Leitsatz (amtlich)

Wird ein in Ausbildung befindlicher Beamter entsprechend seinem Ausbildungsplan nur für einen Monat an eine auswärtige Dienststelle abgeordnet und kehrt er anschließend an die ausbildende Dienststelle zurück, so bleibt diese während der Dauer der Abordnung seine regelmäßige Arbeitsstätte.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die damals ledige Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 1976 Finanzanwärterin und wohnte bei ihren Eltern in A. Von der Oberfinanzdirektion (OFD) war sie dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt A -- FA --) als Ausbildungs-FA zugewiesen worden. Vom 1. Mai bis zum 31. Mai 1976 wurde sie entsprechend dem Ausbildungsplan an das FA B (im folgenden: B) zur Ausbildung im Bereich "Kasse" abgeordnet, anschließend kehrte sie wieder an das FA zurück. Während ihrer Abordnung fuhr sie an den Arbeitstagen mit ihrem Pkw zwischen der Wohnung in A und B hin und her. In ihrem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich machte sie u. a. die Fahrtkosten mit den in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) für Dienstreisen vorgesehenen Pauschsätzen abzüglich der ihr vom Arbeitgeber erstatteten Beträge geltend. Das FA ließ jedoch nur die Pauschsätze des § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- (ebenfalls abzüglich der Arbeitgebererstattung) zum Abzug zu.

Die Klage hatte insoweit Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß das FA die regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin vor ihrer Abordnung gewesen sei und daß B nicht zu ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte geworden sei, ließ jedoch offen, ob das FA auch während der Abordnung noch als regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin angesehen werden könne. Darauf komme es nicht an, da die Beschränkung auf die Kilometerpauschale des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte Gültigkeit habe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Es meint, daß hier die Beschränkung auf die Kilometerpauschale nur dann nicht eingreife, wenn es sich um eine Dienstreise gehandelt hätte. Das sei jedoch nicht der Fall, da B regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin geworden sei. Im Gegensatz zu einem Beamten mit einer festen Planstelle habe die Klägerin als Auszubildende keine Position innegehabt, die auch während ihrer Abwesenheit hätte fortwirken können.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die geltend gemachten Fahrtkosten zu Recht in voller Höhe als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.

Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind nach der Auslegung, die der Bundesfinanzhof (BFH) dem § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG gegeben hat, alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind (z. B. Urteil vom 21. November 1980 VI R 202/79, BFHE 132, 63, BStBl II 1981, 131). Zu den beruflich veranlaßten Aufwendungen gehören die Kosten von Dienstreisen, und zwar u. a. die entstandenen Fahrtkosten, für die der Steuerpflichtige auch die in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge in Anspruch nehmen kann (BFH-Urteil vom 30. November 1979 VI R 129/78, BFHE 129, 354, BStBl II 1980, 141).

Eine Dienstreise liegt vor, wenn der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen zeitweilig vom Ort seiner regelmäßigen (festen) Arbeitsstätte abwesend ist (BFH-Urteil vom 23. März 1979 VI R 14/78, BFHE 127, 526, BStBl II 1979, 521). Nach den Ausführungen des FG, denen das FA insoweit nicht entgegengetreten ist, war das FA jedenfalls vor der Abordnung der Klägerin nach B deren regelmäßige Arbeitsstätte. Diese Annahme ist nicht zu beanstanden, da das FA nicht nur nominell, sondern als ständiges Ausbildungs-FA der Klägerin auch tatsächlich Mittelpunkt der auf die Dauer der Ausbildung abgestellten beruflichen Tätigkeit der Klägerin war.

Entgegen der Auffassung des FA ist es während der einmonatigen Abordnung die regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin geblieben; denn B ist weder allein noch (als zweite regelmäßige Arbeitsstätte) neben dem FA regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin geworden. Die Frage, wann eine andere Dienststelle, der ein Beamtenanwärter oder Referendar zur Ableistung eines bestimmten Ausbildungsabschnitts vorübergehend zugewiesen wird, dessen regelmäßige Arbeitsstätte wird, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Der BFH geht für die Ableistung von Lehrgängen an auswärtigen Schulen oder Universitäten (z. B. Landesfinanzschule) davon aus, daß sich die regelmäßige Arbeitsstätte am Lehrgangsort befinden könne. So hat er z. B. den Lehrgangsort bei einem siebenmonatigen Inspektorenabschlußlehrgang als regelmäßige Arbeitsstätte angesehen (Urteil vom 10. November 1978 VI R 13-14/76, BFHE 126, 420, BStBl II 1979, 157), desgleichen die Universität bei der dreijährigen Abkommandierung eines Offiziers an eine Hochschule der Bundeswehr (Urteil vom 12. Dezember 1979 VI R 64/78, BFHE 129, 173, BStBl II 1980, 124; vgl. auch Urteil in BFHE 127, 526, BStBl II 1979, 521, betreffend den zehnmonatigen Besuch einer Sparkassenschule durch einen Bankkaufmann).

Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, die Frage, ob und gegebenenfalls mit welcher Maßgabe die zum Besuch von Lehrgängen ergangene Rechtsprechung auf die Abordnung zu sonstigen Ausbildungsstätten übertragen werden kann, grundsätzlich zu entscheiden. Denn hier handelt es sich insoweit um einen Sonderfall, als die Abordnung auf nur einen Monat begrenzt gewesen war (und die Tätigkeit später an der früheren Tätigkeitsstätte wieder aufgenommen wurde). Aufgrund einer derart kurz bemessenen Abordnung wird aber keine neue regelmäßige Arbeitsstätte begründet, weil das dem Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte innewohnende Dauerelement fehlt (ebenso Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Beamtenanwärter" für mehrwöchigen Lehrgang an der Bundesfinanzakademie). Auf wenige Wochen begrenzte Abwesenheiten von der regelmäßigen Arbeisstätte sind im Arbeitsleben nicht ungewöhnlich und führen nicht dazu, daß die Verkehrsauffassung den Mittelpunkt der auf Dauer abgestellten beruflichen Tätigkeit als verändert ansieht. Davon könnte man erst ausgehen, wenn für den auswärtigen Aufenthalt eine Dauer von mehreren Monaten vorgesehen ist, wobei vergleichsweise darauf hinzuweisen ist, daß nach der in Abschn. 25 Abs. 3 LStR vorgesehenen Regelung eine auswärtige Tätigkeitsstätte -- auch bei Vorliegen einer Dienstreise -- nach drei Monaten zur regelmäßigen Arbeitsstätte wird (vgl. ferner BFH-Urteil vom 14. Juli 1978 VI R 179/76, BFHE 125, 555, BStBl II 1978, 660, betreffend ständig wechselnde Einsatzstellen).

Demgegenüber kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Abordnung nach B sei im Ausbildungsplan der Klägerin von vornherein vorgesehen und es sei die Klägerin während der Abordnung in das dortige FA eingegliedert gewesen. Der eingeplanten Abordnung steht nämlich die von vornherein vorgesehene Rückkehr zum FA gegenüber, die die Abordnung lediglich als kurzfristige. Unterbrechung der Tätigkeit beim FA charakterisiert. Eine Eingliederung in das Abordnungs-FA vermag das Erfordernis der Dauerhaftigkeit der Abordnung ebensowenig zu ersetzen wie der Hinweis darauf, daß die Klägerin in B jedenfalls einen Teil ihrer auf Dauer abgestellten dienstlichen Tätigkeit ausgeübt habe. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die gesamte Ausbildung der Klägerin aus kurzen, jeweils an verschiedenen Ausbildungsstätten abzuleistenden Abschnitten bestanden hätte, bedarf keiner Entscheidung. Denn das war hier nicht der Fall.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74724

BStBl II 1983, 679

BFHE 1984, 67

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