Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur steuerlichen Behandlung von Kosten zur Erlangung des Doktorgrades.

Die Kosten, die ein im Innendienst eines Unternehmens tätiger Dipl.-Landwirt für seine Doktorarbeit aufwendet, sind keine Werbungskosten, auch wenn er sie macht, um nach dem Erwerb des Doktortitels eine zugesagte bessere Stellung im Außendienst des Unternehmens zu bekommen.

 

Normenkette

EStG § 9 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Stpfl. schloß im Jahre 1964 sein landwirtschaftliches Studium mit dem Diplomexamen ab. Er ist seitdem in einem Unternehmen der Düngemittelindustrie in der Verkaufswerbung und Beratung im Innendienst tätig. Im Herbst 1964 begann er mit seiner Doktorarbeit. Die Arbeit steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner jetzigen beruflichen Tätigkeit. Zur Vorbereitung der Doktorarbeit hat der Stpfl. mehrere Reisen im Inland und im Ausland unternommen und ist wiederholt zu Besprechungen zu seinem "Doktorvater" gereist. Die Kosten von 2.263 DM hat er als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht. Das FA ließ die Kosten nicht zum Abzug zu, weil es sie als Kosten der Berufsausbildung ansah.

Die Klage des Stpfl. hatte Erfolg. Das FG führte aus, vor einigen Jahrzehnten möge es berechtigt gewesen sein, das Doktorexamen als eine persönliche und private Angelegenheit zu betrachten. Die Verhältnisse hätten sich aber geändert. Wer eine leitende Stellung in der Wirtschaft oder eine Tätigkeit im Außendienst eines Unternehmens anstrebe, komme mit dem Doktortitel besser vorwärts. Es sprächen also berufliche Gründe für die Promotion. Das gelte besonders für den Stpfl., dem sein Arbeitgeber eine bessere Stellung im Außendienst in Aussicht gestellt habe, wenn er den Doktortitel erwerbe. Daß der Doktortitel zugleich den privaten Lebensbereich eines Stpfl. berühre, sei unter diesen Umständen ohne Bedeutung. Ausbildungskosten seien die Promotionskosten im Streitfall nicht. Der Stpfl. habe nach dem Besuch der Volksschule eine landwirtschaftliche Lehre und nach der Gehilfenprüfung ein Gehilfenjahr absolviert, anschließend ein landwirtschaftliche Schule besucht und diese als staatlich geprüfter Landwirt verlassen. Nach eineinhalbjähriger Tätigkeit als landwirtschaftlicher Beamter einer Domäne habe er im Frühjahr 1960 das Studium der Landwirtschaft an einer Hochschule in Berlin begonnen, an der er im Jahre 1964 das Diplomexamen abgelegt habe. Seitdem sei er Angestellter in der Düngemittelindustrie. Unter diesen Umständen könne man die Promotion nicht mehr als Teil der Berufsausbildung ansehen. Da der Stpfl. nach der Ablegung des Doktorexamens auch nicht ernsthaft einen Berufswechsel anstrebe, seien die streitigen Beträge Werbungskosten in dem jetzt ausgeübten Beruf als Angestellter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision mit der das FA die Verletzung der §§ 9 und 12 Nr. 1 EStG rügt, muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH sind die Aufwendungen für die Doktorprüfung weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer zu berücksichtigen (Urteile IV 28/52 U vom 6. März 1952, BFH 56, 730, BStBl III 1952, 280; VI 7/56 U vom 20. September 1957, BFH 65, 498, BStBl III 1957, 424; IV R 266/66 vom 16. März 1967, BStBl III 1967, 723). Der Senat hat in der Grundsatzentscheidung VI R 88/66 vom 7. August 1967 (BStBl III 1967, 777) nach erneuter Prüfung an dieser Rechtsauffassung festgehalten. Er betrachtet die Doktorprüfung gewissermaßen als Schlußexamen der akademischen Studien. Da der Besuch der Universität der Berufsausbildung und nicht der Fortbildung zu einem ausgeübten Beruf dient, gehören die Kosten der Promotion ebenso wie die Studienkosten selbst grundsätzlich zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht berücksichtigungsfähigen Kosten der Lebenshaltung. Wenn die Eltern das Studium ihres Kindes finanzieren, so erhalten sie einen Kinderfreibetrag nach § 32 EStG, durch den die Studienkosten einschließlich der Promotionskosten abgegolten sind. Trägt der Student die Kosten selbst, so sind sie für ihn bei der Einkommensteuer nach § 12 Nr. 1 EStG nicht berücksichtigungsfähige Kosten der Lebenshaltung, und zwar in der Regel auch bei einem Werkstudenten (Urteil VI 307/61 vom 24. August 1962, Der Betrieb 1962 S. 1492; VI 5/65 vom 25. Januar 1966, BFH 84, 543, BStBl III 1966, 198).

Mit der Dissertation soll der Doktorand den Nachweis erbringen, daß er in seinem Studienfach wissenschaftlich arbeiten kann. Der begrenzte Rahmen seiner Doktorarbeit ist aber im allgemeinen nicht geeignet, die während des Studiums erworbenen Kenntnisse auf breiter Grundlage zu vertiefen, um ihm für seine spätere Berufstätigkeit von wesentlichem Nutzen zu sein. Das kommt in der Regel schon deshalb nicht in Betracht, weil ein Student, der im Anschluß an ein Diplom- oder Staatsexamen promoviert, meist nicht übersehen kann, in welchem Ausschnitt eines Fachgebiets er später beruflich tätig sein wird, so daß das Thema der Dissertation im allgemeinen nicht im Hinblick auf die spätere Berufsarbeit gewählt wird. Aber selbst wenn das ausnahmsweise der Fall sein sollte und eine Fortbildung angenommen werden könnte, müßten die Promotionskosten nach § 12 Nr. 1 EStG zu den steuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Kosten der privaten Lebenshaltung gerechnet werden.

Die Promotion erfolgt in vielen Fällen im unmittelbaren Anschluß an das Staats-, das Diplom- oder ein sonstiges Universitätsabschlußexamen. In diesen Fällen ist der Zusammenhang mit der akademischen Berufsausbildung besonders deutlich. Ebenso ist dies bei Studiengebieten, die eine solche Abschlußprüfung nicht kennen und bei denen das Doktorexamen der eigentliche Abschluß des Studiums ist. Nicht anders liegt es aber bei einem Steuerpflichtigen, der aus irgendwelchen Gründen nicht unmittelbar nach dem Verlassen der Hochschule promoviert, sondern erst in mehr oder weniger großem zeitlichem Abstand nach der Beendigung des Studiums. Es wäre mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren, Steuerpflichtige, die die Kosten der Promotion aus ihrem Einkommen bestreiten, steuerlich besser zu stellen als Steuerpflichtige, bei denen wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs der Promotion mit dem Studium die Zugehörigkeit der Promotionskosten zu den Ausbildungskosten offenkundig ist. Der Senat hat deshalb in dem Grundsatzurteil VI R 88/66 vom 7. August 1967 entschieden, daß bei einem Juristen, der nach der Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung zwei Jahre eine wissenschaftliche Assistentenstelle an einer Universität verwalte, dann als Sekretär einer Rektorenkonferenz tätig war, und der vier Jahre nach der Ablegung der zweiten Staatsprüfung promovierte, die Kosten der Promotion keine Werbungskosten seien.

Aber selbst wenn man die Ablegung der Doktorprüfung als berufliche Fortbildung ansehen könnte, so würden bei einem bereits berufstätigen Akademiker die Promotionskosten keine Werbungskosten sein können. Dem akademischen Grad des Doktors kommt gesellschaftlich besondere Bedeutung zu. Das FG meint zwar, gegenwärtig werde der Doktortitel nicht mehr vorwiegend aus persönlichen Gründen erworben. Die Ausführungen des Stpfl. widerlegen jedoch diese Auffassung. Wenn der Stpfl. mindestens früher als sonst mit einer besser bezahlten Stellung im Außendienst seines Arbeitgebers rechnen kann, sofern er den Doktortitel erwirbt, so beweist das, daß der akademische Grad in der Wirtschaft auch jetzt noch hoch gewertet wird. Er weist den Träger dieses Titels als Akademiker aus und viele Unternehmen der Industrie und des Handels legen hierauf erfahrungsgemäß Wert. Das beruht auf überkommenen gesellschaftlichen Auffassungen, die auch bei der Besteuerung nicht außer Betracht bleiben können. Diese gesellschaftliche Wertung ist der Hauptgrund oder jedenfalls mitbestimmend für die Bedeutung, die der Doktortitel für das Fortkommen in der Privatwirtschaft und auch für selbständig Tätige hat. Die Verbesserung des gesellschaftlichen Ansehens, die ein Steuerpflichtiger mit der Promotion erstrebt, bedeutet, daß die zur Ablegung dieser Prüfung gemachten Aufwendungen mindestens teilweise zum Bereich der privaten Lebensführung rechnen. Da eine Aufteilung der Promotionskosten in einem beruflichen und einen privaten Teil nicht möglich ist, müssen die Promotionskosten auch im Streitfall nach § 12 Nr. 1 EStG voll den steuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Kosten der Lebenserhaltung zugerechnet werden.

Das Urteil des FG, das auf einer anderen rechtlichen Würdigung beruht, war demnach aufzuheben. Da die Einspruchsentscheidung zutreffend den Abzug der streitigen Promotionskosten abgelehnt hat, mußte die Klage des Stpfl. abgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412725

BStBl III 1967, 779

BFHE 1968, 34

BFHE 90, 34

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