Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung des § 62 ZPO, nach dem bei notwendiger Streitgenossenschaft die "säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen" werden, "wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird", kann im Bereich des finanzgerichtlichen Verfahrens nur in den Fällen in Betracht kommen, in denen eine gemeinsame Klageerhebung erforderlich ist. In Fällen dagegen, in denen mehrere Personen einzeln klagen können, das streitige Rechtsverhältnis aber gegenüber allen hieran beteiligten Personen nur einheitlich festgestellt werden kann, wird die gebotene Einheitlichkeit der Entscheidung nicht durch die Vertretungsfiktion des § 62 ZPO, sondern durch Anwendung der Vorschriften über die notwendige Beiladung (§ 60 Abs.3 FGO) gesichert.

2. Erhöhte Absetzungen auf bewegliche Wirtschaftsgüter nach § 14 Abs.1 BerlinFG können von Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich nur einheitlich für die Gesellschaft als solche und nicht unterschiedlich für jeden einzelnen Gesellschafter in Anspruch genommen werden.

 

Orientierungssatz

1. Das Fehlen einer notwendigen Beiladung ist als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens auch ohne Verfahrensrüge zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 23.5.1973 I R 121/71).

2. Ist im Rahmen eines Klageverfahrens gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte einer KG, nur die Höhe des aus der Handelsbilanz abgeleiteten Steuerbilanzgewinns der KG oder eine andere allein die KG als solche angehende Frage streitig, so ist nur die KG, vertreten durch die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter, klagebefugt. Die Klagebefugnis steht auch einer bereits in Liquidation befindlichen KG zu; sie wird durch die Liquidatoren vertreten (vgl. BFH-Urteil vom 21.1.1982 IV R 146/78).

3. Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, ob er die erhöhten Absetzungen nach § 14 Abs. 1 BerlinFG im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts oder in einem der vier folgenden Wirtschaftsjahre in Anspruch nehmen will; er kann die erhöhten Absetzungen auch auf die fünf Wirtschaftsjahre des Begünstigungszeitraums verteilen (Literatur). Die Inanspruchnahme dieser Steuervergünstigung geschieht im Wege der Bilanzierung. Die Frage, wer das Bilanzierungswahlrecht ausüben kann, richtete sich bis zum Inkrafttreten des § 7a Abs. 8 (nunmehr Abs. 7) EStG (1.1.1976) nach den insoweit geltenden allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen.

4. Bei Personenhandelsgesellschaften ist zur Ermittlung der Gewinnanteile der Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) zunächst ein Betriebsvermögensvergleich für die Gesellschaft durchzuführen; der so ermittelte Gewinn (Verlust) ist den Gesellschaftern anteilig zuzurechnen. Grundlage für den Betriebsvermögensvergleich ist die Handelsbilanz der Gesellschaft, aus der gemäß § 5 EStG unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften und Bewertungsvorschriften die Steuerbilanz abzuleiten ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.7.1984 IV R 207/83). Die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens sind grundsätzlich einheitlich zu bilanzieren. Auch die steuerlichen Bilanzierungswahlrechte und Bewertungswahlrechte können grundsätzlich nur einheitlich für die Gesellschaft als solche in Anspruch genommen werden (Literatur).

 

Normenkette

FGO § 59; ZPO § 62; FGO § 60 Abs. 3; BerlinFG § 14 Abs. 1; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3; EStG § 7a Abs. 7, 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin zu 1) ist eine GmbH & Co. KG, die die Herstellung und den Vertrieb von ...waren betrieb. Sie befindet sich seit 1977 in Liquidation. Persönlich haftender Gesellschafter der Klägerin zu 1 ist die X-GmbH. An der Klägerin zu 1 sind außerdem über 40 Kommanditisten beteiligt, unter ihnen die Kläger und Revisionsbeklagten zu 2 und 3.

Die Klägerin zu 1 hatte auf dem Grundstück Y eine Fabrik errichtet. Für die hierbei entstandenen Anschaffungs- und Herstellungskosten wurden gemäß § 14 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) erhöhte Absetzungen geltend gemacht.

Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für 1971 erklärten die Kläger zu 2 und 3, sie wollten die erhöhten Absetzungen für das Gebäude, die Maschinen und die maschinellen Anlagen --abweichend von den übrigen Kommanditisten-- für das Streitjahr nicht in Anspruch nehmen. Für die Kläger zu 2 und 3 wurden deshalb Ergänzungsbilanzen erstellt, in denen die genannten Bilanzpositionen in Höhe der nicht beanspruchten Absetzungen aktiviert wurden.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, daß eine unterschiedliche Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 14 BerlinFG durch die einzelnen Gesellschafter nur für unbewegliche Wirtschaftsgüter zulässig sei. Auf dieser Grundlage erließ das FA für das Streitjahr 1971 einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Dagegen wurde den Klagen stattgegeben.

Zur Zulässigkeit der Klagen führte das Finanzgericht (FG) aus, die Kläger zu 2 und 3 hätten sich zwar der von der Klägerin zu 1 fristgerecht erhobenen Klage erst durch Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG angeschlossen. Die Klagefrist (§ 47 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sei für die Kläger zu 2 und 3 zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen. Die rechtzeitige Klageerhebung durch die Klägerin zu 1 wirke jedoch auch zugunsten der Kläger zu 2 und 3. Denn zwischen den Klägern bestehe eine notwendige Streitgenossenschaft. Deshalb hätten die Kläger zu 2 und 3 gemäß § 59 FGO i.V.m. § 62 Abs.1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) bei der Klageerhebung als durch die "nicht säumige" Klägerin vertreten gegolten.

Die Klagen seien auch begründet. Nach § 14 BerlinFG könnten Steuerpflichtige, die ihren Gewinn mit Hilfe einer ordnungsmäßigen Buchführung ermittelten, auf abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren anstelle der nach § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu bemessenden Absetzung für Abnutzung (AfA) erhöhte Absetzungen bis zu insgesamt 75 v.H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten vornehmen. Bei einer Personengesellschaft, deren Wirtschaftsgüter den einzelnen Gesellschaftern zur gesamten Hand zustünden, müßten nicht alle Gesellschafter in einem Jahr denselben Vomhundertsatz der Vergünstigung in Anspruch nehmen. Es bleibe vielmehr ihnen überlassen, wie weit sie die Vergünstigung ausschöpften. Nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen seien Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustünden, den Beteiligten so zuzurechnen, als wären sie nach Bruchteilen berechtigt (§ 11 Nr.5 des Steueranpassungsgesetzes --StAnpG--). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könnten deshalb Gesellschafter von Personengesellschaften und Miteigentümer von Grundstücksgemeinschaften die Sonderabschreibung nach § 7b EStG in unterschiedlicher Höhe in Anspruch nehmen (Urteil vom 25.November 1965 IV 185/65 S, BFHE 84, 246, BStBl III 1966, 90). Aufgrund dieser Rechtsprechung lasse es die Finanzverwaltung auch zu, daß die Gesellschafter einer Personengesellschaft die erhöhten Absetzungen für Gebäude nach § 14 BerlinFG in unterschiedlichen Sätzen geltend machen können. Es bestehe kein sachlicher Grund, die Möglichkeit erhöhter Absetzungen nach unterschiedlichen Prozentsätzen auf die von der Gesellschaft errichteten Gebäude zu beschränken; eine solche Möglichkeit sei vielmehr auch für die von der Gesellschaft angeschafften oder herstellten beweglichen Wirtschaftsgüter einzuräumen.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Die vom FG für zutreffend erachtete Auslegung des § 14 BerlinFG, wonach den Mitunternehmern einer Personengesellschaft entsprechend ihren unterschiedlichen persönlichen Interessen erhöhte Absetzungen auch für bewegliche Wirtschaftsgüter in Anspruch nehmen könnten, vernachlässige das Praktikabilitätsprinzip. Das vom FG eingeräumte Wahlrecht würde die für die ordentliche Betriebsführung und die Überprüfbarkeit durch die Finanzbehörden erforderliche Übersichtlichkeit und Ordnung in nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Außerdem werde durch diese Auslegung des § 14 BerlinFG der Grundsatz der einheitlichen Gewinnermittlung außer Kraft gesetzt.

Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte insoweit abzuändern, als der Verlustanteil für den Kläger zu 2 auf 91 270,68 DM und für den Kläger zu 3 auf 165 620,68 DM festgestellt wird.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Klagen der Kläger zu 2 und 3 werden als unzulässig abgewiesen. Soweit es sich um das Verfahren der Klägerin zu 1 handelt, wird die Sache an das FG zurückverwiesen.

1. Entgegen der Auffassung des FG sind die von den Klägern zu 2 und 3 erhobenen Klagen unzulässig.

a) Es kann dabei dahinstehen, ob diese Klagen in der vom Gesetz geforderten Form eingelegt wurden.

Eine Klage ist bei Gericht schriftlich zu erheben. Beim FG kann sie auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden (§ 64 Abs.1 FGO).

Möglicherweise erfüllt die vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger zu 2 und 3 in der mündlichen Verhandlung vor dem FG abgegebenen Erklärung, "daß sich die beiden Gesellschafter der von der Klägerin erhobenen Klage anschließen", die Voraussetzungen für die Erhebung einer Klage vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.

b) Jedenfalls aber ist die Klage nicht fristgerecht erhoben worden. Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 47 Abs.1 FGO).

Die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruchsentscheidung) ist im Streitfall der früheren Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu 1 am 5.Dezember 1979 zugestellt worden. Die an diesem Tag beginnende Klagefrist von einem Monat endete gemäß § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs.1 und 2 ZPO am Montag, den 7.Januar 1980. Da die Kläger zu 2 und 3 ihre Klagen erst danach, nämlich am 1.März 1983, erhoben haben, fehlt es an einem fristgerechten Eingang der Klagen.

c) Die Frist für die von den Klägern zu 2 und 3 erhobenen Klagen ist --entgegen der Auffassung des FG-- auch nicht dadurch gewahrt worden, daß die Klägerin zu 1 rechtzeitig --am 3.Januar 1980-- Klage erhoben hat. Die Wahrung der Klagefrist durch die Klägerin zu 1 wirkt nicht zugunsten der Kläger zu 2 und 3.

Die Vorschrift des § 62 ZPO, die nach § 59 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren "sinngemäß anzuwenden" ist, sieht zwar für den Fall der notwendigen Streitgenossenschaft vor, daß die "säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen" werden, "wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird". Diese Vorschrift ist jedoch im Streitfall nicht anwendbar.

Im Bereich des Zivilprozeßrechts kommt die in § 62 ZPO bei Fristversäumnissen vorgesehene Vertretungsfiktion in Betracht, wenn "das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden" kann (ZPO § 62 Abs.1 1.Alternative); hier liegt das notwendige Gemeinsame in der prozessualen Feststellung, in der Urteilswirkung (sog. "uneigentlich notwendige" Streitgenossenschaft). Außerdem ist die Vertretungsfiktion im Säumnisfall vorgesehen bei einer Streitgenossenschaft, "die aus einem sonstigen Grunde" notwendig ist (ZPO § 62 Abs.1 2.Alternative); damit sind die Fälle gemeint, bei denen aus materiell-rechtlichen Gründen mehrere Personen nur gemeinsam klagebefugt sind (z.B. nach § 117 des Handelsgesetzbuches --HGB--). In derartigen Fällen würde einem einzelnen Kläger kraft Gesetzes (oder Vertrages) die Befugnis fehlen, den Streit allein zu betreiben --sog. "eigentlich notwendige" Streitgenossenschaft-- (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 44.Aufl., § 62 Abschn.1; Stettner, Das Verhältnis der notwendigen Beiladung zur notwendigen Streitgenossenschaft im Verwaltungsprozeß, S.15 f., 32).

Im Bereich des finanzgerichtlichen Verfahrens kann die Vertretungsfiktion des § 62 Abs.1 ZPO zur Abwendung der "Säumnis" nur in den Fällen in Betracht kommen, in denen eine gemeinsame Klageerhebung erforderlich ist. In derartigen Fällen soll die Klage eines einzelnen nicht schon daran scheitern, daß die anderen mit ihm gemeinsam zur Klage befugten Personen nicht ebenfalls innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist Klage erhoben haben. In Fällen dagegen, in denen mehrere Personen einzeln klagen können, das streitige Rechtsverhältnis aber gegenüber allen hieran beteiligten Personen nur einheitlich festgestellt werden kann (vgl. ZPO § 62 Abs.1 1.Alternative), ist für die Anwendung der Vertretungsfiktion im finanzgerichtlichen Verfahren kein Raum. Denn für diese Fälle sieht § 60 Abs.3 FGO eine eigene Regelung vor. Wenn "an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt" sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, dann sind diese Personen notwendig beizuladen. Sie werden durch einen Beiladungsbeschluß (§ 60 Abs.4 FGO) am Verfahren beteiligt, wodurch für sie die Rechte und Pflichten eines Beigeladenen (vgl. § 60 Abs.6 und § 135 Abs.3 FGO) entstehen. Damit ist zugleich klargestellt, daß der genannte Personenkreis nicht die Rolle von Klägern einnehmen soll. Deshalb kann für ihn auch nicht die für notwendige Streitgenossen geltende Vertretungsfiktion des § 62 ZPO zum Zuge kommen.

Im Streitfall konnten hiernach die Kläger zu 2 und 3 nicht in entsprechender Anwendung des § 62 Abs.1 ZPO bei der Klageerhebung durch die Klägerin zu 1 als vertreten angesehen werden. Die Klage richtete sich gegen einen Bescheid, der eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte zum Gegenstand hat. In Fällen dieser Art sind zwar möglicherweise mehrere Personen klagebefugt (vgl. § 48 Abs.1 Nr.1 bis 3 FGO); es ist jedoch keine gemeinsame Klage aller Klagebefugten notwendig.

Da die Vertretungsfiktion des § 62 Abs.1 ZPO sonach im Streitfall nicht zum Zuge kommen konnte, sind die Klagen der Kläger zu 2 und 3 mangels fristgerechter Klageerhebung unzulässig.

2. Die Unzulässigkeit der Klagen hat zur Folge, daß die Entscheidung, die das FG über das Klagebegehren der Klägerin zu 1 zu treffen hatte, nicht gegenüber den Klägern zu 2 und 3 wirken kann. Um die Einheitlichkeit der Entscheidung auch ihnen gegenüber zu sichern, hätte das FG die Kläger zu 2 und 3 gemäß § 60 Abs.3 FGO notwendig beiladen müssen.

a) Gemäß § 60 Abs.3 FGO sind Personen, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, zum Klageverfahren notwendig beizuladen, es sei denn, diese Personen sind nach § 48 Abs.1 FGO nicht klagebefugt.

Ist im Rahmen eines Klageverfahrens gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte einer KG nur die Höhe des aus der Handelsbilanz abgeleiteten Steuerbilanzgewinns der KG oder eine andere allein die KG als solche angehende Frage streitig, so ist gemäß § 48 Abs.1 Nr.3 FGO nur die KG, vertreten durch die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter, klagebefugt. Die Klagebefugnis steht auch einer bereits in Liquidation befindlichen KG zu; sie wird allerdings nicht mehr durch die zur Geschäftsführung berufen gewesenen Gesellschafter, sondern durch die Liquidatoren vertreten (BFH-Urteil vom 21.Januar 1982 IV R 146/78, BFHE 135, 386, BStBl II 1982, 506).

Soweit im Rahmen eines Klageverfahrens gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte einer KG eine Frage streitig ist, "die einen Gesellschafter ... persönlich angeht", ist neben der KG (§ 48 Abs.1 Nr.3 FGO) auch dieser Gesellschafter persönlich klagebefugt (§ 48 Abs.1 Nr.2 FGO). Ein solcher Fall ist insbesondere gegeben, wenn ein Gesellschafter einer KG erhöhte Absetzungen auf Wirtschaftsgüter gemäß § 14 BerlinFG nach unterschiedlichen Sätzen in Anspruch nimmt.

b) Im Streitfall hat die Klägerin zu 1 mit ihrer Klage geltend gemacht, daß die Kläger zu 2 und 3 zu einer solchen unterschiedlichen Inanspruchnahme berechtigt gewesen seien. Es geht also um eine die Kläger zu 2 und 3 persönlich betreffende Frage. Die Kläger zu 2 und 3 sind deshalb neben der Klägerin zu 1 gemäß § 48 Abs.1 Nr.2 FGO persönlich klagebefugt. Da das FG --ebenso wie das FA im Rahmen der einheitlichen Feststellung-- auch ihnen gegenüber nur einheitlich entscheiden kann, wäre ihre Beiladung gemäß § 60 Abs.3 FGO notwendig gewesen.

Das Fehlen einer notwendigen Beiladung ist als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens auch ohne Verfahrensrüge zu beachten (BFH-Urteil vom 23.Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746). Dies muß zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG führen, soweit es sich um das Verfahren der Klägerin zu 1 handelt.

3. Zur materiell-rechtlichen Rechtslage bemerkt der Senat --ohne Bindung für das Verfahren vor dem FG-- noch folgendes:

a) Die Absetzungen nach § 14 Abs.1 BerlinFG in Höhe von insgesamt 75 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten können anstelle der normalen AfA (§ 7 EStG) vorgenommen werden. Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, ob er die erhöhten Absetzungen im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts oder in einem der vier folgenden Wirtschaftsjahre in Anspruch nehmen will; er kann die erhöhten Absetzungen auch auf die fünf Wirtschaftsjahre des Begünstigungszeitraums verteilen (Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, K § 14 Tz.103).

Die Inanspruchnahme dieser Steuervergünstigung geschieht im Wege der Bilanzierung. Die Frage, wer das Bilanzierungswahlrecht ausüben kann, richtete sich bis zum Inkrafttreten des § 7a Abs.8 (nunmehr Abs.7) EStG (1.Januar 1976) --mithin also auch für das Streitjahr 1971-- nach den insoweit geltenden allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen.

b) Hiernach ist bei Personenhandelsgesellschaften zur Ermittlung der in § 15 Abs.1 Nr.2 EStG genannten Gewinnanteile der Gesellschafter zunächst ein Betriebsvermögensvergleich für die Gesellschaft durchzuführen; der so ermittelte Gewinn (oder Verlust) ist den Gesellschaftern anteilig zuzurechnen. Grundlage für den Betriebsvermögensvergleich ist die Handelsbilanz der Gesellschaft, aus der gemäß § 5 EStG unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften die Steuerbilanz abzuleiten ist (BFH-Urteil vom 19.Juli 1984 IV R 207/83, BFHE 142, 42, BStBl II 1985, 6). Eine Personengesellschaft unterliegt zwar als solche nicht der Einkommensteuer und ist insoweit nicht Steuersubjekt; steuerpflichtig und damit Steuerschuldner sind die Gesellschafter. "Eine Personengesellschaft ist jedoch für die Einkommensteuer ... insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind" (BFH-Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

Da die Gesellschaft einen einheitlichen Betriebsvermögensvergleich durchführt, sind grundsätzlich auch die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (z.B. hinsichtlich der AfA) einheitlich zu bilanzieren. Auch die steuerlichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte (wie z.B. die Geltendmachung einer sofortigen Abschreibung auf geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs.2 EStG oder eine Teilwertabschreibung) können grundsätzlich nur einheitlich für die Gesellschaft als solche und nicht unterschiedlich für jeden einzelnen Mitunternehmer in Anspruch genommen werden (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl., § 15 Tz.67 a).

Die einheitliche Vornahme von erhöhten Absetzungen ist seit 1975 auch gesetzlich vorgeschrieben (vgl. § 7a Abs.7 Satz 2 EStG; hierzu ausführlich Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7a EStG, Grüne Blätter S.20 ff.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl., § 7a Tz.8).

c) Eine Ausnahme von dem Grundsatz einheitlicher Bilanzierung gilt für personenbezogene Steuervergünstigungen (wie z.B. die Sonderabschreibungen nach § 7e EStG, die nur die dort näher bezeichneten Personengruppen für sich in Anspruch nehmen können) oder für Vergünstigungen, bei denen nur einzelne Mitunternehmer die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllen (wie z.B. die Bildung von steuerfreien Rücklagen nach § 3 des Auslandsinvestitionsgesetzes).

Zu diesen Ausnahmen hat die Rechtsprechung des BFH (Urteil in BFHE 84, 246, BStBl III 1966, 90) auch den Fall gerechnet, daß die Gesellschafter einer Personengesellschaft die Sonderabsetzungen nach § 7b EStG in Anspruch nehmen (ebenso BFH-Urteil vom 25.September 1970 IV R 101/67, BFHE 100, 493, BStBl II 1971, 130); die Finanzverwaltung hat sich dieser --mit den besonderen Eigentümlichkeiten der Sonderabsetzungen nach § 7b EStG begründeten-- Ausnahme angeschlossen (vgl. Abschn.53 Abs.6 der Einkommensteuer-Richtlinien); sie hat die Möglichkeit unterschiedlicher Wertansätze außerdem auch für Sonderabsetzungen nach § 14 BerlinFG auf Gebäude zugelassen (Erlaß des Berliner Senators für Finanzen vom 16.Dezember 1966 III B 11 - S 2065 - 37/66, Steuer- und Zollblatt für Berlin 1966, 1937).

d) Der Senat läßt dahinstehen, ob er sich dieser Auffassung der Finanzverwaltung anschließen könnte. Jedenfalls verträgt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Bilanzierung weitergehende Ausnahmen, wie sie von den Klägern für Sonderabsetzungen nach § 14 BerlinFG auf bewegliche Wirtschaftsgüter begehrt werden, nicht. Für derartige Ausnahmen fehlt es an einer hinreichenden rechtlichen Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61109

BStBl II 1986, 910

BFHE 147, 224

BFHE 1987, 224

DB 1986, 2645-2647

DStR 1986, 836-836 (ST)

HFR 1987, 27-29 (ST)

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