Leitsatz (amtlich)

Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein Grundstück mit einem im Zeitpunkt des Erwerbs objektiv wertlosen Gebäude, das er nach dem Erwerb abbricht, so entfällt der volle Anschaffungspreis auf den Grund und Boden. Die Aktivierung eines Teiles des Anschaffungspreises beim Gebäude und die Abschreibung des Restbuchwerts bei Abbruch des Gebäudes sind in diesem Falle nicht zulässig.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 6 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 7 Abs. 1 S. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Restbuchwert eines vom Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) im Jahre 1957 erworbenen und im Jahre 1961 abgebrochenen Gebäudes zu Lasten des Betriebsergebnisses abgeschrieben werden kann oder in die Anschaffungskosten für den Grund und Boden oder in die Herstellungskosten des in den Jahren 1961 und 1962 errichteten Neubaues eingehen muß.

Der Steuerpflichtige, der als Heimatvertriebener zunächst in gepachteten Räumen eine Apotheke betrieb, hatte im Jahre 1957 von einer Erbengemeinschaft ein Grundstück für sich und seine Ehefrau zu je hälftigem Miteigentum erworben. Auf diesem Grundstück befand sich ein im Jahre 1867 erbautes eingeschossiges Wohnhaus mit Stall und Scheune, die früher einem landwirtschaftlichen Anwesen gedient hatten. Das Erdgeschoß des Wohnhauses (mit einem großen und einem kleinen Wohnraum sowie einer Notküche) war bis zu ihrem Tode noch von der Erblasserin bewohnt worden, stand jedoch zur Zeit des Erwerbes durch den Steuerpflichtigen leer; das Obergeschoß (ausgebautes Dachgeschoß mit einem Raum mit Dachluke und einer Notküche) war für einen Mietzins von 17 DM monatlich vermietet. Die übrigen Gebäude waren nicht mehr benutzbar. Auch das Wohnhaus befand sich in einem Zustand, der die Vermietung des Erdgeschosses erst nach erheblichen Investitionen möglich gemacht hätte. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß der Steuerpflichtige das Grundstück in der Absicht erwarb, die aufstehenden Baulichkeiten abzureißen und an ihrer Stelle eine Apotheke zu errichten.

Das FG hat auf die Sprungberufung des Steuerpflichtigen in seiner Einkommensteuersache 1961 und 1962 ein Zwischenurteil dahin erlassen, daß die Abschreibung des Restbuchwerts zulässig sei. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß sich die Gebäude in dem eingangs wiedergegebenen Zustand befunden hätten, daß die aus dem Abbruch gewonnenen Materialien nicht mehr verwendbar gewesen und damit die in den Urteilen des BFH I 74/58 S vom 2. Juni 1959 (BFH 69, 162, BStBl III 1959, 323) und VI 330/61 U vom 21. Juni 1963 (BFH 77, 428, BStBl III 1963, 477) aufgestellten Voraussetzungen hinsichtlich ihres technischen oder wirtschaftlichen Verbrauchs erfüllt gewesen seien. Das Gebäude sei in dem an die Oberfinanzdirektion (OFD) gerichteten Schreiben des Regierungspräsidiums vom 9. Mai 1963 als abbruchreif bezeichnet worden.

Hiergegen wendet sich das FA mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde. Nach dem BFH-Urteil VI 330/61 U (a. a. O.) komme es entscheidend auf den vom Steuerpflichtigen mit dem Abbruch verfolgten wirtschaftlichen Zweck an. Demgemäß habe das FA zunächst den Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den Herstellungskosten des Neubaues zugerechnet. Nachdem die Beweisaufnahme den technischen Verbrauch der Gebäude ergeben habe, müsse die Veranlagung nunmehr wie folgt geändert werden: Da das Grundstück mit den nicht mehr verwertbaren Baulichkeiten dem Steuerpflichtigen den Kaufpreis wert gewesen sei, müßten der Restbuchwert der Gebäude und die Abbruchkosten nunmehr dem Grund und Boden zugerechnet werden.

Der Steuerpflichtige begehrt hinsichtlich der Behandlung des Restbuchwerts der Gebäude die Bestätigung des angefochtenen Zwischenurteils.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Wie der BFH in zwei dem FG bei Erlaß seines Urteils noch nicht bekannten Entscheidungen (IV 422/62 S vom 3. Dezember 1964, BFH 82, 214, BStBl III 1965, 323, und IV 61/62 U vom 18. März 1965, BFH 82, 207, BStBl III 1965, 320) ausgesprochen hat, ist der Restbuchwert eines dem Betriebe des Steuerpflichtigen seit längerer Zeit dienenden Gebäudes im Falle seines Abbruchs abzuschreiben, wenn das Gebäude technisch verbraucht oder wirtschaftlich veraltet war (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die anfallenden Abbruchkosten sind in diesem Falle Betriebsausgaben; ihre Aktivierung kommt weder beim Wertansatz für den (freigemachten) Grund und Boden noch unter Einbeziehung in die Herstellungskosten eines an Stelle des abgebrochenen Gebäudes errichteten Neubaus in Betracht. Dagegen erhöhen sowohl der Restbuchwert als auch die Abbruchkosten die Herstellungskosten des Neubaus, wenn das abgebrochene Gebäude technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbraucht war. Soweit die BFH-Urteile I 74/58 S (a. a. O.) und VI 147/63 vom 23. März 1964 (HFR 1964, 291) etwas anderes besagen, hielten die Senate an ihnen nicht mehr fest.

2. Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser neuerlichen Rechtsprechung abzuweichen. Er ist jedoch der Auffassung, daß sie nicht auch dann anwendbar ist, wenn ein Steuerpflichtiger ein Grundstück und auf ihm befindliche technisch oder wirtschaftlich verbrauchte Baulichkeiten in der unbestrittenen Absicht erworben hat, diese abzubrechen und durch einen Neubau zu ersetzen.

Ist den auf dem Grundstück befindlichen Baulichkeiten nach objektiver Beurteilung ein Wert nicht mehr beizumessen, so ist für eine Aufnahme anteiliger Anschafgungskosten in die Bilanz neben den Anschaffungskosten für den Grund und Boden kein Raum. Soweit sie dennoch mit einem ihrem "Wert" entsprechenden Anteil der Anschaffungskosten in die Bilanzen Eingang gefunden haben, sind diese - wenn möglich - bis zur Fehlerquelle zurück zu berichtigen (BFH-Beschluß Gr. S. 1/65 S vom 29. November 1965, BFH 84, 392, BStBl III 1966, 142).

Im vorliegenden Streitfall hat der Steuerpflichtige den Zugang des Grundstücks zum 31. Dezember 1957 mit 18 872 DM aktiviert, ohne eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude vorzunehmen. Auch beim ersten getrennten Ausweis dieser beiden Positionen (anläßlich des im Jahre 1961 begonnenen Neubaus) erscheint der Wert des Grund und Bodens mit 18 814 DM. Danach ist auch nach dem eigenen Vorgehen des Steuerpflichtigen für die Abschreibung eines Restbuchwerts des Gebäudes mit 14 100 DM kein Raum.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68336

BStBl II 1969, 35

BFHE 1968, 551

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