Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer Sonstiges Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Wird das gesamte Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH) auf eine neu gegründete Personengesellschaft (z. B. KG), der dieselben Personen als Gesellschafter angehören, übertragen und die Kapitalgesellschaft durch Beschluß der Gesellschafter aufgelöst, so ist nur ein Umsatz seitens der Kapitalgesellschaft an die Personengesellschaft, und zwar eine Geschäftsveräußerung im ganzen nach § 85 UStDB, anzunehmen, wenn die unmittelbare Vermögensübertragung ohne Zwischenschaltung der Gesellschafter dem Willen der Gesellschafter entspricht.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1; UStDB § 2 Abs. 3; UStG § 3/2; UStDB § 10; UStG § 10/1; UStDB § 85; UStG § 10/4; GmbHG § 65

 

Tatbestand

Die beiden Gesellschafter der Bgin., die Eheleute B (Stammeinlage des Ehemannes 14.000 DM, Stammeinlage der Ehefrau 7.000 DM), beschlossen durch Vertrag vom 30. Dezember 1955 die Gründung einer KG, die unter gleichzeitiger Auflösung der Bgin. (im folgenden: GmbH) deren Betrieb mit Wirkung vom 1. Januar 1956 übernehmen und weiterführen sollte, wobei die Eheleute B sich verpflichteten, die Aktiven und Passiven der GmbH, so wie sie sich aus den Büchern und Bilanzen der GmbH per 31. Dezember 1955 ergaben, in die KG einzubringen. Am 15. Februar 1956 hielten die Eheleute B in Gegenwart eines Notars eine Gesellschafterversammlung ab, in der sie feststellten, daß der Geschäftsbetrieb der GmbH am 1. Januar 1956 auf die KG überführt worden sei, und den Beschluß faßten, die GmbH aufzulösen und deren bisherigen Geschäftsführer, den Ehemann B, zum Liquidator zu bestellen. Entsprechend diesen Beschlüssen wurden die Aktiv- und Passivposten der GmbH per 31. Dezember 1955 in die Eröffnungsbilanz der KG per 1. Januar 1956 übernommen. Eine besondere Liquidationsbilanz der GmbH wurde nicht erstellt; eine Liquidation der GmbH fand nicht statt.

Streitig ist,

ob diese Vorgänge zwei Umsätze ausgelöst haben, nämlich

eine entgeltliche Lieferung von Gegenständen des Betriebsvermögens der GmbH an deren Gesellschafter (die Eheleute B) gegen Verzicht auf Gesellschaftsrechte und

eine entgeltliche Lieferung von Gegenständen der Gesellschafter (Eheleute B) an die KG gegen Erwerb von Gesellschaftsrechten,

oder

ob nur ein Umsatz bewirkt worden ist, nämlich die Veräußerung des Geschäfts der GmbH im ganzen unmittelbar an die KG ohne Zwischenschaltung der Gesellschafter.

Das Finanzamt hat den ersten Fall für gegeben erachtet und die GmbH wegen der Veräußerung ihres Betriebsvermögens zu Bruchteilen an zwei Personen (nicht im ganzen an nur eine Person) mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer herangezogen. GmbH und Finanzgericht vertreten demgegenüber den Standpunkt, daß der zweite Fall vorliege. Das Finanzgericht hat daher eine Geschäftsveräußerung im ganzen seitens der GmbH an die KG gemäß § 85 Abs. 1 UStDB angenommen und auf diesen Umsatz den ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. (ß 85 Abs. 4 UStDB) angewendet.

Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat keinen Erfolg.

Zutreffend gehen die Parteien und das Finanzgericht übereinstimmend davon aus, daß das damals noch geltende Umwandlungsgesetz (UmwG) vom 5. Juli 1934 (RGBl I S. 569) und seine Durchführungsverordnungen, die u. a. einen unmittelbaren Vermögensübergang von der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft unter Ausschluß der Liquidation nach dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge und die Nichterhebung der Umsatzsteuer auf diesen Vorgang (ß 5 der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über Steuererleichterungen bei der Umwandlung und Auflösung von Kapitalgesellschaften vom 7. Juli 1934, RGBl I S. 595) vorsahen, auf den Streitfall nicht angewendet werden können, weil die für die Umwandlung vorgeschriebenen Formen nicht eingehalten worden sind.

Das Finanzgericht ist jedoch der Auffassung, daß der im Streitfalle gewählte Weg, zunächst die KG zu gründen und 1 1/2 Monate später die GmbH aufzulösen und für sie einen Liquidator zu bestellen, der formell die Auflösung einer Kapitalgesellschaft und die Neugründung einer Personengesellschaft bedeutete, dem wirklichen Willen der Gesellschafter und dem tatsächlichen Ablauf der Dinge nicht entsprochen habe. Es sei nicht die Absicht der Gesellschafter gewesen, unter Auflösung der GmbH deren Betriebsvermögen unter sich zu verteilen, um es anschließend in die KG einzubringen; die Gesellschafter hätten vielmehr die Aktivposten des Betriebsvermögens der GmbH mit Ablauf des Jahres 1955 durch einen einzigen Akt unmittelbar auf die kurz zuvor gegründete KG übertragen wollen und diesen Willen verwirklicht. Dies beweise der Wortlaut der o. a. Beschlüsse (übernahme und Weiterführung des Betriebs der GmbH durch die KG ab 1. Januar 1956; Einbringung der Aktiven und Passiven der GmbH in die KG gemäß den Büchern und Bilanzen der GmbH per 31. Dezember 1955) und ihre tatsächliche Durchführung (übereinstimmung der letzten Bilanz der GmbH und der Eröffnungsbilanz der KG; Weiterführung des Geschäftsbetriebs der GmbH durch die KG schon ab 1. Januar 1956; Einstellung der geschäftlichen Tätigkeit der GmbH ab diesem Zeitpunkt; keine Ausstellung einer Liquidationsbilanz und keine Durchführung einer Liquidation bei der GmbH gemäß § 71 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - trotz formeller Bestellung eines Liquidators).

Die Feststellungen des Finanzgerichts über das, was die Gesellschafter der GmbH gewollt haben, liegen auf tatsächlichem Gebiet. Das Ergebnis, die Gesellschafter hätten das Gesellschaftsvermögen der GmbH durch einen Rechtsakt unmittelbar auf die KG übertragen wollen, widerspricht weder dem Inhalt der Akten noch den Denkgesetzen. Das Finanzgericht konnte auf Grund der Gesellschafterbeschlüsse und ihrer Durchführung zu diesem Ergebnis kommen. Der Senat ist wegen der beschränkten Natur der Rb. daran gebunden. Es bleibt nur zu prüfen, ob eine solche unmittelbare übertragung des Gesellschaftsvermögens einer GmbH auf eine KG umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden kann.

Der Senat hat in dem Falle der übertragung des gesamten Betriebsvermögens einer Personengesellschaft an eine Kapitalgesellschaft seinen früheren Standpunkt, daß zwei Umsätze anzunehmen seien, nämlich die Veräußerung der Gegenstände des Betriebsvermögens von der Personengesellschaft an die Gesellschafter gegen Verzicht auf die Gesellschaftsrechte an der Personengesellschaft und eine weitere Veräußerung dieser Gegenstände von den Gesellschaftern an die Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an der Kapitalgesellschaft, aufgegeben und sich der schon früher im Schrifttum (vgl. insbesondere Hueck-Boettcher, Die Umwandlung von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1953 Spalte 315; Leibrecht, Umsatzsteuer bei der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, StuW 1956 Spalte 7; Rupp, noch einmal: Umsatzsteuer bei der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, StuW 1956 Spalte 517) vertretenen Auffassung angeschlossen, daß sich der übergang des Gesellschaftsvermögens von der Personengesellschaft auf die Kapitalgesellschaft auch unmittelbar vollziehen könne und eine Zwischenschaltung der einzelnen Gesellschafter oft gerade nicht dem wirklichen Willen der Vertragschließenden entspreche (Urteil V 140/53 S vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 271, Slg. Bd. 66 S. 708). Der Senat hält an dieser Auffassung, die einer natürlichen und wirtschaftlichen Betrachtung gegenüber einer wohl möglichen, aber nicht zwingenden formalrechtlichen Konstruktion den Vorzug gibt, fest. Er meint, daß diese Betrachtung auch für den umgekehrten Fall der übertragung des Betriebsvermögens einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft gelten muß, um so mehr, als der Gesetzgeber jahrzehntelang gerade die Umwandlung der Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften erleichtert und (z. B. durch Steuerbefreiungen) gefördert hat. Es wäre ein unbefriedigendes Ergebnis, wollte der Bundesfinanzhof bei der wirtschaftspolitisch unerwünschten Umwandlung kleiner Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften nur einen Umsatz, bei der gesetzlich geförderten Umwandlung kleiner Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften unter Rückkehr zur formalrechtlichen Konstruktionen dagegen zwei Umsätze annehmen.

Ein zwingender Anlaß hierzu liegt im Streitfall nicht vor. Das Finanzgericht hat folgendes festgestellt: Die Eheleute B haben zum 1. Januar 1956 eine KG ins Leben gerufen. Nach dem Willen ihrer beiden Gesellschafter, der Eheleute B, hat die GmbH mit Ablauf des Jahres 1955 ihr gesamtes Betriebsvermögen auf die KG übertragen. Dadurch ist die GmbH vermögenslos und infolge des 1 1/2 Monate später (am 15. Februar 1956) ergangenen Auflösungsbeschlusses der Gesellschafter beendet worden (vgl. auch Gesetz über Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934, RGBl I S. 914). Die nach §§ 65 f. GmbHG zwingend vorgeschriebene Abwicklung hat tatsächlich nicht stattgefunden; mindestens hat sie sich infolge der übernahme der Aktiven und Passiven von der GmbH auf die KG, die die Stellung der Gläubiger nicht schwächte, sondern stärkte, praktisch nicht ausgewirkt.

Abgesehen davon, daß es - wie oben ausgeführt - nicht dem Willen der Gesellschafter entsprach, für sich persönlich das Betriebsvermögen der GmbH zu übernehmen, war ein solches Betriebsvermögen im Zeitpunkt der Auflösung der GmbH gar nicht mehr vorhanden. Selbst wenn man zivilrechtlich annehmen wollte, daß für einen Augenblick das Betriebsvermögen der GmbH zu Bruchteilen auf ihre beiden Gesellschafter übergegangen ist, um sich im nächsten Augenblick in Gesamthandseigentum im Rahmen der KG zu verwandeln, so könnte einem solchen formalrechtlichen Vorgang für das Umsatzsteuerrecht, in dem die wirtschaftliche Betrachtung den Vorrang hat, keine Bedeutung beigemessen werden.

Umsatzsteuerrechtlich liegt eine Lieferung der Gegenstände des Betriebsvermögens von der GmbH an die KG vor, und zwar eine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 85 UStDB, weil das Unternehmen der GmbH im ganzen an ein steuerliches Rechtssubjekt, die KG, übereignet worden ist. Die Gegenleistung (das Entgelt) besteht darin, daß die früheren Gesellschafter der GmbH und jetzigen Gesellschafter der KG durch die von ihnen getroffenen Maßnahmen auf ihre Geschäftsanteile an der GmbH verzichtet haben. Entgelt ist auch, was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung oder sonstige Leistung gewährt (ß 10 Satz 2 UStDB).

Die Einwendungen des Finanzamts in der Rechtsbeschwerdebegründung greifen nicht durch. Ein Reihengeschäft nach § 2 Abs. 3 UStDB "GmbH an Gesellschafter und Gesellschafter an KG" kann schon deswegen nicht angenommen werden, weil die Gesellschafter nicht als Unternehmer aufgetreten sind und - wie oben dargelegt - die Betriebsvermögensgegenstände der GmbH nicht "abnehmen" wollten. Die Annahme eines unmittelbaren überganges des Gesellschaftsvermögens der GmbH auf die KG kann auch nicht deswegen verneint werden, weil das Vermögen einer Kapitalgesellschaft dieser unmittelbar gehört (im Gegensatz zum Vermögen einer Personengesellschaft, das den Gesellschaftern zur gesamten Hand zusteht). Die Eigentumsverhältnisse bei juristischen Personen und Personengesellschaften weisen nach außen hin keine so erheblichen Wesensunterschiede auf (vgl. hierzu Hueck a. a. O. Spalten 318 und 319), daß im Streitfalle gegenüber dem Falle der übertragung des Gesellschaftsvermögens einer KG an eine GmbH eine andere umsatzsteuerrechtliche Beurteilung geboten wäre. Umsatzsteuerrechtlich sind die Personengesellschaften Rechtssubjekte ebenso wie die juristischen Personen.

Der Festsetzung der Einlage der Ehefrau B als Kommanditistin in die KG (10.000 DM) im Gesellschaftsvertrag vom 30. Dezember 1955 hat das Finanzgericht für seine Entscheidung zu Recht keine Bedeutung beigemessen, weil durch sie nach der glaubhaften Darstellung der Bgin. nicht das bisher bei der GmbH bestehende Beteiligungsverhältnis der Eheleute B geändert, sondern lediglich gemäß §§ 171, 172 HGB die Haftungssumme (Haftungseinlage im Gegensatz zur Pflichteinlage) der Kommanditistin angegeben werden sollte.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411298

BStBl III 1964, 464

BFHE 1964, 633

BFHE 79, 633

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