Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfluß von Zinszahlungen bei Buchung zu Lasten eines Kontokorrentkontos - Erlaß einer Verbindlichkeit als nachträgliche Erhöhung des Veräußerungsgewinns oder Aufgabegewinns - Gewinnermittlungsart bei nachträglichen Einkünften aus Gewerbebetrieb - "Abfluß" einer am 10. Januar geleisteten, zum Vorjahr gehörenden Zinszahlung - steuerfreier Sanierungsgewinn einer Personengesellschaft: Erlaß einer zum Sonderbetriebsvermögen rechnenden Verbindlichkeit - Erhöhung des Betriebsaufgabegewinns einer Personengesellschaft durch Erlaß einer Verbindlichkeit im Sonderbetriebsvermögen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird dem Steuerpflichtigen auf seinem laufenden Konto ein Kredit gewährt, so gelten die Zinsen, die diesem Konto belastet werden, im Zeitpunkt der Buchung als abgeflossen, solange der Kreditrahmen nicht ausgeschöpft ist und die Bank weitere Kreditierung nicht verweigert.

2. Wird eine Verbindlichkeit, die bei Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs im Betriebsvermögen verbleibt, später erlassen, so führt dieser Vorgang rückwirkend zu einer Erhöhung des Veräußerungsgewinns oder Aufgabegewinns.

 

Orientierungssatz

1. Der Streitfall bietet keinen Anlaß zur Entscheidung der Streitfrage, ob nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausschließlich nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt werden dürfen, ob sie entsprechend der im werbenden Stadium geltenden Grundsätze zu ermitteln sind oder ob der Steuerpflichtige zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 EStG wählen kann. Der Senat neigt zu der Auffassung, daß der Steuerpflichtige wenn nicht verpflichtet, so doch jedenfalls berechtigt ist, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu wählen und daß er sich durch den Verzicht auf die Aufstellung von Bilanzen für die Einnahmeüberschußrechnung entschieden hat (vgl. Rechtsprechungshinweise).

2. Der Begriff der Leistung in § 11 Abs. 2 EStG korrespondiert mit dem des Zufließens in § 11 Abs. 1 EStG. Entscheidend dafür, in welchem Veranlagungszeitraum Ausgaben abzusetzen sind, ist demnach der Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Wirtschaftsgut. Im Zusammenhang mit Überweisungen vom laufenden Konto des Steuerpflichtigen wird die Leistung spätestens mit der Lastschrift erbracht. Weist das Konto die nötige Deckung auf, genügt sogar die Erteilung des Überweisungsauftrags. Als Deckung gilt nicht nur ein ausreichendes Guthaben, sondern auch ein entsprechender Kreditrahmen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

3. Ein am 10. Januar von der Bank dem Konto des Steuerpflichtigen belasteter, wirtschaftlich zum Vorjahr gehörender Zinsbetrag für ein Darlehen gilt in entsprechender Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG als im Vorjahr gezahlt (vgl. Senatsurteil vom 24. Juli 1986 IV R 309/84).

4. Der Begriff der Sanierung ist gesetzlich nicht festgelegt. Nach der Rechtsprechung sind unter einer Sanierung Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Der Wortlaut des § 3 Nr. 66 EStG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Erlaß von Schulden aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens bei einer Personengesellschaft von vornherein nicht zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn führen kann. In einem solchen Fall ist das Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit nur dann gegeben, wenn die Gesellschaft als solche sich im Zeitpunkt des Schulderlasses in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Es reicht demgegenüber nicht aus, wenn der einzelne Mitunternehmer (Inhaber des Sonderbetriebsvermögens) nicht mehr in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

5. Werden im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe Betriebsschulden erlassen, so erhöht sich hierdurch der Aufgabegewinn. Das gilt auch für Schulden aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens, wenn der Betrieb einer Personengesellschaft aufgegeben wird. Denn auch in die Ermittlung eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns ist nicht nur das Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft als solcher, sondern auch das Sonderbetriebsvermögen der einzelnen Gesellschafter miteinzubeziehen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

6. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 26.1.1989 IV R 86/87 die Erhöhung eines Betriebsaufgabegewinns durch den Erlaß von Verbindlichkeiten davon abhängig gemacht hat, daß der Erlaß in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe steht, wird hieran nicht mehr festgehalten.

7. Verbleibt eine Verbindlichkeit bei Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs im Betriebsvermögen und werden in der Folgezeit die laufenden Zinsen nicht eigens überwiesen, sondern lediglich dem Darlehenskonto belastet, so mindert ein späterer Schulderlaß rückwirkend den Veräußerungs- oder Aufgabegewinn nur insoweit, als er auf den Darlehensstand zum Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe entfällt. Der übersteigende Teil des Erlaßbetrages ist als laufender Gewinn des Erlaßjahres zu behandeln. Dies gilt unabhängig von der Art der Gewinnermittlung jedenfalls dann, wenn die Kreditierung der aufgelaufenen Schuldzinsen zuvor beim Schuldner als Betriebsausgabe behandelt worden ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1-3, § 24 Nr. 2, § 3 Nr. 66, § 4 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 27.04.1995; Aktenzeichen 2 K 928/90)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war von 1979 an Kommanditist der X-GmbH & Co. KG (KG), über deren Vermögen im Jahr 1982 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Im Rahmen dieses Verfahrens ist im März 1983 das Anlage- und Umlaufvermögen der KG veräußert worden; zugleich wurde die bis dahin weitergeführte Produktion eingestellt. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) und dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ist es hierdurch bei der KG zu einer Betriebsaufgabe gekommen. Das Konkursverfahren ist im November 1986 aufgehoben worden; seit Januar 1987 ist die KG wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

Der Kläger hatte der KG u.a. ein Darlehen über 800 000 DM gewährt, mit dem er im Konkursverfahren ausgefallen ist. Dieses Darlehen hatte er über ein Kontokorrentkonto bei der Kreissparkasse ... (KSK) finanziert, das sich in der Folgezeit immer im Soll befand. Die Darlehenszinsen wurden für die Jahre bis 1982 bei den Gewinnfeststellungen für die KG erklärungsgemäß als Sonderbetriebsausgaben des Klägers anerkannt. Ebenso verfuhr der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zunächst für die Streitjahre (1983 bis 1986), wobei er die jeweils erklärten Zinsen in Feststellungsbescheiden für die KG berücksichtigte.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung änderte das FA diese Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und ließ nunmehr die erklärten Zinsen für die Streitjahre 1983 und 1984 teilweise und für die Streitjahre 1985 und 1986 insgesamt unberücksichtigt. Das FA ging hierbei zum einen davon aus, daß von den 1983 angefallenen Zinsen ein Teilbetrag von 8 371,82 DM nicht in diesem Jahr beim Kläger abgeflossen sei, da er dem Konto des Klägers erst am 10. Januar 1984 --mit Wertstellung zum 31. Dezember 1983-- belastet worden war. Hinsichtlich der Zinsen für 1984 (insgesamt 39 923,87 DM) betrachtete er lediglich einen Teilbetrag von 5 000 DM als abgeflossen, da auf dem Kontokorrentkonto bei der KSK für 1984 nur eine Gutschrift in dieser Höhe ersichtlich war. Für die übrigen Streitjahre verneinte das FA insgesamt einen Abfluß der Zinsen, da die betreffenden Beträge (1985: 44 766 DM; 1986: 10 469 DM) zwar in den einzelnen Jahren zu Lasten des Klägers verbucht, tatsächlich aber nicht gezahlt worden seien. Die ab dem Jahre 1984 angefallenen Zinsen habe der Kläger wegen des Zusammenbruchs der Y-GmbH, zu deren Gunsten er im März 1984 eine Bürgschaft in Höhe von 4 Mio DM eingegangen sei, nicht mehr zahlen können. Demgemäß hat das FA die Gewinnanteile des Klägers in den einzelnen Streitjahren um die genannten Beträge erhöht.

Ferner war im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellt worden, daß der Kläger am 14. März 1986 mit der KSK "zum Zweck der Sanierung des Herrn A als freiberuflicher Unternehmensberater und als Unternehmer" einen schriftlichen Vergleich geschlossen hatte. Dieser Vereinbarung zufolge wurden dem Kläger sämtliche Verpflichtungen aus dem zur Refinanzierung des der KG gewährten Darlehens eingegangenen Kredit in Höhe von zuletzt 522 769 DM erlassen, sofern sie 200 000 DM überstiegen. Der Restbetrag sollte in vierteljährlichen Zins- und Tilgungsraten über zehn Jahre zurückgeführt werden. Zur Abgeltung aller Forderungen aus der zugunsten der Y-GmbH eingegangenen Bürgschaft in Höhe von 4 Mio DM verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung von 300 000 DM in zehn Jahresraten.

Der Prüfer --und ihm folgend das FA-- sahen in dem vergleichsweisen Erlaß des Refinanzierungskredits in Höhe von 280 441 DM eine Verminderung der bis dahin bestehenden betrieblichen Schulden, die im Streitjahr 1986 zu positiven Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb geführt habe. Den Betrag von 280 441 DM hatte das FA aus der Differenz zwischen dem Stand des Refinanzierungsdarlehens zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung (480 441 DM) und der fortbestehenden Verbindlichkeit (200 000 DM) errechnet. Es vertrat die Auffassung, der Schulderlaß führe nicht zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn, da die KG im Zeitpunkt des Erlasses weder sanierungsgeeignet noch sanierungsbedürftig gewesen sei.

Die auf dieser Basis erlassenen Änderungsbescheide wurden dem Kläger "als ehemaligen Gesellschafter der KG" bekanntgegeben. Der Kläger hat sie nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage angegriffen. Er hat vorgetragen, hinsichtlich der Zinsen für 1983 sei zunächst davon auszugehen, daß der Ab- bzw. Zufluß von Zinsbelastungen und Zinsgutschriften grundsätzlich am Tag der Wertstellung erfolge. Die übrigen von der KSK in Rechnung gestellten Zinsbeträge seien ebenfalls im Zeitpunkt des jeweiligen Wertstellungsdatums abgeflossen. Denn in dem fraglichen Zeitraum habe eine Kreditlinie in Höhe von 700 000 DM bestanden, während das Refinanzierungsdarlehen der KSK sich lediglich auf ca. 500 000 DM belaufen habe. Die Kreditlinie sei also nicht einmal ausgeschöpft gewesen, weshalb insbesondere nicht davon die Rede sein könne, daß er --der Kläger-- seinerzeit zahlungsunfähig gewesen sei. Richtig sei vielmehr, daß er aus seinen laufenden Einkünften die Zinsen ohne weiteres hätte zahlen können, wenn er hierzu aufgefordert worden wäre. Dies habe die KSK indessen nicht getan; sie habe sich vielmehr darauf beschränkt, die Zinsen jeweils dem Konto zu belasten, um auf diese Weise zusätzliche Zinseinnahmen zu erzielen. Demgemäß liege im Streitfall eine Situation vor, in der die Zinsschulden im Interesse der Gläubigerin bestehengeblieben seien.

In bezug auf den Schulderlaß sei zu beachten, daß auslösendes Moment für den Vergleich die Inanspruchnahme aus der zugunsten der Y-GmbH eingegangenen Bürgschaft in Höhe von 4 Mio DM seitens der KSK im Dezember 1985 gewesen sei. Bei dieser Sachlage liege im Streitfall eine zwar nicht unternehmens-, wohl aber unternehmerbezogene Sanierung vor.

Das FG gab der Klage statt mit der Begründung, die Versagung des Zinsabzugs sei unzutreffend, da die nachträglichen Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der KG nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und nicht --wie vom FA angenommen-- nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln seien. Der im Jahre 1986 geschlossene Vergleich wirke sich jedenfalls nicht in diesem Jahr gewinnerhöhend aus. Es handle sich um ein Ereignis, das nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe im Jahre 1983 zurückwirke. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 823 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer anderweitigen Gewinnfeststellung, soweit das Streitjahr 1986 betroffen ist. Hinsichtlich der Streitjahre 1983 bis 1985 ist die Revision unbegründet.

1. Die Behandlung der Schuldzinsen durch das FG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Der Streitfall bietet keinen Anlaß zur Entscheidung der vom FG für maßgeblich gehaltenen Streitfrage, ob nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausschließlich nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt werden dürfen (so Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Februar 1978 I R 137/74, BFHE 125, 42, BStBl II 1978, 430; H 139 (1) des amtlichen Einkommensteuerhandbuchs), ob sie entsprechend der im werbenden Stadium geltenden Grundsätze zu ermitteln sind oder ob der Steuerpflichtige zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 EStG wählen kann (Urteil des FG Hamburg vom 15. Dezember 1987 V 144/84, EFG 1988, 287; evtl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1972 VIII R 3/66, BFHE 106, 528, BStBl II 1972, 936; ausdrücklich offen lassend: BFH-Urteil vom 24. Oktober 1979 VIII R 49/77, BFHE 129, 334, BStBl II 1980, 186).

Der Senat neigt zu der Auffassung, daß der Kläger wenn nicht verpflichtet, so doch jedenfalls berechtigt war, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu wählen und daß er sich durch den Verzicht auf die Aufstellung von Bilanzen für die Einnahmeüberschußrechnung entschieden hat (vgl. Senatsurteile vom 2. März 1978 IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431, und vom 29. August 1985 IV R 111/83, BFH/NV 1986, 158). Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Beantwortung, weil die Entscheidung des Streitfalls nicht davon abhängt, ob --wie das FG angenommen hat-- die nachträglichen Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der KG gemäß den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs zu schätzen sind oder ob sie --zwingend oder wahlweise-- zutreffend durch Einnahmeüberschußrechnung ermittelt wurden.

b) Entgegen der Auffassung des FA führt die Verbuchung der Zinsen zu Lasten des Klägers auf dem Kontokorrentkonto zu einer Leistung i.S. des § 11 Abs. 2 EStG. Der Begriff der Leistung in § 11 Abs. 2 EStG korrespondiert mit dem des Zufließens in § 11 Abs. 1 EStG. Entscheidend dafür, in welchem Veranlagungszeitraum Ausgaben abzusetzen sind, ist demnach der Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Wirtschaftsgut (BFH-Urteil vom 8. Oktober 1985 VIII R 284/83, BFHE 146, 108, BStBl II 1986, 481).

Im Zusammenhang mit Überweisungen vom laufenden Konto des Steuerpflichtigen geht der BFH davon aus, daß die Leistung spätestens mit der Lastschrift erbracht wird. Weist das Konto die nötige Deckung auf, genügt sogar die Erteilung des Überweisungsauftrags (BFH-Urteile vom 14. Januar 1986 IX R 51/80, BFHE 146, 48, BStBl II 1986, 453; vom 11. August 1987 IX R 163/83, BFHE 152, 440, BStBl II 1989, 702). Als Deckung gilt nicht nur ein ausreichendes Guthaben, sondern auch ein entsprechender Kreditrahmen. Die Lastschrift von Zinszahlungen, die von einem solchen Konto überwiesen werden, führt demnach zu einem Abfluß i.S. des § 11 Abs. 2 EStG.

Manifestiert sich mithin der Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht durch die Lastschrift auf dem Girokonto des Steuerpflichtigen, dann muß auch in dem Fall, daß über das laufende Konto ein Kredit gewährt wird, die Buchung von Zinsen zu Lasten des Kontoinhabers als Leistung gelten. Nichts anderes kann gelten, wenn der Steuerpflichtige mehrere Bankkontokorrentkonten unterhält. Die Lastschrift auf einem solchen Konto gilt mithin immer als Leistung, solange der Kreditrahmen nicht ausgeschöpft ist und die Bank weitere Kreditierung nicht verweigert. Es liegt auf der Hand, daß es nicht darauf ankommen kann, ob die Zinsen von einem anderen Girokonto, das möglicherweise ebenfalls einen Schuldsaldo aufweist, überwiesen wurden.

c) Wendet man die vorstehend dargestellten Grundsätze auf den Streitfall an, so ist der Zinsbetrag in Höhe von 39 923,87 DM im Jahre 1984 abgeflossen. Der Betrag in Höhe von 44 766 DM ist im Jahre 1985, der in Höhe von 10 469 DM im Jahre 1986 geleistet. Der für das Jahr 1983 geschuldete Teilbetrag in Höhe von 8 371,82 DM ist dem Konto des Klägers zwar erst am 10. Januar 1984 belastet worden. Er gilt jedoch in entsprechender Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG als im Jahre 1983 gezahlt (vgl. Senatsurteil vom 24. Juli 1986 IV R 309/84, BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/ Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 11 EStG Rdnr. 137).

2. Der Senat stimmt dem FG darin zu, daß der Erlaß der Refinanzierungsschuld, soweit er auf den im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe bestehenden Schuldsaldo (480 441 DM) entfällt, nicht den Gewinn des Jahres 1986 erhöht.

a) Das folgt entgegen der Auffassung des Klägers allerdings nicht bereits daraus, daß es sich insoweit um einen steuerfreien Sanierungsgewinn i.S. des § 3 Nr. 66 EStG handeln würde.

Nach § 3 Nr. 66 EStG sind Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, von der Einkommensteuer befreit.

Im Streitfall ist zwar durch Schulderlaß eine Erhöhung von Betriebsvermögen (Sonderbetriebsvermögen) entstanden. Der Wortlaut des § 3 Nr. 66 EStG bietet auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Erlaß von Schulden aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens von vornherein nicht zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn führen kann (z.B. bei der Entlassung aus einer für die notleidende Gesellschaft eingegangenen Bürgschaft, Paus, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1994, 81, 82). Es fehlt jedoch an dem Tatbestandsmerkmal "zum Zwecke der Sanierung".

Der Begriff der Sanierung ist gesetzlich nicht festgelegt. Nach der Rechtsprechung sind unter einer Sanierung Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (BFH-Urteil vom 22. April 1964 I 62/61 U, BFHE 79, 382, BStBl III 1964, 370, m.w.N.).

Demzufolge setzt die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns u.a. voraus, daß das Unternehmen, dessen Schulden erlassen werden, sanierungsbedürftig ist (ständige Rechtsprechung: z.B. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 39/87, BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784, m.w.N.).

Im Streitfall geht es um einen Gewinn, der --da es sich um eine Mehrung des Sonderbetriebsvermögens handelt-- bei der Gewinnermittlung für die KG festzustellen ist (BFH-Urteil vom 11. September 1991 XI R 35/90, BFHE 165, 336, BStBl II 1992, 4). In einem solchen Fall ist das Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit nur dann gegeben, wenn die Gesellschaft als solche sich im Zeitpunkt des Schulderlasses in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Es reicht demgegenüber nicht aus, wenn der einzelne Mitunternehmer (Inhaber des Sonderbetriebsvermögens) nicht mehr in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

Im Streitfall war die KG im Zeitpunkt des Schulderlasses nicht mehr sanierungsbedürftig. Sie war bereits seit längerer Zeit vollbeendigt. Auslösendes Moment für den Erlaß war denn auch die Inanspruchnahme des Klägers für die zugunsten der Y-GmbH eingegangene Bürgschaftsverpflichtung. Ob das Einzelunternehmen des Klägers sanierungsbedürftig war, ist in diesem, die Gewinnfeststellung der KG betreffenden Verfahren nicht zu entscheiden.

b) Das FG hat jedoch zutreffend entschieden, daß der durch den Schulderlaß entstandene Gewinn rückwirkend im Jahre 1983 zu erfassen ist.

Werden im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe Betriebsschulden erlassen, so erhöht sich hierdurch der Aufgabegewinn (BFH-Urteil in BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784). Das gilt auch für Schulden aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens, wenn der Betrieb einer Personengesellschaft aufgegeben wird. Denn auch in die Ermittlung eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns ist nicht nur das Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft als solcher, sondern auch das Sonderbetriebsvermögen der einzelnen Gesellschafter miteinzubeziehen (Senatsurteil vom 28. Juli 1994 IV R 53/91, BFHE 175, 353, BStBl II 1995, 112).

Für die Ermittlung eines Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns können auch Ereignisse von Bedeutung werden, die nach der Veräußerung oder Aufgabe eintreten, soweit sie Einfluß auf die Höhe des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns nehmen; diese Ereignisse wirken gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 auf den Veräußerungs- bzw. Aufgabezeitpunkt zurück (BFH-Beschluß vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; Senatsurteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564). Solche rückwirkende Ereignisse hat die Rechtsprechung beispielsweise darin gesehen, daß eine anläßlich der Betriebsveräußerung ins Privatvermögen übernommene Forderung gegen die Gesellschaft später wegen Zahlungsunfähigkeit wertlos wird (BFH-Urteile in BFHE 175, 353, BStBl II 1995, 112, und vom 14. Dezember 1994 X R 128/92, BFHE 176, 515, BStBl II 1995, 465), daß die Gläubiger den Gesellschafter später aus einer für die aufgelöste Gesellschaft eingegangenen Bürgschaft in Anspruch nehmen (BFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 36/95, nicht veröffentlicht, juris) oder daß nach der Betriebsauflösung eine ungewisse und daher nicht aktivierte Forderung beglichen wird (BFH-Entscheidungen in BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564, und vom 23. Februar 1995 III B 134/94, BFH/NV 1995, 1060). Es sind mithin bereits die Fälle entschieden, daß durch den nachträglichen Ausfall einer Forderung oder die nachträgliche Entstehung einer Verbindlichkeit der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn rückwirkend gemindert und daß durch die nachträgliche Realisierung einer im Betriebsvermögen verbliebenen Forderung der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn rückwirkend erhöht wird. Dann liegt es jedoch nahe, daß auch der nachträgliche Erlaß einer im Betriebsvermögen verbliebenen Verbindlichkeit rückwirkend zu einer Erhöhung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns führt. Ähnlich hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 26. Januar 1989 IV R 86/87 (BFHE 156, 141, BStBl II 1989, 456) entschieden. Er hatte seinerzeit jedoch die Erhöhung des Aufgabegewinns davon abhängig gemacht, daß der Erlaß in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe steht. An diesem letztgenannten Erfordernis ist nach Ergehen des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 und der im Anschluß daran ergangenen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 16 Rdnr. 365; Groh, Der Betrieb --DB-- 1995, 2235, 2239). Das Senatsurteil vom 15. November 1979 IV R 49/76 (BFHE 129, 265, BStBl II 1980, 150) steht dieser Betrachtung nicht entgegen. In jenem Fall war die maßgebliche (Renten-)Verpflichtung vor und nicht erst nach der Betriebsaufgabe erloschen.

Wie bereits in seinem Urteil in BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564 erörtert, erscheint dem Senat die rückwirkende Erfassung des durch den (teilweisen) Erlaß verursachten Gewinns insbesondere deshalb geboten, um den Steuerpflichtigen in den Genuß des begünstigenden Steuersatzes gemäß §§ 16, 34 EStG gelangen zu lassen.

c) Aus dem vorstehend Gesagten folgt jedoch, daß der Schulderlaß nur insoweit zurückwirkt, als die erlassene Schuld im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe bestand. Im Streitfall belief sich die Schuld im Zeitpunkt des Erlasses auf 522 769 DM. Im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe hatte sie 480 441 DM (92 v.H. von 522 769 DM) betragen. Erlassen wurde ein Betrag in Höhe von 322 769 DM (522 769 DM ./. 200 000 DM). Hiervon erhöht (rückwirkend) ein Betrag in Höhe von 296 947 DM (92 v.H) den Aufgabegewinn des Jahres 1983, während ein Betrag in Höhe von 25 822 DM (8 v.H.) den laufenden Gewinn des Jahres 1986 erhöht. In der letztgenannten Höhe hatte das FA den Schulderlaß bisher nicht gewinnerhöhend berücksichtigt. Das hängt jedoch damit zusammen, daß nach seiner Auffassung die Schuldzinsen, die die Erhöhung des Schuldsaldos verursacht hatten, sich noch nicht gewinnmindernd ausgewirkt hatten. Die gewinnerhöhende Wirkung des Schulderlasses wurde mithin nach Auffassung des FA durch die damit verbundene Zahlung der aufgelaufenen Zinsen neutralisiert. Sieht man dagegen --wie der Senat-- in der Lastschrift der Zinsen zugleich deren Abfluß beim Schuldner, so muß ein späterer Erlaß der durch das "Stehenlassen" der Zinsen entstandenen Schuld zu einem laufenden Gewinn führen. Auch das gilt unabhängig davon, ob die nachträglichen Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der KG gemäß den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs zu schätzen sind oder ob sie zutreffend durch Einnahmeüberschußrechnung ermittelt wurden. Generell dürfte sich der Erlaß einer Darlehensforderung für den Schuldner, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, als Betriebseinnahme darstellen (Meincke in Littmann/Bitz/Hellwig, a.a.O., § 3 EStG Rdnr. 236; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 4 Rdnr. 383 f.). Jedenfalls dann, wenn --wie im Streitfall-- die Kreditierung aufgelaufener Zinsen beim Schuldner als Betriebsausgabe behandelt worden ist, muß diese Behandlung bei Erlaß der hierdurch entstandenen Schuld rückgängig gemacht werden. Da es sich dabei um einen laufenden Gewinn handelt, kommt eine Rückbeziehung auf ein anderes Streitjahr nicht in Betracht.

Dieser Gewinn ist nicht gemäß § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei. Unabhängig von der Frage, ob es zu der in § 3 Nr. 66 EStG vorausgesetzten Erhöhung von Betriebsvermögen im Rahmen einer Einnahmeüberschußrechnung überhaupt kommen kann (verneinend v. Beckerath in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. B 66/79; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 3 EStG Nr. 66 Anm. 70), ist auch hier der vorstehend (unter 2. a) erörterte Gesichtspunkt maßgebend, daß die KG im Zeitpunkt des Schulderlasses nicht (mehr) sanierungsbedürftig war.

Wenn das FA die von ihm angenommene Gewinnerhöhung in der Weise berechnet hat, daß es von der im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe bestehenden Restfinanzierungsschuld (480 441 DM) den vollen Betrag in Höhe von 200 000 DM abgezogen hat, so geschah das aus seiner rechtlichen Sicht zugunsten des Klägers. Bei der vom Senat für richtig gehaltenen Behandlung des Schulderlasses ist die Restschuld in Höhe von 200 000 DM jedoch --wie oben darstellt-- anteilig von dem steuerbegünstigten Aufgabegewinn einerseits sowie dem laufenden Gewinn andererseits abzuziehen.

3. a) Das FG hat zutreffend entschieden, daß eine Saldierung des steuerbegünstigten "Vergleichsgewinns" mit der Minderung des laufenden Gewinn des Jahres 1983 infolge der Anerkennung höherer Zinsaufwendungen nicht in Betracht kommt (Senatsurteil vom 27. September 1973 IV R 212/70, BFHE 110, 453, BStBl II 1974, 121). Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten weist der Senat jedoch darauf hin, daß die Auffassung des Klägers, das BFH-Urteil vom 8. Juli 1992 XI R 54/89 (BFHE 168, 231, BStBl II 1992, 867) stehe einer Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1983 entgegen, nicht zutrifft. Dieses Urteil enthält lediglich den Rechtssatz, daß die Finanzbehörde die Aussage in einem für ein bestimmtes Streitjahr ergangenen rechtskräftigen Urteil nicht zum Anlaß für eine eben dieses Streitjahr betreffende erneute Änderung der Steuerfestsetzung nehmen darf.

b) Der Gewinn des Jahres 1986 berechnet sich wie folgt:

Zinsaufwand ./. 10 469 DM

"Vergleichsgewinn" + 25 822 DM

---------

15 353 DM

 

Fundstellen

Haufe-Index 66188

BFH/NV 1997, 313

BStBl II 1997, 509

BFHE 183, 78

BFHE 1998, 78

BB 1997, 1298 (Leitsatz)

DB 1997, 1750 (Leitsatz)

DStR 1997, 958-961 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 532 (Leitsatz)

DStZ 1997, 755-756 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 672-674 (Leitsatz)

StE 1997, 383 (Leitsatz)

WPg 1997, 534 (Leitsatz)

StRK, R. 68 (Leitsatz und Gründe)

FR 1997, 526-529 (Leitsatz und Gründe)

LEXinform-Nr. 0141553

NJW 1998, 182

NJW 1998, 182-184 (Leitsatz und Gründe)

SteuerBriefe 1997, 14

KFR, 1/97, S 251 (Leitsatz)

NWB 1997, 2022

NWB 1997, 2024

BFH/NV BFH/R 1997, 313-315 (Leitsatz und Gründe)

BBK 1997, 590

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