung der stillen Reserven gewährleistet sei. Der Grundstücksteil sei bei der Aufgabe des Gewerbebetriebs in einen neu entstandenen landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers eingegangen. Ein solcher Betrieb sei die vom Kläger nach Beendigung seiner gewerblichen Tätigkeit vorgenommene Verwertung von Schnittgrün. Zur Annahme eines landwirtschaftlichen Betriebs sei kein selbständig lebensfähiger Betrieb erforderlich; es reiche aus, daß Einkünfte erzielt werden könnten. Im Streitfall sei es auch möglich, die stillen Reserven für eine Besteuerung bei einem späteren gewinnrealisierenden Vorgang festzuhalten. Für den Grundstücksteil B-Straße sei ein niedrigerer Aufgabegewinn anzusetzen.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 4 Abs.1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und macht geltend: Entgegen der Meinung des FG lasse sich eine Entnahme nicht mit der Begründung verneinen, die steuerliche Erfassung von stillen Reserven sei sichergestellt. Im Streitfall sei der Grundstücksteil A-Straße von einem gewerblichen Betrieb in einen landwirtschaftlichen Betrieb überführt worden, bei dem nach § 4 Abs.1 Satz 5 EStG 1969 der Wert des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens außer Ansatz bleibe. Die Grundsätze des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7.Oktober 1974 GrS 1/73 (BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168) seien nicht anwendbar, weil es sich nicht um einen Fall des Strukturwandels handele, sondern um eine Betriebsaufgabe mit der Herauslösung eines Grundstücks. Hiervon abgesehen sei zweifelhaft, ob im Streitfall ein landwirtschaftlicher Betrieb entstanden sei. Dagegen sprächen eine Grundstücksgröße von nur 2 229 qm und jährliche Einkünfte von weniger als 800 DM.

Das FA beantragt, unter --teilweiser-- Aufhebung der Vorentscheidung, die Einkommensteuer für 1969 auf ... DM festzusetzen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs.2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Er vertritt die Auffassung, die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem im übrigen weitergeführten gewerblichen Betrieb in einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft sei eine Entnahme, da der land- und forstwirtschaftliche Betrieb nicht der Gewerbesteuer unterliege und insoweit die gewerbesteuerliche Erfassung der in dem Wirtschaftsgut vorhandenen stillen Reserven nicht mehr möglich sei. Auf diesen Fall beziehe sich Abschnitt 13 a Abs.1 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR). Werde dagegen --wie im Streitfall-- mit der Überführung des Grundstücks in den landwirtschaftlichen Betrieb der gewerbliche Betrieb eingestellt, liege keine Entnahme vor, weil die Einstellung des Gewerbebetriebs keine Gewerbesteuerpflicht auslöse.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ergebnis begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

1. Das FG hat zutreffend einen Entnahmegewinn für den Grundstücksteil A-Straße verneint.

a) Nach dem Beschluß in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168 ist der Strukturwandel eines Betriebs vom Gewerbebetrieb zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb keine Entnahme im Sinne des § 4 Abs.1 Satz 2 EStG des dem Betrieb dienenden Grund und Bodens. Ebensowenig liegt nach der in diesem Beschluß angeführten ständigen Rechtsprechung des BFH eine Entnahme vor, wenn ein Wirtschaftsgut innerhalb des betrieblichen Bereichs eines Steuerpflichtigen von einem Betrieb oder Betriebsteil in einen anderen übergeht und dabei eine spätere steuerliche Erfassung der im Buchansatz für dieses Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven gewährleistet ist.

b) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall eine Entnahme zu verneinen, weil der Grundstücksteil A-Straße im betrieblichen Bereich des Klägers verblieb und die spätere steuerliche Erfassung der stillen Reserven gewährleistet ist. Dabei kann offenbleiben, ob ein Fall des Strukturwandels vom gewerblichen zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder eine Einstellung des Gewerbebetriebs mit anschließender Neugründung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs vorliegt.

aa) Mit dem FG ist davon auszugehen, daß der Kläger nach Veräußerung der Wirtschaftsgüter seines Blumeneinzelhandels ein landwirtschaftliches Unternehmen betrieb. Die Auffassung des FG, daß für die Annahme eines landwirtschaftlichen Betriebs eine Mindestgröße der landwirtschaftlich genutzten Fläche sowie ein Mindestbesatz an Inventar nicht erforderlich sind, ist zutreffend. Soweit die Finanzverwaltung für den Regelfall von einer Mindestgröße ausgeht, handelt es sich um eine Faustregel, die nicht für intensiv genutzte Flächen gilt (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdz.31). Das FG konnte die Verwertung von Schnittgrün aus dem umstrittenen Grundstücksteil als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 EStG ansehen, auch wenn daraus nur geringe Einkünfte erzielt wurden. Die unsubstantiierten Zweifel des FA am Vorliegen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs führen zu keiner anderen Beurteilung.

bb) Im Streitfall entfällt eine Entnahme, gleichviel, ob der land- und forstwirtschaftliche Betrieb durch Strukturwandel aus dem vorher bestehenden Gewerbebetrieb entstanden ist oder ob er nach der Beendigung des Gewerbebetriebs neu gegründet worden ist. Eine Entnahme ist nach beiden Alternativen zu verneinen.

Die steuerliche Erfassung der im Gewerbebetrieb gebildeten stillen Reserven hinsichtlich der Einkommensteuer ist gewährleistet, eine gewerbesteuerliche Erfassung der stillen Reserven scheidet im Streitfall deshalb aus, weil hinsichtlich des Blumenhandels eine Beendigung der gewerblichen Tätigkeit vorliegt und eine solche Beendigung niemals zu einer gewerbesteuerlichen Erfassung der dabei aufgedeckten stillen Reserven führt (vgl. Abschn.22 der Gewerbesteuer-Richtlinien --GewStR--).

Unter diesen Umständen kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob der Beschluß des Großen Senats in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168 allgemein dahin zu verstehen ist, daß entgegen der in Abschn.13 a Abs.1 Satz 4 EStR vertretenen, auf das BFH-Urteil vom 16.März 1967 IV 72/65 (BFHE 88, 129, BStBl III 1967, 318) gestützten Meinung bei der Beantwortung der Frage nach der Sicherstellung der steuerlichen Erfassung stiller Reserven die Gewerbesteuer nicht berücksichtigt werden darf.

2. Gleichwohl ist die Vorentscheidung aufzuheben. Das FG ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen, daß die anläßlich der Einstellung des Blumeneinzelhandels unstreitig noch aufzudeckenden stillen Reserven in Höhe von 46 803 DM einen Betriebsaufgabegewinn (§ 16 Abs.3 EStG) darstellen, der um den Freibetrag von 20 000 DM (§ 16 Abs.4 EStG) zu kürzen und im übrigen gemäß § 34 Abs.1 und 2 Nr.1 EStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern ist. Das FG hat unberücksichtigt gelassen, daß ein Wirtschaftsgut des Blumeneinzelhandels --nämlich der Grundstücksteil A-Straße-- in ein land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen überführt wurde (oben 1., b, aa). Eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs.3 EStG könnte indessen nur angenommen werden, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Blumeneinzelhandels im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebseinstellung veräußert oder in das Privatvermögen überführt worden wären (BFH-Urteil vom 23.Juni 1977 IV R 81/73, BFHE 122, 505, 507, BStBl II 1977, 721).

Das FG wird zu prüfen haben, ob der Grundstücksteil A-Straße eine wesentliche Betriebsgrundlage des Blumeneinzelhandels war (dazu BFH-Urteil vom 19.Januar 1983 I R 57/79, BFHE 137, 487, BStBl II 1983, 312). Soweit es dabei auf die Frage ankommt, ob in dem Grundstücksteil erhebliche stille Reserven ruhten, wird das FG nicht ungeprüft die Auffassung der Betriebsprüfung übernehmen können, daß die stillen Reserven 64 370 DM betrugen; der Kläger hat in der Klageschrift den für den Grundstücksteil zugrunde gelegten Quadratmeterpreis von 60 DM als überhöht bezeichnet. Sollte das FG den gewöhnlichen Steuersatz für anwendbar halten, wird es wegen des Verböserungsverbots nicht die vom FA im Revisionsverfahren begehrte Steuerfestsetzung überschreiten dürfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61339

BStBl II 1987, 342

BFHE 148, 524

BFHE 1987, 524

BB 1987, 661

BB 1987, 661-661 (ST)

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