Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachverständigengutachten und freie Beweiswürdigung

 

Leitsatz (NV)

Zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung bei zwei voneinander abweichenden Sachverständigengutachten über den Teilwert aufstehenden Holzes.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1, § 118 Abs. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) veräußerte aufgrund des notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 7. Juli 1973 seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb für . . . DM, dessen Übergabe am 1. November 1973 erfolgte. Der Betrieb war 235 ha groß; davon entfielen 56,49 ha auf forstwirtschaftlich genutzte Flächen einschließlich 13,8 ha Blößen (fünf Waldgebiete). Nach § 8 des Kaufvertrages sollten von dem Gesamtkaufpreis auf die landwirtschaftlichen Flächen . . . DM, auf Gebäude und Anlagen . . . DM und auf den Aufwuchs des Waldes 125 000 DM entfallen.

Aufgrund einer Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Ermittlung des aus der Betriebsveräußerung entstandenen Gewinns fest, daß die im Kaufvertrag vereinbarte Aufteilung des Kaufpreises nicht dem Teilwert der einzelnen Wirtschaftsgüter entsprach. Die Teilwerte betragen unstreitig: Grund und Boden . . . DM; landwirtschaftliche Gebäude . . . DM; landwirtschaftliche Betriebsvorrichtungen . . . DM; Eigenjagdrecht . . . DM. Streitig ist nur der Wert des aufstehenden Holzes. Das FA ermittelte diesen mit Hilfe der Forstabteilung der Oberfinanzdirektion (OFD), die wiederum bei der Aufnahme der Bestände den zuständigen Revierförster hinzuzog, zuletzt auf 290 818 DM. In seiner verbösernden Einspruchsentscheidung teilte das FA den Verkaufspreis für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Verhältnis der Teilwerte auf die einzelnen Wirtschaftsgüter auf, wobei auf den Waldaufwuchs 12,95 %, auf den Grund und Boden 74,45 %, auf das Gebäude 7,49 %, auf Betriebsvorrichtungen 0,78 % und auf das Eigenjagdrecht 3,33 % entfielen. Da der Ausgangswert gemäß § 55 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen höher war als der anteilig erzielte Kaufpreis, ergab sich insoweit ein Veräußerungsverlust, der gemäß § 55 Abs. 6 EStG außer Ansatz blieb. Für die Veräußerung der übrigen Wirtschaftsgüter errechnete das FA einen Veräußerungsgewinn von 318 350 DM, für den es Tarifvergünstigungen nach §§ 14, 16 und 34 Abs. 2 EStG gewährte und den es der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr zugrunde legte. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1973 blieb erfolglos.

Mit seiner Klage wendete sich der Kläger gegen die Höhe des Teilwerts für das aufstehende Holz. Unter Bezugnahme auf verschiedene Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen Dr. L trug er vor, der Verkaufspreis für das Holz sei in dem Gebiet, in dem der veräußerte Betrieb liege, erheblich niedriger gewesen, als vom FA angenommen. Die Wertangaben schwankten zwischen 116 500 DM und 171 500 DM.

Das Finanzgericht (FG) hat über die Frage des Teilwerts für das aufstehende Holz zum 1. November 1973 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des vereidigten Sachverständigen Dr. N, der die Höhe des Teilwerts mit 288 087 DM ermittelte. Der Kläger wandte hiergegen ein, N habe nicht genügend berücksichtigt, daß das Holz überwiegend erst nach 40 Jahren verwendet werden könne. Der vom Gutachter ermittelte Teilwert müsse deshalb um etwa 60 % abgezinst werden, so daß sich ein Teilwert von 2 100 bis 2 500 DM / ha für den Aufwuchs ergebe.

Dem Gutachten N im wesentlichen folgend ging das FG von einem Teilwert von 288 087 DM für das Holz aus, ermäßigte die Einkommensteuer für das Streitjahr entsprechend und wies die Klage im übrigen ab.

Mit seiner Revision rügt der Kläger dem Sinne nach die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zutreffend ist das FG von einem Teilwert für das aufstehende Holz von 288 087 DM ausgegangen. Nach der Rechtsprechung ist bei einer Mehrheit von Wirtschaftsgütern, für die ein Gesamtkaufpreis bezahlt worden ist, eine aus Rechtsgründen erforderliche Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter im Zweifel nach dem Verhältnis der Teilwerte vorzunehmen (vgl. u. a. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1981 I R 131/78, BFHE 135, 185, BStBl II 1982, 320). Da sich die Teilwerte aber weitgehend mit den Wiederbeschaffungskosten und damit mit den erzielbaren Veräußerungspreisen decken, entspricht in solchen Fällen das Verhältnis der Teilwerte in der Regel dem der Verkehrswerte. Das FG konnte daher bei der Ermittlung des Teilwertes vom Verkehrswert des Holzbestandes ausgehen.

Die Wertermittlung des FG ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Solche Wertermittlungen beruhen auf Tatsachenfeststellungen und ihrer Würdigung. Da der BFH als Revisionsgericht keine Tatsachen-, sondern Rechtsinstanz ist, ist er gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an alle vom FG im Rahmen der Wertermittlung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug auf die tatsächlichen Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht werden. Der BFH kann also hinsichtlich der Höhe solcher Werte nur nachprüfen, ob bei der Ermittlung gegen die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze verstoßen worden ist (insbesondere, ob die gezogenen Folgerungen schlüssig sind), ob das FG den Sachverhalt hätte weiter aufklären müssen, oder ob sonstige Verfahrensfehler vorgekommen sind. Gelangt der BFH zu dem Ergebnis, daß die Wertermittlung ohne Verfahrensverstoß zustande gekommen ist und nach den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen zumindest möglich war, ist er an die Wertermittlung des FG gebunden.

Diese begrenzte revisionsrechtliche Überprüfung führt zu dem Ergebnis, daß die vom Kläger vorgebrachten Rügen nicht gerechtfertigt sind und an dem Ergebnis der Wertermittlung des FG nichts zu ändern vermögen. Nach dem Urteil des BFH vom 16. Juni 1971 IV R 84/70 (BFHE 105, 5, BStBl II 1972, 451) ist bei der Ermittlung des Bestandswertes für das aufstehende Holz die sog. konventionelle Methode anzuwenden. Bei dieser Methode werden die Werte für hiebreife oder annähernd hiebreife Holzbestände nach dem Abtriebswertverfahren ermittelt, wobei als Abtriebswert eines Holzbestandes der um die Erntekosten verminderte Erlös angesetzt wird, der im Zeitpunkt der Bewertung bei der Verwertung des Holzbestandes am Markt zu erzielen wäre. Bei jungen oder mittelalten Beständen wird zunächst der Abtriebswert ermittelt, der im Alter der Umtriebszeit (Hiebreife) im Zeitpunkt der Bewertung zu erzielen wäre. Dieser Wert wird dann durch Verwendung der sog. Alterswertfaktoren auf den durch die fehlende Hiebreife verminderten Wert zurückgerechnet (vgl. Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens - BewRL - im Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen - MinBlFin - 1959, 387). Entgegen der Behauptung des Klägers wird diese wissenschaftlich anerkannte Methode nicht nur in Entschädigungs- und Enteignungsverfahren angewandt, sondern, wie der vom FG bestellte Gutachter bekundet hat, auch bei Verkäufen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe.

Sowohl die Forstabteilung der OFD als auch der Gutachter N haben den Waldaufwuchs nach der konventionellen Methode bewertet und sind zu annähernd gleichen Ergebnissen gekommen. Der Gutachter N hat eingehend erläutert, warum seine Berechnungen geringfügig von denjenigen der OFD abweichen. Das FG hat sich das Gutachten des N weitgehend zu eigen gemacht. Lediglich den Vorschlägen, den Bestandswert des Holzes u. a. wegen günstiger Lage der Grundstücke um 5 %, sowie den Verkaufswert des Grund und Bodens um 500 DM / qm auf 3 500 DM / qm zu erhöhen, ist das FG nicht gefolgt. Demnach ermittelte es den Teilwert der Waldflächen einschließlich des aufstehenden Holzes auf ca. 8 100 DM / ha. In dieser Verfahrensweise liegt weder ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 FGO) noch eine Verletzung materiellen Rechts.

Für das FG bestand auch keine Veranlassung, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Nach der Rechtsprechung ist ein Gericht nur dann verpflichtet, ein Obergutachten einzuholen, wenn das oder die vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen und deshalb nicht zu überzeugen vermögen (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 26. Juni 1986 IV R 177/84, BFH / NV 1986, 685, und Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. März 1986 III ZR 245/84, Wertpapier-Mitteilungen / Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1986, 605, 607). Derartige Mängel sind hier nicht erkennbar und wurden vom Kläger auch nicht gerügt. Für das FG bestand keine Veranlassung, bei seiner Wertermittlung von den Berechnungen in den Stellungnahmen des Gutachters L auszugehen. Denn abgesehen davon, daß gemäß § 96 FGO (§ 286 der Zivilprozeßordnung) an sich keine Bindung des Gerichts an bestimmte Gutachten besteht, stellen die ,,Gutachten" des vom Kläger beauftragten Sachverständigen L prozessual nur Parteivorbringen dar, das im übrigen nicht frei von Denkfehlern ist.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gutachter N die konventionelle Bewertungsmethode unrichtig angewendet hat, daß sein Gutachten Rechenfehler aufweist und daß infolgedessen der festgestellte Teilwert des Holzes zu hoch ist. Die von L für erforderlich gehaltene Abzinsung wegen mangelnder Schlagreife des Holzbestandes war nicht vorzunehmen, da der Gutachter N diesen Faktor bei seiner Wertberechnung bereits im Rahmen der konventionellen Bewertungsmethode berücksichtigt hat. Die von L aufgeführten Vergleichswerte für Grund und Boden einschließlich der Holzbestände wären allenfalls für den bloßen Grund und Boden repräsentativ. Sie können zur Ermittlung des Teilwertes der Holzbestände im Streitfall nicht herangezogen werden, da der Teilwert des aufstehenden Holzes in diesen Vergleichsfällen nicht bekannt ist und alle tatsächlichen Faktoren zu seiner Feststellung fehlen.

Auch die vom Kläger in der Revisionsbegründung angestellte ,,Kontrollrechnung" vollzieht lediglich nach, was sich bereits aus dem Gutachten N (S. 10) ergibt: Daß nämlich der Hektarpreis des Waldes bei Zugrundelegung eines Hektarpreises für Grund und Boden von 3 500 DM einschließlich des Holzbestandes ca. 8 600 DM betrug. Jedoch beließ es das FG bei dem unstreitigen Hektarpreis für den Grund und Boden von 3 000 DM und kam so zu einem Hektarpreis von 8 100 DM. Dieser Preis liegt unter dem Hektarpreis für die landwirtschaftlich genutzten Flächen in Höhe von 8 556,45 DM. Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, nach dem der Hektarpreis landwirtschaftlich genutzter Flächen stets über dem von Forstflächen einschließlich des Holzbestandes liegt. Daß gerade das Gegenteil zutreffen kann, beweist die vom FA mit Schriftsatz vom 16. Mai 1983 vorgelegte Kaufpreissammlung. Es kommt dabei entscheidend auf das Alter und die Art des Holzbestandes an. Nur der Wert des Waldbodens liegt stets erheblich unter dem Wert landwirtschaftlich genutzten Grund und Bodens. Infolgedessen vermögen die in anderen Verkaufsfällen ermittelten Hektarpreise für einen Wald die Unrichtigkeit der Teilwertberechnung im Streitfall nicht zu erweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415089

BFH/NV 1988, 37

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