Leitsatz (amtlich)

1. Auch im Falle der Veräußerung eines Teilbetriebes ist die Berücksichtigung eines Geschäftswerts im Rahmen der Kaufpreisbemessung möglich.

2. Handelt es sich bei der Veräußerung eines Teilbetriebs um ein Rechtsgeschäft zwischen Schwestergesellschaften, so liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn die Summe der Werte der veräußerten Wirtschaftsgüter und des Geschäftswerts den gezahlten Kaufpreis übersteigt. Dabei ist der Geschäftswert des Teilbetriebes mit dem Betrag anzunehmen, den dem Erwerber der Erwerb eines Teilbetriebes mehr wert ist als der Erwerb der veräußerten Wirtschaftsgüter, die zusammen noch keinen funktionsfähigen Betrieb darstellen.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) - eine GmbH -, die im Streitjahr 1962 zwei Baustoffwerke betrieb und einen Umschlagsbetrieb sowie einen Bimsgroßhandel unterhielt, veräußerte am 2. Oktober 1962 eines ihrer Baustoffwerke (Fabrikationsanlagen und Warenvorräte) mit Ausnahme der Grundstücke und Gebäude, der Forderungen, Verbindlichkeiten und des Firmennamens an die W-GmbH, an deren Stammkapital ihre Gesellschafter in gleicher Weise wie am Stammkapital der Steuerpflichtigen beteiligt waren, zum Preise von 1,2 Mio. DM. Anläßlich einer im Jahre 1963 durchgeführten Betriebsprüfung wurde die Aufteilung des Kaufpreises auf die veräußerten Wirtschaftsgüter anhand von Sachverständigengutachten überprüft. Dabei ermittelte der Prüfer den Substanzwert des verkauften Betriebes mit 1 172 500 DM. Gleichzeitig errechnete er nach näherer Maßgabe der Tz. 38 des Betriebsprüfungsberichts vom 21. Februar 1964 für das veräußerte Baustoffwerk einen Firmenwert von 325 000 DM, von dem seiner Berechnung nach im Kaufpreis nur 27 500 DM realisiert worden waren. In Höhe des Unterschiedsbetrages von 297 500 DM nahm er eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Gesellschafter der Steuerpflichtigen an. Der Revisionskläger (das FA) folgte im Bescheid vom 4. Mai 1965 dieser Auffassung.

Mit ihrer Sprungberufung (alten Rechts) machte die Steuerpflichtige geltend, daß im Falle eines solchen Geschäfts zwischen zwei den gleichen Gesellschaftern gehörenden Unternehmen der von der Steuerpflichtigen selbst geschaffene Geschäftswert nicht zu realisieren sei (Urteil des BFH I 39/56 S vom 29. Mai 1956, - BFH 63, 76 -, BStBl III 1956, 226), daß ein lebendes Unternehmen im ganzen nicht übertragen worden sei (BFH-Urteil VI 320/64 vom 28. März 1966, BFH 85, 433, BStBl III 1966, 456) und bei zutreffender Berechnung des Unternehmenswerts (mit 911 250 DM) die Käuferin weitaus mehr bezahlt habe als nur den Substanzwert des Unternehmens. Das FG folgte der Auffassung der Steuerpflichtigen. Es führte aus:

Verdeckte Gewinnausschüttungen seien auch unter Schwestergesellschaften möglich und könnten auch in der unentgeltlichen oder unzureichend abgegoltenen Übertragung eines Geschäftswerts gefunden werden. Im Streitfall sei jedoch nicht der Geschäftswert eines ganzen lebenden Unternehmens übertragen worden. Denn der Geschäftswert des Unternehmens der Steuerpflichtigen beziehe sich, soweit es einen Geschäftswert besitze, auf das gesamte Unternehmen, das sich im Zeitpunkt der Veräußerung aus vier örtlich und sachlich verschiedenen Betriebsabteilungen zusammengesetzt habe. Alle Produktions- und Handelszweige des Unternehmens hätten, wenn auch in unterschiedlicher Weise, dazu beigetragen, den Geschäftswert zu bilden. Demgegenüber habe das Verkaufsgeschäft nur einen dieser Betriebe betroffen, der allerdings als wirtschaftlich selbständiger Produktionsbetrieb anzusehen gewesen sei. Im Rahmen des Gesamtunternehmens habe es sich rechtlich um die Veräußerung eines Teilbetriebes gehandelt. Bedenken gegen eine Übertragung des Geschäftswerts, soweit er diesen Teilbetrieb betreffe, beständen danach aber schon deswegen, weil die Übertragung zu einer unzulässigen Aufspaltung des einheitlichen Wirtschaftsguts Geschäftswert führen würde (BFH-Urteil I 77/64 vom 18. Januar 1967, BFH 88, 198, BStBl III 1967, 334). Die Einheitlichkeit des Geschäftswerts beziehe sich nicht nur auf die in ihm enthaltenen Vorteile innerhalb der einzelnen Betriebsabteilungen, sondern bei mehreren Betriebsabteilungen eines Unternehmens auch auf das Gesamtunternehmen. Eine Aufteilung des Geschäftswerts auf die einzelnen Betriebsabteilungen sei nicht möglich, weil sich einzelne dieser Vorteile, wie z. B. der Ruf der Firma, in aller Regel auf das Gesamtunternehmen und nicht auf die einzelnen Teilbetriebe erstreckt hätten.

Hiervon abgesehen sei aber nicht einmal das Baustoffwerk als Ganzes veräußert worden. Die Erwerberin habe unstreitig den Firmennahmen, die Grundstücke mit den Gebäuden (mit Ausnahme des Pförtnerhauses) nicht übernommen; auch Forderungen und Schulden seien nicht übergegangen. Die Steuerpflichtige sei als selbständiges Unternehmen weiter bestehengeblieben und die Erwerberin habe in dem teilweise übernommenen Betrieb unter ihrem Namen die Produktion fortgesetzt. Bei dieser Sachlage könne von der Übernahme eines ganzen lebenden Betriebes im Sinne des BFH-Urteils VI 320/64 (a. a. O.) selbst dann nicht gesprochen werden, wenn das Werk im Zeitpunkt seiner Veräußerung als eigenes lebendes Unternehmen hätte angesehen werden können.

Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision. Es führt zur Begründung aus, das FG habe den Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung bei der Veräußerung eines Teilbetriebes verkannt. Nicht in jedem Falle bedürfe es für das Vorliegen der Veräußerung eines Betriebes oder Teilbetriebes auch der Veräußerung des Grundstücks, das dem Betrieb diene (BFH-Urteile I 197/61 S vom 6. Februar 1962, BFH 74, 506, BStBl III 1962, 190; VI 320/64, a. a. O.). Entgegen der Ansicht des FG sei im vorliegenden Streitfall auch ein Geschäftswert von der Steuerpflichtigen auf die Erwerberin des veräußerten Teilbetriebes übertragen worden. Wenn auch die Gewinnaussichten des Gesamtunternehmens nur im Falle der Übertragung des Gesamtunternehmens als Maßstab für die Ermittlung des Geschäftswerts dienen könnten, so folge daraus doch nicht, daß bei der Übertragung eines Teilbetriebes die den Geschäftswert bestimmenden Grundsätze nicht modifiziert anzuwenden seien. Das FG habe bei seiner Entscheidung den Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 22. Dezember 1964 (KSt-Kartei 1958, Karte 30 zu § 6 Abs. 1) außer acht gelassen, demzufolge in Fällen der Übertragung eines Teiles der Geschäftstätigkeit von einer Kapitalgesellschaft auf eine von ihren Gesellschaftern gegründete Personengesellschaft die Übertragung des bei jener entstandenen anteiligen Geschäftswerts bei der Frage nach dem elwaigen Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung zu berücksichtigen sei. Gegebenenfalls hätte es insoweit eigene Ermittlungen anstellen müssen. Es hätte - von seinem Standpunkt aus - wenigstens prüfen müssen, ob bei der Übertragung eines eingespielten Produktionsbetriebes mit Arbeiter- und Kundenstamm wenn kein Geschäftswert so doch andere immaterielle Wirtschaftsgüter übergegangen seien. Dies folge auch aus dem von ihm in Bezug genommenen BFH-Urteil VI 320/64 (a. a. O.).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Bisher habe die Rechtsprechung die Verwirklichung eines Geschäftswerts im Rahmen einer Teilbetriebsveräußerung nicht anerkannt. Ihre Anerkennung setzte voraus, daß dem veräußerten Teilbetrieb für sich Geschäftscharakter zukomme. Daran fehle es hier. Hinsichtlich der Bewertung der veräußerten Wirtschaftsgüter habe zwischen den Beteiligten ausweislich des Betriebsprüfungsberichts vom 21. Februar 1964 Einigkeit bestanden. Im übrigen müßte die Anerkennung der Verwirklichung eines Geschäftswerts in Fällen wie dem vorliegenden die Zulassung einer entsprechenden Abschreibung bei Einstellung eines Teilbetriebes zur Folge haben.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die Frage, wann bei der Übertragung des Betriebes der Erwerber im Kaufpreis zugleich einen Geschäftswert bezahlt, ist in den vom FG zitierten BFH-Urteilen VI 320/64 (a. a. O.) und I 77/64 (a. a. O.) dahin beantwortet worden, daß ein Geschäftswert nur mit der Übernahme eines lebenden Unternehmens im ganzen erworben wird, das vom Erwerber fortgeführt werden kann. Dabei ist der Geschäftswert von den stillen Reserven, die in den Wirtschaftsgütern des erworbenen Unternehmens stecken, sowie von den immateriellen Wirtschaftsgütern (als Einzelrechten) abzugrenzen.

Was für die Übertragung eines Betriebes im ganzen gilt, gilt aber auch für die Übertragung eines Teilbetriebes (Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Anm. 133 zu § 153 des Aktiengesetzes - AktG -; Vangerow zum BFH-Urteil VI 320/64 in Steuer und Wirtschaft 1966 Sp. 653, 655), d. h. eines mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten, organisch geschlossenen Teiles des Gesamtbetriebes, der für sich lebensfähig ist (BFH-Urteile VI 76/63 vom 13. Januar 1966, BFH 84, 461, BStBl III 1966, 168; IV R 202/68 vom 24. April 1969, BFH 95, 323, BStBl II 1969, 397). Eine Teilbetriebsveräußerung liegt dagegen nicht vor, wenn wesentliche Grundlagen des veräußerten Betriebsteiles beim Veräußerer verblieben sind (BFH-Urteil VI 180/65 vom 14. Juni 1967, BFH 89, 515, BStBl III 1967, 724).

2. Der angefochtenen Entscheidung ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob das FG eine Teilbetriebsveräußerung angenommen und das Vorliegen ihrer Voraussetzungen geprüft hat, da es den streitigen Vorgang einmal als Veräußerung eines Teilbetriebes bezeichnet, zum anderen aber das Vorliegen einer Teilbetriebsveräußerung verneint hat. Kam es vom Standpunkt des FG hierauf nicht entscheidend an, so gilt das nicht auch für die Beurteilung des Streitfalles vom Standpunkt des erkennenden Senats. Auf das BFH-Urteil I 39/65 S (a. a. O.) kann sich die Steuerpflichtige nicht berufen, da mangels einer Gesamtrechtsnachfolge, wie sie in den Fällen der Umwandlung und der Verschmelzung gegeben ist (§ 15 Abs. 1 KStG), die Vorschrift des § 15 Abs. 2 KStG hier nicht Platz greift, die Erwerberin im Zweifel auch die Buchwerte der Steuerpflichtigen nicht fortgeführt hat und in Ansehung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG und des von ihr gezahlten Kaufpreises auch wohl nicht hat fortführen können.

a) Sowohl im Falle der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter als auch im Falle einer Teilbetriebsveräußerung kann auch zwischen Schwestergesellschaften eine verdeckte Gewinnausschüttung nur dann angenommen werden, wenn die Steuerpflichtige als Veräußerin der W-GmbH als Erwerberin in der Kaufpreisbemessung einen Vorteil gewährt hat, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Person, die nicht Gesellschafter ist, nicht gewährt hätte (BFH-Urteil I 261/63 vom 16. März 1967, BFH 89, 208, BStBl III 1967, 626). Dabei ist die Erwerberin im Streitfalle eine den Gesellschaftern der Steuerpflichtigen nahestehende Person (BFH-Urteil I 82/64 vom 13. September 1967, BFH 90, 134, BStBl III 1967, 791). Ob die Steuerpflichtige im Streitfall in der Bemessung des Kaufpreises auf 1,2 Mio. DM der Erwerberin mit der Übertragung des veräußerten Baustoffwerks einen solchen Vorteil gewährt hat, wird das FG nunmehr zu ermitteln haben.

b) Dazu wird das FG zunächst klären müssen, ob ein Teilbetrieb oder nur Einzelwirtschaftsgüter veräußert wurden. Wurde ein Teilbetrieb veräußert, ist der Gesamtwert dieses Teilbetriebes festzustellen, der auch einen Geschäftswert enthalten kann. Dabei ist der Geschäftswert keinesfalls mit einem bestimmten Bruchteil des Geschäftswerts des Gesamtunternehmens der Steuerpflichtigen anzunehmen, sondern in Ansehung des veräußerten Baustoffwerks als der Betrag zu ermitteln, den der Erwerb eines Teilbetriebs der Erwerberin mehr wert war als der Erwerb lediglich einer Reihe von Wirtschaftsgütern, die in ihrer Gesamtheit noch keinen funktionsfähigen Betrieb darstellen. Ob hierzu auf die Methode zurückgegriffen werden sollte, die der BFH im Urteil I 229/59 U vom 11. Oktober 1960 (BFH 71, 695, BStBl III 1960, 509) gebilligt und die offenbar auch der Prüfer angewendet hat, läßt der Senat dahingestellt. Keinesfalls aber darf im Falle ihrer Anwendung bei der Berechnung vom Buchwert statt vom Teilwert der Wirtschaftsgüter ausgegangen werden. Ist dieser so ermittelte Gesamtwert höher als 1,2 Mio. DM, liegt insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Wurden dagegen nur Einzelwirtschaftsgüter veräußert, ist die Summe der gemeinen Werte der einzelnen, von der Steuerpflichtigen an die W-GmbH veräußerten materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter festzustellen. Ist die Summe dieser Werte höher als der gezahlte Kaufpreis von 1,2 Mio. DM, liegt ebenfalls eine verdeckte Gewinnausschüttung vor (vgl. BFH-Urteil I 262/63 vom 18. Oktober 1967, BFH 90, 370, BStBl II 1968, 105 [107 linke Spalte]).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69290

BStBl II 1971, 69

BFHE 1971, 245

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