Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebäudeerrichtung für den Gesellschafter als vGA; Gebäudeüberlassung an die Gesellschaft "quoad sortem" als Entgelt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Errichtet eine Kapitalgesellschaft auf eigene Kosten auf dem Grundstück ihres Gesellschafters ein Gebäude, das in das Eigentum des Gesellschafters als Grundstückseigentümer übergeht, so ist in dem Vorgang grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe des Betrages anzunehmen, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter von einem Auftraggeber für die schlüsselfertige Errichtung verlangt haben würde, es sei denn, daß zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter ein angemessenes Entgelt in anderer Weise vereinbart wurde.

2. Als ein in anderer Weise vereinbartes Entgelt kommt in Betracht, daß der Gesellschafter sich verpflichtete, das Gebäude der Gesellschaft "quoad sortem" zu überlassen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine inländische Aktiengesellschaft, deren Zweck der Erwerb und die Verwaltung von Grundbesitz ist. Das Grundkapital betrug im Jahr 1975 1 Mio DM. 16,7 v.H. der Aktien wurden bis 1974 von dem Vorstand der Klägerin S und 83,3 v.H. von dessen Ehefrau gehalten, die jedoch seit 1968 von S getrennt lebte. Seit 1975 befinden sich Aktien im Nominalwert von 50 000 DM im Fremdbesitz.

S war bis zum Jahre 1975 Eigentümer des Grundstücks in K, X-Straße 1. Auf diesem Grundstück errichtete die Klägerin aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit der Y-GmbH ein Geschäftsgebäude. Durch Mietvertrag vom 15.Juni 1972 vermietete die Klägerin das zu errichtende Gebäude an die Y-GmbH schon vor Fertigstellung. Um den besonderen Interessen der Y-GmbH Rechnung zu tragen, wurde diese an den Bauplänen beteiligt. Sie übernahm die Bauleitung. Die von der Klägerin zu übernehmenden Baukosten wurden auf 7,5 Mio DM begrenzt. Die Y-GmbH übernahm die Kosten des Innenausbaus.

Die Y-GmbH bezog das Gebäude Mitte 1974. Die Klägerin erzielte in 1974 Mieteinnahmen in Höhe von 685 039,50 DM. Sie zahlte an S kein Nutzungsentgelt. Durch notariellen Vertrag vom 14.Januar 1975 verkauften S als Eigentümer des Grund und Bodens und die Klägerin als wirtschaftliche Eigentümerin des errichteten Gebäudes den gesamten Grundbesitz für 25 Mio DM an die Y-GmbH. In dem Kaufvertrag ist keine Aufteilung des Kaufpreises zwischen S und der Klägerin vereinbart. Aus einem nicht unterschriebenen Vertragsentwurf geht jedoch hervor, daß die Klägerin ihre Baukosten ersetzt erhalten sollte. Tatsächlich erhielt sie ihre eigenen Herstellungskosten einschließlich Nebenleistungen erstattet. Der Gesamtbetrag machte 5 808 692 DM aus. Den restlichen Erlös erhielt S.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, daß der Gesamtkaufpreis im Verhältnis der Teilwerte hätte aufgeteilt werden müssen. Er ermittelte den Teilwert des Gebäudes mit 7 608 692 DM und setzte den Differenzbetrag zwischen 7 608 692 DM und 5 808 692 DM = 1 800 000 DM als verdeckte Gewinnausschüttung der Klägerin an S an. Die verdeckte Gewinnausschüttung ordnete das FA dem Wirtschaftsjahr 1975 der Klägerin zu. Da in diesem Jahr ein Verlust erzielt wurde, wirkte sich die verdeckte Gewinnausschüttung durch Minderung des Verlustvortrags erst auf das Streitjahr 1977 aus. Für dieses Jahr erließ das FA am 30.März 1982 den mit dem Einspruch angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Während des Klageverfahrens änderte das FA am 1.Februar 1985 den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid. Die Klägerin leitete den geänderten Bescheid in das Klageverfahren über. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Körperschaftsteuer 1977 auf 0 DM herab.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1975 und der §§ 140, 305, 812, 951 und 988 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1975 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22.Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH seit seinem Urteil vom 16.März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 21.Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761, und vom 2.März 1988 I R 63/82, BFHE 152, 515, BStBl II 1988, 590).

2. Geht man von diesen Grundsätzen aus, so hält die Vorentscheidung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand:

a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs.2 FGO binden, errichtete die Klägerin in den Jahren 1973 und 1974 auf eigene Kosten ein Gebäude auf dem Grundstück des S in K, X-Straße 1. In diesem Vorgang ist eine in den Jahren 1973 und 1974 nach und nach vollzogene verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe des Betrages zu sehen, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter von einem Auftraggeber für die schlüsselfertige Errichtung des Gebäudes verlangt haben würde, wenn nicht schon damals zwischen der Klägerin und dem S in anderer Weise ein angemessenes Entgelt vereinbart gewesen sein sollte. Als ein anderweitig vereinbartes angemessenes Entgelt kommt insbesondere eine schuldrechtliche Vereinbarung dahin in Betracht, daß S sich verpflichtete, das zivilrechtlich in seinem Eigentum stehende Gebäude dem Wert nach für die Klägerin zu halten und es ihr "quoad sortem" zu überlassen (vgl. BFH-Urteile vom 20.Januar 1988 I R 395/83, BFHE 152, 261, BStBl II 1988, 453, und vom 9.August 1989 I R 147/85, BFHE 158, 129, BStBl II 1989, 983). Eine solche Vereinbarung hätte kein wirtschaftliches Eigentum der Klägerin an dem Gebäude begründet. Vielmehr bestünden nur schuldrechtliche Rechtsbeziehungen, die sich jedoch auf die Überlassung des Gebäudes seinem Wert nach bezögen. Das FG hat das Bestehen eines solchen Anspruchs in tatsächlicher Hinsicht weder positiv noch negativ festgestellt, obwohl sich entsprechende Feststellungen ihm hätten aufdrängen müssen. Dafür sprechen die Bilanzierung und die Vermietung des Gebäudes durch die Klägerin, die Einbehaltung der Mieterträge durch die Klägerin, der Abschluß des Vertrages vom 14.Januar 1975 (auch) durch die Klägerin und schließlich deren vermeintliche Verpflichtung, das wirtschaftliche Eigentum an dem o.g. Grundstück auf die Y-GmbH entgeltlich zu übertragen. Die Feststellung eines entsprechenden Anspruchs liegt jedoch letztlich auf tatsächlichem Gebiet. Sie kann von dem erkennenden Senat nicht in eigener Zuständigkeit nachgeholt werden. Deshalb beruht die Vorentscheidung auf unvollständigen tatsächlichen Feststellungen; sie schließt trotz deutlicher Anhaltspunkte einen entsprechenden Anspruch der Klägerin nicht aus. Die fehlenden Feststellungen nachzuholen ist Aufgabe des FG.

b) Auf die unter II.2.a genannten fehlenden Feststellungen würde es allerdings dann nicht ankommen, wenn S in den Jahren 1973 und 1974 sog. beherrschender Gesellschafter der Klägerin gewesen sein sollte. Dann wäre nämlich zusätzlich eine klare Vereinbarung zu fordern, die vor der Überlassung des Gebäudes seinem Werte nach an die Klägerin hätte abgeschlossen worden sein müssen. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG fehlt es jedoch an einer entsprechenden klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung.

Jedoch lassen die Feststellungen des FG auch keine abschließende Beurteilung einer beherrschenden Gesellschafterstellung des S zu. Dieser hielt selbst nur 16,7 v.H. der Aktien der Klägerin. Anhaltspunkte dafür, daß die Ehefrau des S ihre Aktien im Innenverhältnis für S hielt, sind nicht dargelegt. Entgegen der Auffassung des FA können die Anteile der Ehefrau nicht schon deshalb dem S "zugerechnet" werden, weil beide in ehelichen Beziehungen zueinander standen. Insoweit sind vielmehr konkrete Anhaltspunkte für gleichgerichtete Interessen erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 1.Februar 1989 I R 73/85, BFHE 156, 155, BStBl II 1989, 522). Schließlich reichen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht aus, um eine "faktische Beherrschung" der Klägerin durch S anzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 12.Oktober 1988 X R 5/86, BFHE 154, 566, BStBl II 1989, 152).

3. Läßt sich damit revisionsrechtlich nicht abschließend beurteilen, ob nicht schon in einer unentgeltlichen Errichtung des Gebäudes durch die Klägerin eine verdeckte Gewinnausschüttung in den Jahren 1973 und 1974 gegenüber S anzunehmen ist, so kann die dies verneinende Vorentscheidung keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu den unter II.2.a und b angestellten Überlegungen nachholen kann.

4. Für den zweiten Rechtszug weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:

a) Sollte das FG zu der Feststellung gelangen, daß S als nicht beherrschender Gesellschafter das von der Klägerin errichtete Gebäude dieser dem Wert nach überlassen hatte, so wäre auf seiten der Klägerin eine Vermögensminderung in Höhe der Differenz zwischen dem Betrag, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter für den Verzicht auf die Ansprüche der Klägerin gefordert hätte, und dem tatsächlich von S erstatteten Betrag anzunehmen.

b) Von der o.g. und hier unterstellten Vermögensminderung könnten die von der Klägerin vereinnahmten Mieten nicht abgesetzt werden. Die Mieteinnahmen wären einerseits der Ertrag der Klägerin aus ihrer Nutzung des Gebäudes seinem Werte nach. Außerdem greift der Gesichtspunkt durch, daß ein Gesellschafter seiner Gesellschaft Nutzungen unentgeltlich überlassen darf. Die Überlassung von Nutzungen rechtfertigt keinen Vorteilsausgleich (vgl. BFH-Urteile vom 7.Dezember 1988 I R 25/82, BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248, und vom 14.März 1989 I R 8/85, BFHE 156, 452, BStBl II 1989, 633).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62481

BFH/NV 1990, 21

BStBl II 1990, 244

BFHE 159, 56

BFHE 1990, 56

BB 1990, 620

BB 1990, 620-622 (LT)

DB 1990, 713-714 (LT1)

DStR 1990, 144 (K)

HFR 1990, 262 (LT)

StE 1990, 88 (K)

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