Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Fehlt es bei einem steuerpflichtigen Berufsverband an der Gewinnerzielungsabsicht, so fallen Einnahmeüberschüsse aus der wirtschaftlichen Betätigung des Verbands nicht unter Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinn des § 2 Abs. 3 Ziff. 2 EStG, sondern unter die sonstigen Einkünfte im Sinn des § 2 Abs. 3 Ziff. 7 EStG. Dem Urteil des RFH I 125/40 vom 28. April 1942 (RStBl 1942, 581) wird insoweit nicht beigetreten.

Umlagen, die pauschalierte Entgelte der einzelnen Mitglieder für die Förderung der wirtschaftlichen Einzelinteressen der Mitglieder durch zusammengefaßte Werbung darstellen, sind keine Mitgliederbeiträge im Sinn des § 8 Abs. 1 KStG.

 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 4, § 4 Abs. 1 Nr. 8, §§ 5-6, 8 Abs. 1; EStG § 2 Abs. 3, § 22 Ziff. 3

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Verband) ein Warenzeichenverband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, beschränkte seinen Mitgliederkreis auf Firmen, die bestimmte Textilien aus einem Spezialgarn fertigten. Er stellte seinen Mitgliedern ein Verbandszeichen zur Verfügung und war verpflichtet, jede Störung der Zeichenführung durch Dritte im eigenen Namen zu verfolgen. Seine Hauptaufgabe bestand darin, für den Absatz der aus dem Spezialgarn hergestellten Textilien zu werben.

Der Verband bezweckte nach der Satzung keinen Gewinn. Die zur Durchführung der Verbandsaufgaben erforderlichen Mittel wurden zum Teil durch Umlagen der Mitglieder aufgebracht, die durch Mitgliederversammlung festgelegt wurden. Im Streitjahr 1954 zahlte außerdem die Herstellerin der Spezialfaser einen Geldbetrag für den Werbeetat des Verbandes. Einen weiteren Betrag für Propagandazwecke erhielt der Verband von bestimmten Spinnereien, von denen die Mitglieder die Garne aus der Spezialfaser bezogen. Beitragsumlagen und Zuwendungen waren nach der Menge der verarbeiteten Faser bemessen.

Am Jahresende ergab sich beim Verband ein Einnahmeüberschuß, der vom Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) zur Körperschaftsteuer herangezogen wurde. Die Sprungberufung blieb - abgesehen von der Herabsetzung des Steuersatzes - ohne Erfolg.

Mit der Rb. (Revision) wird falsche Rechtsanwendung gerügt und erneut Freistellung von der Körperschaftsteuer beantragt. Unter Beibehaltung der bisherigen Auffassung, daß ihm die persönliche Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG 1953 zustehe, wendet sich der Verband gegen die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. In jedem Fall fehle aber die gesetzliche Grundlage für die Besteuerung des Einnahmeüberschusses. Nach § 6 KStG kämen nur die in § 2 Abs. 3 EStG genannten Einkunftsarten in Betracht. Der Einnahmeüberschuß falle unter keine der Einkunftsarten, insbesondere stelle er weder Gewinn aus Gewerbebetrieb noch Einkünfte im Sinne des § 22 EStG dar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Verband als eingetragener Verein nach § 1 Abs. 1 Ziff. 4 KStG 1953 unter die unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen juristischen Personen des Privatrechts fällt. Sie hat ihn auch zu Recht nicht als steuerbefreiten Berufsverband im Sinn des § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG 1953 anerkannt.

Ein Berufsverband ohne öffentlich-rechtlichen Charakter war im Jahre 1954 nur dann steuerbefreit, wenn er allgemeinwirtschaftliche, allen Angehörigen des Berufsstandes eigentümliche Interessen wahrnahm, nicht aber die besonderen geschäftlichen Belange seiner einzelnen Mitglieder, sofern diese Belange nicht von ganz untergeordneter Bedeutung waren (Gutachten des BFH I D 1/52 S vom 17. Mai 1952, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 56 S. 591 - BFH 56, 591 -, BStBl III 1952, 229; BFH-Urteile I 44/52 U vom 22. Juli 1952, BFH 56, 572, BStBl III 1952, 221, und I 110/53 U vom 26. April 1954, BFH 58, 204, BStBl III 1954, 204). Unbestritten bildete der Verband den Zusammenschluß einer nur geringen Anzahl Webereien mit dem Hauptzweck, für diese Werbung zur Einführung von Textilien aus einem neuartigen Spezialgarn zu betreiben. Er vertrat nicht die Interessen eines ganzen Berufsstandes, sondern schaltete sich in Geschäfte ein, die zur regelmäßigen Tätigkeit eines gewerblichen Unternehmens gehören. Die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG 1953 stand ihm deshalb nicht zu. Die Frage, ob er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhielt, und gegebenenfalls deshalb nach § 13 KStDV 1953 die Steuerbefreiung entfallen wäre, braucht danach nicht mehr geprüft zu werden.

Die Körperschaftsteuer bemißt sich nach dem Einkommen, das der Verband im Streitjahr bezogen hat (§ 5 KStG). Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich - außer nach den §§ 7 bis 16 KStG und der Berücksichtigung verdeckter Gewinnausschüttungen - nach den Vorschriften des EStG (§ 6 KStG).

Die Vorinstanz hat den Einnahmeüberschuß den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 3 Ziff. 2 EStG zugeordnet. Sie hat zwar nicht verkannt, daß der Verband keinen Gewerbebetrieb unterhielt, weil er ohne Gewinnabsicht tätig war, und daß er auch nicht zu den Steuerpflichtigen gehörte, die nach den Vorschriften des HGB zur Führung von Büchern verpflichtet sind und bei denen nach § 16 KStDV alle Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind. Sie hat sich vielmehr - unter Hinweis u. a. auf das Urteil des BFH I 125/40 vom 28. April 1942 (RStBl 1942, 581) - davon leiten lassen, daß der Verband nicht bessergestellt sein könne, als die Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts und die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe der Körperschaften im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 6 und 8 KStG 1953, bei denen die Steuerpflicht ohne Rücksicht auf die Gewinnerzielungsabsicht bestehe (§§ 1, 8, 13 KStDV 1953, § 6 der Gemeinnützigkeits-Verordnung - GemV -). Der Gleichstellung des Verbands mit diesen Körperschaften vermag der Senat jedoch nicht zuzustimmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Vorinstanz richtig ist, daß die Einkünfte der genannten Körperschaften aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben regelmäßig auch dann wie gewerbliche Einkünfte zu behandeln sind, wenn die Annahme eines Gewerbebetriebs mangels Gewinnerzielungsabsicht entfällt. Denn der Senat ist der Auffassung, daß aus der gesetzlichen Regelung, die für diese Körperschaften getroffen ist, wegen ihrer Sonderstellung nicht ohne weiteres Schlüsse für die Besteuerung anderer Steuerpflichtiger gezogen werden dürfen. Der Entscheidung des RFH I 125/40 (a. a. O.) wird insoweit nicht gefolgt. Da der Verband nach der Feststellung der Vorinstanz seine Geschäfte ohne Gewinnerzielungsabsicht geführt hat, mangelt es an einem wesentlichen Merkmal für den Begriff der gewerblichen Einkünfte. Insoweit ist die Revisionsrüge berechtigt.

Der Revision kann aber nicht in der Meinung gefolgt werden, daß der Einnahmeüberschuß unter keine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG fällt. Die wirtschaftliche Betätigung des Verbands führte nicht nur zu Ausgabe, sondern auch zu Einnahmen. Die Einnahmen flossen von den Mitgliedern wie von den Nichtmitgliedern als Gegenleistungen für Leistungen des Verbands (hauptsächlich Werbung) zu. Soweit die Einnahmen aus den Leistungen des Verbandes die Ausgaben überstiegen, sind sie als Einkünfte im Sinne des § 22 Ziff. 3 EStG 1953 anzusehen.

Unbestritten wurden die Gegenleistungen nach der Menge der verarbeiteten Faser bemessen. Es handelte sich nicht um Vorschüsse, sondern um endgültige Zahlungen für das Streitjahr. Es mag sein, daß die Mitglieder wie die Nichtmitglieder davon ausgingen, die Beträge würden voll verbraucht werden. Nach der rechtlich einwandfreien Feststellung der Vorinstanz bestanden aber keine Rückzahlungsverpflichtungen. Die vom Verband beabsichtigte künftige Verwendung des überschusses für die von ihm verfolgten Zwecke hindert nicht die Besteuerung des überschusses. Gewinne oder Einnahmeüberschüsse sind im allgemeinen nicht deshalb steuerfrei, weil sie später für Geschäftszwecke wieder eingesetzt werden sollen. Auf einen sich über mehrere Jahre erstreckenden Zeitraum abzustellen, um ein richtiges Bild davon zu erlangen, ob ein endgültiger überschuß erzielt wurde, widerspricht der durch § 5 KStG vorgeschriebenen Abschnittsbesteuerung. Schließlich geht auch die Berufung des Verbands auf das RFH-Urteil I 389/39 vom 16. Juli (RStBl 1940, 835) fehl, weil dieser Entscheidung ein abweichender Sachverhalt zugrunde lag.

Zutreffend hat die Vorinstanz die durch Umlagen von den Mitgliedern erhobenen Beiträge nicht als einkommensmindernde echte Mitgliedsbeiträge im Sinne des § 8 Abs. 1 KStG angesehen. Nach ständiger Rechtsprechung fallen unter diese Vorschrift nur Beiträge, die von den Mitgliedern in ihrer Mitgliedseigenschaft zu entrichten sind. übt ein Verein zugunsten seiner Mitglieder eine Tätigkeit aus, die gewerblicher oder freiberuflicher Natur ist, so liegt insoweit ein Leistungsaustausch zwischen Verein und den einzelnen Mitgliedern vor. Es ist nicht Sinn der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 KStG, Einkünfte des Vereins aus solchen Tätigkeiten freizulassen, die bei Gewerbetreibenden oder Angehörigen der freien Berufe der Steuer unterworfen werden. Die Abgeltung der Vereinsleistungen durch Pauschbeträge steht der Annahme eines Leistungsaustausches nicht entgegen. (Vgl. BFH- Urteil I 104/52 U vom 5. Juni 1953, BFH 57, 553, BStBl III 1953, 212.)

Die Beurteilung der Vorinstanz, daß im Streitfall die Umlagen pauschalierte Entgelte der einzelnen Mitglieder darstellen, denen als Gegenleistung die Tätigkeit gewerblicher Natur des Verbands (Förderung der wirtschaftlichen Einzelinteressen der Mitglieder durch zusammengefaßte Werbung) gegenüberstand, ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 8 Abs. 1 KStG sind danach nicht erfüllt.

Die Entscheidung der Vorinstanz ist somit im Ergebnis rechtlich zutreffend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412145

BStBl III 1966, 632

BFHE 1966, 639

BFHE 86, 639

BB 1966, 1258

DB 1966, 1713

DStR 1966, 675

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