Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 kann ein Unternehmen den auf die Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen entfallenden Teil des Gewerbeertrags von seinem Gewinn und den Hinzurechnungen im Sinne des § 8 GewStG 1962 nur abziehen, wenn die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes seine Haupttätigkeit bildet und die Errichtung sowie Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen demgegenüber eine Nebentätigkeit von nur untergeordneter Bedeutung bildet.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; GewStG § 9 Nr. 1 S. 2

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 20.03.1969; Aktenzeichen 1 BvR 538/67)

 

Tatbestand

Die Stpfl., eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, wurde gegründet, um auf einem Grundstück in A ein Gebäude mit 29 Eigentumswohnungen zu errichten und zu verkaufen. Die Wohnungen wurden im Jahre 1961 gebaut und im Jahre 1962 für insgesamt etwa 1,5 Mio DM veräußert. Die Stpfl. behielt eine Teilfläche von 15 qm (rd. 1,14 % der Gesamtfläche) zurück, die sie für etwa 500 DM jährlich an die Stadtverwaltung vermietete, die darauf eine Trafo- Station errichtete. Das FA stellte bei der Veranlagung 1962 einen erheblichen Gewinn fest und setzte diesen Betrag bei der Feststellung des Gewerbesteuermeßbetrages als Gewerbeertrag an. Die Stpfl. meint, der nach § 7 GewStG 1961 maßgebende Gewinn sei gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 um den Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen zu kürzen; der Gewerbeertrag betrage daher nur etwa 4.000 DM. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG wies die Berufung in seinem in EFG 1965, 596 veröffentlichten Urteil als unbegründet zurück. Es führte aus, Personengesellschaften könnten nach dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Veräußerung der Wohnungen entfällt, vom Gewinn abziehen, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen oder daneben Eigentumswohnungen bauen und veräußern. Aus den Worten "ausschließlich" und "daneben" sei zu entnehmen, daß die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes die Haupttätigkeit des Unternehmens bilden müsse. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt. Die Vermietung einer Fläche von 15 qm sei so unbedeutend, daß sie wirtschaftlich nicht ins Gewicht falle. Der Bau und die Veräußerung von Eigentumswohnungen sei keine Verwaltung und Nutzung von Grundbesitz.

Mit der Revision rügt die Stpfl. unrichtige Anwendung von Bundesrecht. Sie bestreitet ihre Gewerbesteuerpflicht, weil sie nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen habe, da ihre Gesellschafterin, die X GmbH, bei der Werbung der Kaufinteressenten im eigenen Namen aufgetreten sei. Sie habe auch nicht nachhaltig gehandelt, da sie nur eine Wohnungseigentumsanlage geschaffen und veräußert habe. Alle Planungs-, Finanzierungs-, Bau- und Veräußerungsmaßnahmen bildeten organisatorisch, technisch und finanziell eine Einheit. Zumindest aber sei ihr Gewinn um den auf die Veräußerung der Eigentumswohnungen entfallenden Teil des Gewinns zu kürzen. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1961 enthalte bezüglich des Baues und der Veräußerung von Eigentumswohnungen einen selbständigen Begünstigungstatbestand (so FG Nürnberg im Urteil vom 20. Mai 1965, EFG 1965, 442, und Hofbauer in Deutsches Steuerrecht 1964 S. 10 und 1965 S. 67). Die Anwendung der Vergünstigungsvorschrift setze nicht voraus, daß daneben eigener Grundbesitz verwaltet und genutzt werde. Das ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des StändG vom 18. Juli 1958 (BStBl I 1958, 429), das den § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in der Fassung des Regierungsentwurfs wesentlich erweitert habe. Die frühere Regelung habe zur Vermeidung einer gleichzeitigen doppelten Belastung des Grundbesitzes mit Grund- und Gewerbesteuer den Teil des Gewerbeertrags von der Gewerbesteuer befreit, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfalle. Davon sei auch der Regierungsentwurf noch ausgegangen. Er habe diese Vergünstigung nur auch auf Unternehmen ausdehnen wollen, die neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen bauen und veräußern. Der Finanzausschuß des Bundestages habe jedoch den Entwurf entscheidend geändert, indem er auch die Gewinne aus der Veräußerung dieser Bauobjekte von der Gewerbesteuer befreite. Es handele sich trotz des etwas unklaren Wortlauts um einen selbständigen Begünstigungstatbestand, der selbständig neben den anderen Tatbeständen dieser Vorschrift stehe. Beide Tatbestände dienten verschiedenen gesetzgeberischen Zwecken. Während der Gesetzgeber mit dem einen Tatbestand offensichtlich den Wohnungsbau begünstigen wolle, erstrebe er mit dem anderen Tatbestand, die Doppelbelastung des Grundbesitzes mit Grund- und Gewerbesteuer zu vermeiden. Der Finanzausschuß habe offensichtlich nur übersehen, die durch diese änderung gegenstandslos gewordenen Worte "ausschließlich" und "daneben" im Regierungsentwurf zu streichen. Diese Auslegung werde auch bestätigt durch die Begründung des Finanzausschusses zum änderungsvorschlag. Sie stimme auch überein mit der Erläuterung der Bundesregierung in Abschn. 62 Abs. 1 Nr. 2 GewStR 1958/61. Entsprechend dieser Verwaltungsanweisung hätten die Finanzverwaltungsbehörden jahrelang die Gewinne aus der Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen auch tatsächlich gewerbesteuerfrei gelassen. In den im Jahr 1964 im Einvernehmen mit dem BdF ergangenen Erlassen der Länder (sog. koordinierten Ländererlassen), z. B. den Erlaß der Finanzbehörde Hamburg vom 20. August 1964 in Der Betrieb 1964 S. 1316, vertrete die Finanzverwaltung erstmalig den Standpunkt, daß neben den Bau und die Veräußerung dieser Objekte auch eine Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes "nicht nur von untergeordneter Bedeutung" treten müsse. Aber die Bundesregierung habe trotzdem Abschn. 62 Abs. 1 Nr. 2 GewStR bisher nicht geändert. Wegen dieser Unklarheit wendeten manche Fä Abschn. 62 Abs. 1 Nr. 2 GewStR an, andere hingegen die koordinierten Ländererlasse. Im übrigen ließen die Ländererlasse die Frage offen, nach welchen Grundsätzen denn das Verhältnis zwischen der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes sowie dem Bau und der Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen zu bestimmen sei. Diese verschiedenen Tätigkeiten seien gar nicht zueinander in Beziehung zu bringen; denn das Ergebnis hänge maßgeblich von dem angewandten Beurteilungsmaßstab ab. Es würde auch gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen, wenn man ein Unternehmen von der auf die Veräusserungsgewinne entfallenden Gewerbeertragsteuer befreien würde, nur weil es gelegentlich einmal Wohnungen gebaut habe und diese seitdem vermiete.

Der BdF, der dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten war, führte aus, § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG habe ursprünglich nur dem Zweck gedient, den Tatbestand des Satzes 1 (Kürzung des Gewinns um 3 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) auf Kapitalgesellschaften, die eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, entsprechend zu übertragen. Die mehreren späteren änderungen dieser Vorschrift hätten diesen Befreiungstatbestand nur auf andere Unternehmen ausdehnen wollen. Diesem Zweck habe auch der Regierungsentwurf 1958 dienen wollen. Der Finanzausschuß des Bundestages habe den Entwurf allerdings dahin geändert, daß der Gewinn ebenfalls um den Teil des Gewerbeertrages zu kürzen sei, der auf diese Veräusserungsgewinne von Eigenheimen usw. entfalle. Diese Vergünstigung setze aber nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes voraus, daß daneben eigener Grundbesitz verwaltet und genutzt werde. Eine andere Auslegung könne man auch der Begründung des änderungsvorschlages des Finanzausschusses des Bundestags nicht entnehmen, in der es lediglich heiße: "Der Finanzausschuß stimmt diesem Antrag zu, um für alle Unternehmen eine gleiche Wettbewerbslage zu schaffen" (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Ziff. 72 des Berichts zu Drucksache 448). Die Protokolle über die Plenarsitzungen des Bundestages und des Bundesrates besagten zu dieser Frage nichts. Dem Abschn. 62 Abs. 1 Nr. 2 GewStR liege keine andere Rechtsauslegung zugrunde. Zu einer änderung der vielleicht mißverständlichen Verwaltungsanweisung habe kein Anlaß bestanden, da die Zweifelsfragen bei der Auslegung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in den koordinierten Ländererlassen geregelt worden seien. In welchem Verhältnis die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes zu dem Bau und der Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen stehen müsse, sei nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zur Gewerbesteuerpflicht der Stpfl.

Der Senat hat im Urteil VI 199/65 vom 7. April 1967 (BFH 88, 450) entschieden, wie gewerbliche Tätigkeit und private Vermögensverwaltung gegeneinander abzugrenzen sind. Die Grundsätze dieses Urteils gelten auch für den Streitfall. Die Stpfl. hat das Grundstück nicht erworben, um Kapital anzulegen oder aus der Vermietung von Wohnungen laufende Einnahmen zu erzielen. Sie wollte vielmehr durch eine planvolle und umfassende Organisation durch den Kauf des Grundstücks, den Bau der Anlage von 29 Eigentumswohnungen und die Veräußerung dieser Wohnungen Gewinne erzielen und ihr Vermögen vermehren. Die Planung und Ausführung eines Großobjekts von 1,5 Mill. DM, die Beschaffung der Fremdgelder und der Verkauf von 29 Eigentumswohnungen erfordern soviel an Zeit und Arbeit, daß die Stpfl. ihr Ziel innerhalb von etwa zwei Jahren vom Kauf des Grundstückes bis zum Verkauf der letzten Eigentumswohnung nur durch intensive und nachhaltige Tätigkeit erreichen konnte. Die Nachhaltigkeit ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Stpfl. sich auf ein einziges großes Bauobjekt beschränkte. Die Stpfl. hat in diesen zwei Jahren auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Ihre Bilanzen zeigen, daß sie insbesondere manche "Behördenleistungen" in Anspruch genommen und viele "Warenlieferungen und (sonstige) Leistungen" von Dritten bezogen hat. Ihre Behauptung, sie sei bei der Werbung der Kaufinteressenten nach außen hin nicht in Erscheinung getreten, kann als neue Tatsache im Revisionsverfahren nicht beachtet werden. Im übrigen würde das die Teilnahme der Stpfl. am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht ausschließen, da die Kaufinteressenten den Namen der Stpfl. spätestens beim Abschluß der notariellen Kaufverträge erfahren haben dürften.

Zur Kürzung des Gewinns nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG

Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 tritt "an Stelle der Kürzung nach Satz 1 (d. h. des Abzugs von 3 v. H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen ... errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes, auf die Betreuung von Wohnungsbauten und die Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen entfällt".

Geht man vom Wortlaut aus, so kann ein Unternehmen vom Gewinn und den Hinzurechnungen im Sinne des § 8 GewStG nur dann den auf die Veräußerung von Kleinsiedlungen, Kaufeigenheimen und Eigentumswohnungen entfallenden Teil des Gewerbeertrages abziehen, wenn es zugleich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt, wie sich aus den Worten "ausschließlich", "daneben" und "neben" ergibt, mit denen der Gesetzgeber die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes in Beziehung zu den übrigen, in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 erwähnten Tätigkeiten gesetzt hat. Der Gesetzgeber hat vor den Worten "Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen ... errichten und veräußern" zwar das Wort "oder" und nicht auch das Wort "daneben" oder "neben" gebraucht. Dies geschah offensichtlich jedoch nur, um die Worte "daneben" oder "neben" nicht noch einmal zu wiederholen. Zu Recht weist das FG auf den Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1957 hin, in dem das Wort "daneben" noch unmittelbar vor den Worten "Kaufeigenheime ... usw." stand. Dieser Zusammenhang wurde nur durchbrochen, weil zwischen diese Worte durch das GewStG 1961 noch die Betreuung von Wohnungsbauten als weitere begünstigte Tätigkeit eingefügt wurde.

Es ist der Stpfl. zuzugeben, daß aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht alle Zweifelsfragen klar zu beantworten sind. So ist aus den Worten "ausschließlich", "daneben" und "neben" nicht eindeutig zu erkennen, welche Bedeutung die einzelnen Tätigkeiten innerhalb des Unternehmens haben müssen. Zweifelhaft ist auch der Zweck der Vorschrift. Mit der Stpfl. kann man wohl annehmen, daß der Gesetzgeber durch das StändG 1958 die Gewinne aus der Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen deshalb von der Gewerbesteuer befreite, um den Wohnungsbau zu fördern. Offen bleibt jedoch, wie sich diese Absicht des Gesetzgebers in den übrigen Sinn dieser Vorschrift einfügen läßt und ob deshalb § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 vielleicht gegen seinen Wortlaut auf alle Unternehmen auszudehnen ist, die Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen errichten und veräußern, wie die Stpfl. es begehrt.

Diese Zweifelsfragen, die der Wortlaut aufwirft, müssen die Steuergerichte unter Berücksichtigung der Systematik des Gesetzes und der Entwicklungsgeschichte des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG beantworten.

Wie alle Beteiligten zutreffend annehmen, wollte der Gesetzgeber durch § 9 Nr. 1 GewStG 1936 (und später) verhindern, daß der zum Betriebsvermögen gehörende Grundbesitz eines Unternehmens mit Grundsteuer und Gewerbesteuer, den beiden Realsteuern des deutschen Steuersystems, doppelt belastet wird. Nach Satz 1 waren bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Gewinn und die Hinzurechnungen im Sinne des § 8 GewStG um 3 v. H. des Einheitswerts des Grundbesitzes zu kürzen. Dieser Betrag sollte die Belastung der Grundstückserträge mit der Grundsteuer pauschal abgelten. Unter diese Vorschrift fallen auch Kapitalgesellschaften mit ihrem Grundbesitz. Darüber hinaus gestattet Satz 2 dieser Vorschrift, daß Kapitalgesellschaften, die "aus- schließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz noch eigenes Kapitalvermögen" verwalten und nutzen, statt der Kürzung von 3 v. H. des Einheitswerts des Grundbesitzes den tatsächlich erzielten Gewerbeertrag abzuziehen, es sei denn, daß der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder einem Unternehmen diente, an dem ein Gesellschafter wesentlich beteiligt ist. Der Gesetzgeber wollte damit Kapitalgesellschaften, die ohne Rücksicht auf die Art ihrer Tätigkeit stets gewerbesteuerpflichtig sind, den Einzelpersonen gleichstellen, die mit den Erträgen aus der Verwaltung und Nutzung privaten Grundbesitzes nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Soweit jedoch die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bei Einzelpersonen einen Gewerbebetrieb bildet, sollte eine solche Tätigkeit auch bei Kapitalgesellschaften nicht nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1936 begünstigt sein (Blümich-Boyens, Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., 1938, § 9 Anm. 4; Abschn. 62 Abs. 4 Satz 3 GewStR 1955). Die Vergünstigung galt anfangs nur für Grundstücksverwaltungsgesellschaften in Form der Kapitalgesellschaft; diese mußten die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes als Haupttätigkeit haben. Dabei schadete es jedoch nicht, wenn als Nebentätigkeit auch noch Kapitalvermögen verwaltet und genutzt wurde. Befreit waren aber nur die Nutzungen aus dem Grundstück und nicht die aus dem Kapitalvermögen.

Während § 9 Nr. 1 Satz 1 im GewStG 1950 nur unwesentlich ergänzt wurde und seitdem unverändert blieb, wurde Satz 2 bis zum Streitjahr 1962 mehrfach erweitert. Die Vergünstigung des Satzes 2 wurde zunächst in § 21 der Ersten GewStDV vom 26. Februar 1937 (RGBl I 1937, 257) auf Wohnungs- und Baugenossenschaften ausgedehnt (§ 23 der Zweiten GewStDV vom 20. Februar 1938, RGBl I 1938, 209, und § 23 GewStDV 1950) und später in den Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1955 übernommen. Dadurch änderte sich aber der Charakter der Vorschrift als einer Sonderregelung für Grundstücksverwaltungsgesellschaften nicht.

Bedeutsamer war die Erweiterung durch das StändG 1958. Wie der BdF bestätigt, sollte durch den Regierungsentwurf nur der Kreis der Antragsberechtigten auf Personengesellschaften und die Gesellschaften erweitert werden, die neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen errichten und veräußern. Ihren Entwurf begründete die Bundesregierung wie folgt (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 260 S. 65):

"a) Außer der Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens soll künftig auch die Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen die Anwendung der bezeichneten Steuervergünstigung nicht ausschließen. Das ist zur Förderung der Errichtung von Kaufeigenheimen usw. erforderlich, weil sonst ein Wohnungsunternehmen, das durch Anwendung der Vergünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG im Ergebnis zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag nicht herangezogen wird, den Gewerbeertrag lediglich deshalb versteuern müßte, weil es Kaufeigenheime usw. errichtet und veräußert.

Aus Billigkeitsgründen ist bisher schon so verfahren worden (vgl. Abschn. 62 Abs. 4 GewStR 1955).

Wird § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG in der vorgesehenen Weise ergänzt, dann ist es erforderlich, die Personengesellschaften zur Gleichstellung mit den Kapitalgesellschaften und Wohnungs- und Baugenossenschaften in die Regelung einzubeziehen. Bisher ist die Gleichstellung dadurch gewahrt, daß Personengesellschaften bei Vorliegen des Tatbestandes des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG der Gewerbesteuer nicht unterliegen, da sie mit der Verwaltung und Nutzung von Grundbesitz und Kapitalvermögen lediglich eine Vermögensverwaltung und keine gewerbliche Tätigkeit ausüben. Da die Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen usw. aber eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, würden die Personengesellschaften in diesem Fall steuerpflichtig und müßten ihren gesamten Ertrag (nach Abzug von 3 v. H. des Einheitswerts des Grundbesitzes) versteuern, wenn sie nicht in die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG einbezogen würden."

Aus der Begründung zu b) ist zu entnehmen, daß die Errichtung und Veräußerung der Kaufeigenheime usw. unschädlich sein sollte, auch wenn sie nachhaltig und damit ihrem Wesen nach gewerblich war. Aus den Ausführungen zu b) ergibt sich ferner, daß der Bau und Verkauf von Kaufeigenheimen usw. nur eine Nebentätigkeit der Grundstücksverwaltungsgesellschaft sein konnte; denn es muß sich auch weiterhin um "ein Wohnungsunternehmen (handeln), das durch die Anwendung der Vergünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 3 (jetzt Satz 2) GewStG nach dem Gewerbeertrag nicht herangezogen wird, den Gewerbeertrag (aber) lediglich deshalb versteuern müßte, weil es Kaufeigenheime usw. errichtet und veräußert". Das wird auch durch den Hinweis der Bundesregierung auf den bisherigen Abschn. 62 Abs. 4 GewStR 1955 bestätigt, in dem der BdF "bis zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung" diese Tätigkeit "aus Billigkeitsgründen" ebenfalls "als unschädlich" angesehen hatte. "Unschädlich" konnte aber nur eine Handlung sein, die den Charakter des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1955 als einer Sonderregelung für Grundstücksverwaltungsgesellschaften nicht berührte; denn Verwaltungsanweisungen können den Wesensgehalt einer gesetzlichen Vorschrift nicht ändern.

Unstreitig ist der Finanzausschuß des Bundestages über diesen Regierungsentwurf hinausgegangen und hat die Kürzung des Gewerbeertrages auch um den Teil des Gewerbeertrages gestattet, der auf die Betreuung und Veräußerung von Eigenheimen, Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen entfällt. Diese änderung entsprach ohne Zweifel nicht der bisherigen Zwecksetzung der Vorschrift, die Doppelbelastung der Grundbesitzer mit Grund- und Gewerbesteuer auszuschließen. Mit der Neuregelung sollte vielmehr der Wohnungsbau gefördert werden.

Es besteht aber kein Anhalt, daß der Gesetzgeber mit der neuen zusätzlichen Zwecksetzung den Charakter der bisherigen Vorschrift so grundlegend ändern wollte, daß die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes nicht mehr die Haupttätigkeit zu sein brauchte. Eine solche Auslegung ließe sich auch nicht mit den unverändert gebliebenen ersten Worten dieses Satzes ("anstelle der Kürzung nach Satz 1 ...") vereinbaren, die weiterhin auf die enge Verbindung aller Tatbestände dieser Vorschrift hinweisen.

Entgegen der Ansicht der Stpfl. kann aus dem unterschiedlichen Zweck der beiden Vergünstigungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 (bzw. 3) GewStG auch nicht der Schluß gezogen werden, der Gesetzgeber habe in dieser Vorschrift zwei voneinander klar getrennte und selbständige Tatbestände schaffen wollen. Eine solche Absicht läßt sich aus dem folgenden einzigen und dazu unklaren Satz, mit dem der Finanzausschuß des Bundestages seinen änderungsvorschlag begründete, nicht entnehmen: "Der Finanzausschuß stimmt diesem Antrag zu, um für alle Unternehmen eine gleiche Wettbewerbslage zu schaffen." Dieser Satz läßt nicht erkennen, ob der Ausschuß damit "alle Unternehmen" einander gleichstellen wollte, die Eigenheime, Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen bauen und veräußern, oder ob er damit nur "alle Unternehmen", die sich mit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes und daneben mit dem Bau und der Veräußerung dieser Bauobjekte beschäftigen, nicht schlechter stellen wollte als andere Unternehmen, die sich auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes beschränken. Hätte der Finanzausschuß alle Unternehmen, die Kaufeigenheime usw. bauen und veräußern, mit dem daraus erzielten Gewinn von der Gewerbesteuer freistellen wollen, so hätte er dies nach den üblichen Regeln der Gesetzestechnik durch eine besondere Ziffer zum Ausdruck gebracht. Er hätte wohl auch bei der finanziellen Tragweite einer solchen Vorschrift für die Steuerpflichtigen und die steuerberechtigten Gemeinden seine Entscheidung näher begründet. Dafür, daß der Finanzausschuß gewissermaßen im Vorbeigehen eine so weittragende Finanzielle Entscheidung treffen wollte, die das bisherige System wesentlich veränderte, liegt kein greifbarer Anhalt vor. Im übrigen würde auch nicht maßgebend sein, welche Vorstellungen der Finanzausschuß oder einzelne seiner Mitglieder bei der Beratung des Gesetzentwurfs gehabt haben. Es kommt vielmehr auf den gesetzgeberischen Willen des Bundestages und Bundesrates an. Diesen Gremien hat jedoch neben dem einen - vielleicht mißverständlichen - Satz, mit dem der Finanzausschuß seinen änderungswunsch begründete, der Wortlaut des Regierungsentwurfs und seiner Begründung und der Text des änderungsvorschlags zur Beschlußfassung vorgelegen. Da das Plenum des Bundestages und Bundesrates diese Vorlagen nicht mehr erläutert oder diskutiert haben, muß angenommen werden, daß sie das Gesetz im Sinne seines Wortlauts verabschiedet haben. Das gilt besonders für den Bundesrat. Hätten die im Bundesrat vertretenen Länder die änderung des GewStG so aufgefaßt, wie die Stpfl. es jetzt will, so hätten sie angesichts des tiefen Eingriffs in das System der Gewerbesteuer und des Ausfalls an Gewerbesteuer für die Gemeinden kaum ohne weiteres dem Beschluß des Finanzausschusses zugestimmt.

§ 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG 1957 in der Fassung des StändG 1958 ist daher nach seiner Entstehungsgeschichte und der Systematik des Gesetzes so auszulegen, daß Gesellschaften die Vergünstigungen dieser Vorschrift nur beanspruchen konnten, wenn sie als Haupttätigkeit eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen und ggf. als gewerbliche Nebentätigkeit Kaufeigenheime usw. errichten und veräußern oder Kapitalvermögen verwalten und nutzen. Dem steht nicht entgegen, daß Abschn. 62 Abs. 1 Nr. 2 GewStG 1958/61 und die koordinierten Ländererlasse (a. a. O.) diese Bestimmung etwas anders auslegen. Der Senat ist an diese Verwaltungsanweisungen nicht gebunden.

Im gleichen Sinn ist auch § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 anzuwenden, wie das FG es getan hat. Das GewStG 1961 hat den Kreis der Antragsberechtigten zwar auf alle Unternehmensformen ausgedehnt und auch die Betreuung von Wohnungsbauten in den Wortlaut übernommen. Hierdurch hat sich jedoch der Wesensgehalt dieser Vorschrift ebensowenig geändert wie durch den in § 9 Nr. 1 GewStG 1962 eingefügten Satz 3, der den Bau und die Veräußerung von Eigentumswohnungen der damit verbundenen Errichtung und Veräußerung von Teileigentum gleichstellte.

Zu der Frage, nach welchen Maßstäben Haupt- und Nebentätigkeit zu bestimmen sind, braucht der Senat im Streitfall nicht Stellung zu nehmen. Jedenfalls darf der Bau und die Veräußerung von Kaufeigenheimen usw. im Rahmen des gesamten Unternehmens nur von untergeordneter Bedeutung sein. Jede andere Auslegung wäre mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, da kein vernünftiger Grund besteht, Unternehmer, die nur Kaufeigenheime usw. bauen und veräußern, also den Wohnungsbau zumindest in gleichem Masse fördern, bei der Erhebung der Gewerbesteuer wesentlich schlechter zu stellen als andere Unternehmer, die daneben noch in mehr oder minder großem Umfang Grundbesitz verwalten.

In übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall den Gewinn der Stpfl. nicht um den Gewerbeertrag gekürzt, der auf die Veräußerung der Eigentumswohnungen entfiel. Zweck des Unternehmens war nicht die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes, sondern ausschließlich die Errichtung und Veräußerung dieser Wohnungen. Die Vermietung einer Fläche von 15 qm konnte das FG als ganz unbedeutend außer Betracht lassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412543

BStBl III 1967, 559

BFHE 1967, 130

BFHE 89, 130

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