Leitsatz (amtlich)

Fordert das FA den Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung auf, dann kann der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 6 EStG gestellt werden, solange die Prüfung und Bearbeitung des Steuerfalls noch nicht abgeschlossen ist.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 6

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Antrag auf Veranlagung zur Berücksichtigung eines Verlustes aus Vermietung und Verpachtung rechtzeitig gestellt wurde.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) war für 1962 bis 1964 mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und mit Verlusten aus Vermietung und Verpachtung wegen Inanspruchnahme erhöhter AfA nach § 7b EStG zur Einkommensteuer veranlagt worden. Für das Streitjahr 1965 hatte ihn der Beklagte und Revisionskläger (FA) zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung aufgefordert. Nachdem die Frist zur Abgabe dieser Erklärung mehrmals - zuletzt bis zum 31. Juli 1967 - verlängert worden war, reichte der Steuerpflichtige die Erklärung am 5. September 1967 ein. Das FA lehnte eine Veranlagung mit der Begründung ab, die Frist für den Antrag auf Veranlagung sei schuldhaft versäumt worden.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt und führte dazu im wesentlichen aus: Der nach § 46 Abs. 2 Nr. 6b EStG, § 71 Abs. 2 EStDV bis zum Ablauf der - unter Umständen verlängerten - Steuererklärungsfrist zu stellende Antrag auf Veranlagung sei weder an eine besondere Form noch an einen bestimmten Wortlaut gebunden. Deshalb sei ein wirksamer Antrag für den Zeitpunkt anzunehmen, in dem der Steuerpflichtige mit hinreichender Klarheit sein Begehren auf Veranlagung zum Ausdruck gebracht habe. Dies sei hier durch die mehrmaligen Fristverlängerungsanträge geschehen, zumal das FA nach den voraufgegangenen Veranlagungen mit einem solchen Antrag habe rechnen können. Der Antrag des Steuerpflichtigen könne auch nicht als verwirkt angesehen werden. Dafür sei die Zeitspanne zwischen dem Ablauf der Frist und der Abgabe der Erklärung zu kurz. Das FA sei deshalb verpflichtet, die begehrte Veranlagung durchzuführen.

Mit der Revision rügt das FA, die Vorentscheidung verstoße gegen §§ 56 Abs. 1, 60 Abs. 1 und 71 Abs. 2 EStDV. Ein bloßer Fristverlängerungsantrag enthalte noch keinen Antrag auf Veranlagung. Dieser könne vielmehr nur in einer auf amtlichem Vordruck abzugebenden Einkommensteuererklärung gesehen werden. Hiervon abgesehen sei im Streitfall auch die in § 71 Abs. 2 EStDV bestimmte Ausschlußfrist nicht eingehalten worden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Mit Recht hat das FG das FA dazu verpflichtet, für den Steuerpflichtigen eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchzuführen.

Nach § 46 Abs. 2 Nr. 6b EStG 1965 ist für die Veranlagung zur Berücksichtigung von Verlusten aus einer anderen Einkunftsart als derjenigen aus nichtselbständiger Arbeit ein Antrag erforderlich. Ob im Streitfall ein solcher Antrag bereits in den Fristverlängerungsanträgen für die Abgabe der Steuererklärung enthalten war, kann dahingestellt bleiben. Der Antrag auf Veranlagung braucht nicht ausdrücklich gestellt zu werden; es genügt, daß in der Steuererklärung oder in Rechtsbehelfsanträgen das Begehren des Steuerpflichtigen auf Berücksichtigung von Verlusten zum Ausdruck kommt (vgl. BFH-Urteil IV 337/61 vom 19. Dezember 1962, HFR 1963, 248). Das ist hier der Fall. Die Steuererklärung des Steuerpflichtigen läßt erkennen, daß er eine Veranlagung zur Berücksichtigung des auf erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG beruhenden Verlustes aus Vermietung und Verpachtung anstrebt.

Der Durchführung einer Veranlagung steht auch nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige seine Steuererklärung erst nach Ablauf der Steuererklärungsfrist abgegeben hat. Zwar kann nach § 71 Abs. 2 EStDV 1965 in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nr. 6 EStG 1965 der Antrag auf Veranlagung nur bis zum Ablauf der Steuererklärungsfrist gestellt werden. Aber unabhängig von der Frage, die damit offenbleiben kann, ob § 71 Abs. 2 EStDV 1965 rechtsgültig ist - wegen der Bedenken hiergegen vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Oktober 1970, EFG 1971, 139 - gilt die dort vorgesehene Fristbestimmung nicht, wenn das FA eine Einkommensteuersache von sich aus aufgreift. Wie im BFH-Urteil VI 169/60 U vom 13. Januar 1961 (BFH 72, 345, BStBl III 1961, 129) ausgeführt wurde, kann in diesen Fällen der Antrag auf Veranlagung gestellt werden, solange die Prüfung und Bearbeitung noch nicht abgeschlossen ist. Dabei ist der erkennende Senat der Auffassung, daß ein Aufgreifen des Steuerfalls schon darin zu sehen ist, daß das FA den Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert. Soweit aus dem BFH-Urteil IV 331/62 vom 29. Mai 1963 (HFR 1963, 364, StRK, Einkommensteuergesetz ab 1958, § 46 Abs. 2 Nr. 5, Rechtsspruch 3) etwas anderes entnommen werden könnte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es mag Fälle geben, in denen das bloße Zusenden eines Formblattes zur Einkommensteuererklärung noch nicht als Aufgreifen des Steuerfalles angesehen werden kann, z. B. dann, wenn das FA damit lediglich einem Verlangen des Steuerpflichtigen nachkommt. Wird aber das Zusenden mit der Aufforderung verbunden, eine Steuererklärung abzugeben, dann gibt das FA damit zu erkennen, daß es den konkreten Steuerfall prüfen und entscheiden will. Denn es kann nicht angenommen werden, daß das FA im Einzelfall einen Steuerpflichtigen grundlos und in der Absicht, nicht weiter tätig zu werden, zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist der in der Steuererklärung zum Ausdruck gekommene Antrag des Steuerpflichtigen auf Veranlagung noch rechtzeitig gestellt worden, weil das FA von sich aus den Steuerfall durch Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung für 1965 aufgegriffen und bei Eingang der Steuererklärung noch nicht abschließend bearbeitet hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413241

BStBl II 1972, 672

BFHE 1972, 67

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