Leitsatz (amtlich)

Naturalleistungen (Verköstigung und Abgabe vom Verkauf ausgeschlossener Waren aus der eigenen Produktion), die der Unternehmer seinen Mitarbeitern laufend gewährt, unterliegen der Besteuerung, auch wenn die Empfänger kein besonderes Entgelt aufzuwenden haben. Als Entgelt gilt in diesem Falle ein entsprechender Teil des Werts ihrer Dienst- oder Arbeitsleistungen.

 

Normenkette

UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 12, § 10 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids in Frage gestellt, soweit durch diesen Verwaltungsakt gewisse betriebliche "Sozialleistungen", die sie im Veranlagungszeitraum 1968 ihren Mitarbeitern gewährt hat, als entgeltliche Lieferungen beurteilt und als tauschähnliche Umsätze zur Umsatzsteuer herangezogen worden sind. Bei diesen Lieferungen handelt es sich um die Verabreichung eines "kostenlosen" Mittagessens aus der werkseigenen Küche der Klägerin an alle Arbeitnehmer und an allen Arbeitstagen sowie um die "unentgeltliche" Abgabe von Erzeugnissen der Klägerin, die sich wegen Beschädigungen zum Verkauf im Handel nicht eigneten.

Die Klägerin geht davon aus, daß die Empfänger ihre Dienste nicht geleistet ("aufgewendet") haben, um diese Vorteile zu erhalten - § 10 Abs. 1 Satz 2 des UStG 1967 -. Sie vertritt deshalb die Auffassung, daß sie keine entgeltlichen Lieferungen (tauschähnlichen Umsätze gemäß § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG 1967) ausgeführt habe und ist der Meinung, ihre "Sozialleistungen" seien nicht steuerbar.

Die Klägerin ließ diese Sachleistungen deshalb in ihrer Umsatzsteuererklärung 1968 unberücksichtigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) dagegen zog mit dem vorläufigen Umsatzsteuerbescheid 1968 vom 6. März 1970 die oben angegebenen Lieferungen zur Umsatzsteuer heran und setzte eine um ... DM höhere Steuerzahlschuld fest, als sie die Klägerin in ihrer Steuererklärung errechnet hatte.

Die Klägerin hat den Steuerbescheid unter Zustimmung des FA mit der unmittelbaren Klage (§ 45 Abs. 1 FGO) angefochten. Sie hat beantragt, die Schuld um ... DM niedriger festzusetzen.

Das FG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung seines Urteils ausgeführt:

Bei der Verköstigung und Warenverteilung handele es sich um Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und des § 3 Abs. 1 UStG 1967. Das Entgelt für diese Lieferungen bestehe in einem Wertteil der von den Empfängern gegenüber der Klägerin erbrachten Arbeitsleistungen. Es liege ein tauschähnlicher Umsatz im Sinne des § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG 1967 vor.

Vergeblich berufe sich die Klägerin auf die in den Urteilen des BFH vom 3. Dezember 1953 V 119/53 U (BFHE 58, 404, BStBl III 1954, 65) und vom 3. März 1960 V 103/58 U (BFHE 70, 452, BStBl III 1960, 169) enthaltenen Grundsätze: Nach dem Urteil V 103/58 U seien Sachleistungen des Unternehmers an den Arbeitnehmer grundsätzlich als Vergütung der geleisteten Dienste zu beurteilen. Im Urteil V 119/53 U (Zuwendung von Weihnachtspaketen mit Lebensmitteln an die Betriebsangehörigen) habe der BFH die Lieferungen als Gewährung von bloßen "Aufmerksamkeiten" beurteilt und habe nur wegen dieser Eigenart die Steuerbarkeit verneint. Von bloßen Annehmlichkeiten könne aber im vorliegenden Falle keine Rede sein. Die Sachzuwendungen der Klägerin seien nämlich ständig im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gewährt worden und beruhten zumindest auf einer "faktischen Verpflichtung". Die gebräuchliche Benennung als "soziale Leistungen" könne nicht die Feststellung rechtfertigen, sie würden unentgeltlich gewährt. Die Sachzuwendungen seien u. a. ein Mittel gegenüber der Konkurrenz, Arbeitskräfte zu gewinnen und zu binden. Dies entspreche der Lebenserfahrung. Aus dem Umstand, daß für den durch Krankheit oder Urlaub verhinderten Arbeitnehmer kein Ausgleichsanspruch für das entgangene Mittagessen bestehe, könne nicht auf die Unentgeltlichkeit der Leistung geschlossen werden, denn der abwesende Arbeitnehmer erbringe auch seinerseits keine Arbeitsleistung. Nach § 4 Nr. 12 des UStG 1951 seien u. a. die Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die ein Unternehmer den Angestellten und Arbeitern seines Unternehmens für die geleisteten Dienste gewähre, von der Umsatzsteuer freigestellt gewesen. Diese Regelung beweise, daß der Gesetzgeber damals von der Steuerbarkeit der Umsätze ausgegangen sei. Der Wegfall der Befreiung im neuen Umsatzsteuerrecht habe diesen Grundsatz nicht berührt. Die Fortführung der überkommenen Systematik trete vielmehr in den Vorschriften des § 4 Nr. 23 bis 25 deutlich hervor. Der zur Steuerberechnung herangezogene und in den Arbeitsleistungen enthaltene Gegenwert sei mit 0,80 DM für das Mittagessen und 12,80 DM für jede Warenverteilung angemessen geschätzt. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid sei daher nicht rechtswidrig.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Im Laufe des Revisionsverfahrens hat das FA den angefochtenen Bescheid durch den berichtigten endgültigen Umsatzsteuerbescheid 1968 vom 7. März 1973 ersetzt. Nach diesem übersteigt die Umsatzsteuerschuld den von der Klägerin in der Umsatzsteuererklärung errechneten Betrag um ... DM. Die Klägerin hat diesen Bescheid gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, so daß der Klageantrag nunmehr auf diesen Betrag erstreckt ist.

Auf Anregung des erkennenden Senats ist der BdF dem Revisionsverfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 FGO).

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Rechtsmittels folgendes ausgeführt:

Gegenüber der festgestellten Höhe der strittigen Umsätze und der Berechnung der hierauf treffenden Steuer seien keine Einwendungen zu erheben. Der Steuerbescheid sei aber im Umfang der Anfechtung dem Grunde nach rechtswidrig.

Bei den Sachzuwendungen handele es sich um unentgeltliche Lieferungen. Eine Vergütung durch besondere Arbeitsleistungen (Leistungssteigerungen) der Empfänger finde nicht statt und werde von der Klägerin nicht erwartet Die Dienstleistungen der Betriebsangehörigen (einschließlich Überstunden) würden vollständig mit dem ausbedungenen Barlohn abgegolten; diese Rechtsauffassung entspreche dem Willen aller Beteiligten. Der Vertragswille sei aber zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz ergebe sich aus dem Urteil V 103/58 U. Der soziale Bereich des modernen Unternehmers sei nicht nur auf die Verabreichung von Essen und Deputatware beschränkt. Auch die Einrichtung von Kindergärten, Sportplätzen, Schwimmbädern und ähnlichen Annehmlichkeiten für die Belegschaft gehöre dazu. Diese Leistungen beruhten auf der Aufgeschlossenheit der Unternenhmerschaft für die Lebensqualität der Betriebsangehörigen, wobei allerdings auch betriebliche Interessen wie Gesichtspunkte des Betriebsklimas oder die Rücksicht auf die Lage am Arbeitsmarkt eine Rolle spielten. Der vom Unternehmer erwartete positive Effekt trete aber nur dann ein, wenn der begünstigte Arbeitnehmer die Sachleistungen gerade nicht als Bestandteil des wechselseitigen Leistungsaustausches sondern als einseitigen Vorteil ansehen könne. Sachleistungen, für die der Unternehmer kein konkretes Einzelentgelt verlange, seien zu beurteilen als zeitgemäßes und zweckmäßiges Mittel zur allgemeinen Förderung des Unternehmenszwecks, nicht aber als Gegenleistung für eine konkrete Arbeitsleistung des Empfängers.

Zur weiteren Begründung der Revision hat die Klägerin die im Oktober 1973 für die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e. V. Köln abgegebene gutachtliche Stellungnahme des Rechtsanwalts Dr. W. Eckhardt über "die umsatzsteuerliche Behandlung von Sachzuwendnungen und sonstigen Leistungen an Arbeitnehmer" vorgelegt. Auf diese den Beteiligten bekannte Äußerung wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und entsprechend dem gemäß § 68 FGO ergänzten Antrag den angefochtenen Steuerbescheid um ... DM zu ermäßigen.

Das FA und der dem Verfahren beigetretene BdF beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die dem Streit zugrunde liegenden Vorgänge Lieferungen sind, die die Klägerin im Rahmen ihres Unternehmens im Inland gegen Entgelt ausgeführt hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967).

Die zum früheren Umsatzsteuerrecht (UStG 1918) in der ersten Auflage des Kommentars zum Umsatzsteuergesetz von Popitz (S. 72 und 76) vertretene Auffassung, die Beköstigung von Arbeitnehmern durch den Unternehmer sei keine Leistung an Dritte, sondern ein Mittel des Unternehmers zur Entfaltung seiner gewerblichen Tätigkeit mit Hilfe verköstigter Arbeitskräfte, wurde im Gutachten des RFH vom 4. April 1919 II D 3/19 (RFHE 1, 20 B) und im Urteil des RFH vom 14. Januar 1920 II A 338/19 (RFHE 2, 122) abgelehnt und im Anschluß daran auch in dem genannten Kommentar aufgegeben (3. Aufl. S. 572). An dieser Auffassung ist festzuhalten. Denn die Zuwendung von Speisen und Getränken sowie erst recht die Überlassung von anderen Waren an die in einem Gewerbebetrieb tätigen Personen können umsatzsteuerrechtlich nicht wie Verwendungen zur Erhaltung und Pflege von Betriebsmitteln beurteilt werden. Mit der Übertragung dieser Gegenstände an Betriebsangehörige ist vielmehr ein Vorgang des Rechtsverkehrs, nämlich die Befähigung Dritter, im eigenen Namen über diese Gegenstände zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht), verbunden. Dieser Vorgang entspricht deshalb den gesetzlichen Merkmalen einer Lieferung (§ 3 Abs. 1 UStG 1967).

Die Lieferungen wurden auch entgeltlich bewirkt. Nach § 10 Abs. 1 UStG 1967 ist - abzüglich der Umsatzsteuer - Entgelt alles, was der Empfänger einer Lieferung aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Dabei liegt nach der ständigen Rechtsprechung des RFH und des BFH die vom Gesetz geforderte Zweckbezogenheit vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung eine innere, d. h. kausale Verknüpfung besteht. Die Feststellung eines solchen Zusammenhangs setzt, wie der erkennende Senat zuletzt im Urteil vom 17. Februar 1972 V R 118/71 (BFHE 105, 79, BStBl II 1972, 405) ausgesprochen hat, nicht voraus, daß die Verknüpfung durch den vorausgehenden Vertragswillen der Beteiligten hergestellt ist. Vielmehr liegt Entgeltlichkeit auch dann vor, wenn der Empfänger wegen einer ihm zugegangenen Lieferung oder sonstigen Leistung eines Unternehmers eine Gegenleistung erbringt, obwohl der Unternehmer diese, sei es im ganzen oder sei es im gewährten Umfang, weder (aus Rechtsgründen) verlangen noch (aus Gründen des Anstands, der Üblichkeit oder ähnlichen Gesichtspunkten) erwarten kann. Auch freiwillige Leistungen, die aus Anlaß einer Lieferung oder sonstigen Leistung gewährt werden (wie z. B. das dem Unternehmer selbst gewährte Trinkgeld), sind deshalb Entgelt.

Besteht das Entgelt für eine Lieferung in einer sonstigen Leistung, so liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor (§ 3 Abs. 12 UStG 1967); der Wert der Lieferung ist in diesen Fällen nach dem Wert der sonstigen Leistung zu bemessen.

2. Im vorliegenden Falle stehen die dem Streit zugrunde liegenden Lieferungen der Klägerin in einem kausalen Zusammenhang mit den zwischen den Empfängern und der Klägerin bestehenden Arbeits- und Dienstverhältnissen. Die Lieferungen haben die Erfüllung von Arbeits- und Dienstverträgen zur Voraussetzung. Diese Leistungen der Betriebsangehörigen sind deshalb nach den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung nicht nur das Äquivalent des Barlohns, sondern auch Entgelt für die Sachzuwendungen, selbst wenn unterstellt wird, daß die Betriebsangehörigen keinen Anspruch auf diese Vorteile gehabt hätten und die Dienst- und Arbeitsverträge auch ohne diese Zuwendungen erfüllt worden wären.

Der in der Revisionsbegründung sowie gelegentlich im Schrifttum (z. B. in den Aufsätzen von Engel, BB 1973, 425, und Wegemer, DStZ A 1973, 138) vertretenen Auffassung, das Entgelt für nicht eigens berechnete Sachzuwendungen eines Unternehmers an seine Betriebsangehörigen könne nur dann in einer Arbeitsleistung des Empfängers gesehen werden, wenn diese abgegrenzt von und zusätzlich zu den übrigen Arbeitsleistungen des Empfängers verrichtet sowie gerade zur Abgeltung der Sachzuwendung erbracht werde, kann der Senat nicht beitreten. Eine reale Aufteilung der Leistungen gemischt entlohnter Arbeitnehmer in solche, die für den Barlohn, und solche, die für die Naturalentschädigungen erbracht wurden, ist nach dem Umsatzsteuergesetz nicht Voraussetzung für die Besteuerung der Sachzuwendungen. Lediglich zum Zwecke der Steuerbemessung (§ 10 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 UStG 1967) muß bestimmt werden, welcher (ideelle) Teil der Arbeitsleistung als Entgelt für die Sachzuwendung in Betracht kommt und welchen Wert er hat.

Die Schätzung des Wertes der Sachzuwendungen liegt auf dem Gebiete der tatsächlichen Feststellungen und fällt unter die alleinige Entscheidungsbefugnis des FG. Sie ist im vorliegenden Verfahren nicht streitig.

Der Senat geht nach diesen Erwägungen davon aus, daß die Lieferungen entgeltlich ausgeführt worden sind. Als Abgeltungen der für den Betrieb geleisteten Dienste der Arbeitnehmer sind die Lieferungen schließlich auch Ausfluß der gewerblichen Tätigkeit des Unternehmers; sie sind also auch "im Rahmen seines Unternehmens" ausgeführt worden. Denn "die gewerbliche Tätigkeit spielt sich", wie bereits der RFH im oben angegebenen Gutachten II D 3/19 ausgeführt hat, "nicht bloß in dem Rechtsverkehre zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden ... ab. Die gewerbliche Tätigkeit setzt sich vielmehr aus den Handlungen zusammen, die vorgenommen werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Hierher gehören alle Maßnahmen, die getroffen werden, um den Umsatz der Lieferungen zu ermöglichen. . . Soweit für derartige Maßnahmen bezahlte Hilfskräfte beschäftigt werden, fällt deren Annahme und Bezahlung in die gewerbliche Tätigkeit. Im Zweifel werden alle Rechtsgeschäfte eines Gewerbetreibenden innerhalb seiner Gewerbetätigkeit vorgenommen ...".

Die zu beurteilenden Vorgänge erfüllen nach diesen Erwägungen den Tatbestand des § 1 Abs. 1 UStG 1967 und sind deshalb steuerbar.

3. Diese Rechtsauffassung findet - worauf auch das FG zutreffend hingewiesen hat - ihre Bestätigung in den Befreiungsvorschriften der Nrn. 18 und 23 bis 25 des § 4 UStG 1967, in denen Einrichtungen im Dienste der Wohlfahrtspflege und der Jugend auch hinsichtlich derjenigen Naturalleistungen von der Umsatzsteuer freigestellt werden, die sie ihren Hilfskräften als Vergütung für die geleisteten Dienste gewähren. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber Naturalvergütungen in geringfügigem Umfang als nicht steuerbar beurteilt hätte. Den gleichen Aufschluß gibt auch die Vorschrift des § 4 Nr. 12 UStG 1951, nach der "die Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die ein Unternehmer den Angestellten und Arbeitern seines Unternehmens als Vergütung für die geleisteten Dienste gewährt", steuerfrei waren. Obwohl diese Vorschrift nicht mehr gilt, kann sie zur Bestätigung der Rechtsauffassung des Senats herangezogen werden, da das neue Umsatzsteuerrecht die den Leistungsaustausch kennzeichnenden Merkmale unverändert übernommen hat. Es ist deshalb davon auszugehen, daß Vorgänge, die der Gesetzgeber des alten Rechts als steuerbare Umsätze klassifiziert hat, auch nach dem UStG 1967 als solche zu beurteilen sind. Der Wegfall der steuerlichen Begünstigung solcher Umstäze im neuen Recht gibt - zumal unter Berücksichtigung der erwähnten Regelungen in § 4 Nrn. 18, 23 bis 25 UStG 1967 - keinen Anhalt für die Schlußfolgerung, daß der Gesetzgeber des neuen Rechts die Steuerbarkeit solcher Umsätze verneint und deshalb die Befreiungsvorschrift für überflüssig betrachtet hätte. Es kann vielmehr insbesondere nach dem "Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses" vom 30. März 1967 zum Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes (Nettoumsatzsteuer) - zu Bundestags-Drucksache V/1581 - keinem Zweifel unterliegen, daß der Deutsche Bundestag Naturalleistungen im Sinne des § 4 Nr. 12 UStG 1951 als steuerbar beurteilt hat (vgl. dazu a. a. O. den Abschn. "Im einzelnen" zu § 4 Nr. 18) und die Befreiung dieser Umsätze mit Rücksicht auf die Systematik der neu eingeführten Institution des Vorsteuerabzugs (a. a. O. Abschn. "Allgemeines" Nr. 4, d-Befreiungen) absichtlich unterlassen und damit deren Heranziehung zur Umsatzsteuer geboten hat (vgl. den Aufsatz von Tamme, "Zuwendungen der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer ...", in Umsatzsteuer-Rundschau 1973 S. 157 - UStR 1973, 157 -, insbesondere Nr. 5). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß der Vorschlag einer Sechsten EWG-Richtlinie zur Umsatzsteuerharmonisierung in Art. 5 Abs. 3 Buchst. a die Sachzuwendungen an das Personal eines Unternehmens ausdrücklich als Lieferungen behandelt (vgl. Bundestags-Drucksache 7/913 und den Aufsatz von Sarrazin in UStR 1973, 209, 211 oben).

4. Zutreffend hat das FG auch entschieden, daß die Sachzuwendungen der Klägerin nicht als bloße "Aufmerksamkeiten" im Sinne der BFH-Entscheidung V 119/53 U und deshalb als unentgeltliche Lieferungen mit der Folge zu beurteilen sind, daß sie sich der steuerlichen Erfassung entziehen. Denn nach den Grundsätzen dieses Urteils kann von einer Aufmerksamkeit in dem gegebenen Zusammenhang nur gesprochen werden, wenn die ohne rechtliche Verpflichtung ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung nach ihrem Wert im Verhältnis zum Gesamtlohn nicht ins Gewicht fällt, nach ihrer Art kein Gegenstand ist, für dessen Erlangung der Arbeitnehmer seine Arbeit leistet, und die erkennbar ihren inneren Grund in der fortschrittlichen, von sozialen Erwägungen beeinflußten Gestaltung der Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer hat. Die Sachzuwendungen der Klägerin übersteigen aber insbesondere im Hinblick auf ihre Häufigkeit deutlich das Maß dessen, was im Verhältnis zu einem durchschnittlichen Lohneinkommen als geringfügig zu werten ist, sind als Gegenstände des notwendigen Lebensbedarfs Ziel der Arbeitsleistungen und dienen jedenfalls nicht ausschließlich der Verbesserung des "Betriebsklimas", sondern auch - wie die Klägerin selbst einräumt - dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmers, Arbeitskräfte zu gewinnen und zu binden.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der in der Revisionsbegründung und in dem in Bezug genommenen Gutachten des Rechtsanwalts Eckhardt zum Begriff der Annehmlichkeit geltend gemachten Gesichtspunkte. Die Klägerin meint, die seit dem Erlaß des Urteils V 119/53 U vom 3. Dezember 1953 eingetretenen Veränderungen in den Wirtschaftsbetrieben des Inlands machten es erforderlich, den damals festgelegten Begriff auch auf Sachzuwendungen der hier in Frage stehenden Art auszudehnen. Sie weist insbesondere darauf hin, daß die Unternehmer inzwischen leistungsfähiger geworden seien und daß bei ihnen eine erweiterte Aufgeschlossenheit für die Lebensqualität und eine größere Bereitschaft für die Sorge um das persönliche Wohl der ihnen verpflichteten Betriebsangehörigen Platz gegriffen habe.

Dieses Vorbringen macht lediglich deutlich, daß eine Verstärkung der für die Gewährung von Aufmerksamkeiten typischen Beweggründe eingetreten ist. Es enthält aber keine weiteren Gesichtspunkte, die die Beurteilung der in Frage stehenden Naturalleistungen als Aufmerksamkeiten rechtfertigen könnten. Insbesondere wird nicht ausgeräumt, daß die Vorteile, die den Mitarbeitern der Klägerin neben dem Barlohn zugute gekommen sind, deren Lebensstandard, wenn auch nicht entscheidend, so doch meßbar verbessert haben. Die Sachzuwendungen sind deshalb auch unter den seit dem Ergehen des Urteils V 119/53 U eingetretenen Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse und sozialen Anschauungen steuerbar geblieben. Sie müssen nach dem nunmehr geltenden Recht zur Umsatzsteuer herangezogen werden.

5. Das FG hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Revision der Klägerin muß deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71253

BStBl II 1975, 255

BFHE 1975, 75

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