Leitsatz (amtlich)

1. Gewerbliche Grundstücksverkäufe liegen vor, wenn ein Landwirt über die bloße Parzellierung hinaus wesentliche Voraussetzungen für die Erschließung und die künftige Bebauung des Geländes schafft.

2. Eine solche zusätzliche Tätigkeit kann darin bestehen, daß der Landwirt die Parzellenkäufer vertraglich verpflichtet, die Erschließungskosten über ihre gesetzlichen Beitragskosten hinaus zu tragen oder die Architektenaufträge ausschließlich den Personen zu erteilen, die auch in seinem Interesse den Parzellierungs- und Bebauungsplan angefertigt haben.

2. Grundstücksverkäufe sind nicht deshalb dem Bereich der Landwirtschaft zuzurechnen, weil die Verkaufserlöse im landwirtschaftlichen Betrieb angelegt wurden.

 

Normenkette

EStG 1962 § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Nr. 1; GewStG § 2; GewStDV § 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1962, ob gewerblicher Grundstückshandel eines Landwirts vorliegt (§§ 13, 15 EStG, § 2 GewStG).

Die Revisionsbeklagten sind Eheleute. Der Ehemann (Steuerpflichtige) war Eigentümer eines 131,4 ha umfassenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Im Jahre 1961 stellte eine Architektengemeinschaft für zwei Teilflächen einen Parzellierungsplan und einen Bebauungsplan auf. In demselben Jahr verkaufte der Steuerpflichtige sieben Bauplätze für insgesamt 189 900 DM, in 1962 sechs Bauplätze für 194 576 DM, in 1963 drei Plätze für 104 686 DM, in 1964 zwei Bauplätze für 71 808 DM, in 1965 zwei Bauplätze für 113 900 DM und in 1967 vier Bauplätze für 167 220 DM. Insgesamt veräußerte er also in den Jahren 1961 bis 1967 24 Bauplätze mit rund 32 000 qm. Die Erlöse investierte der Steuerpflichtige im landwirtschaftlichen Betrieb.

Der Parzellierungsplan wurde den Kaufverträgen als Lageplan beigegeben. Die Käufer verpflichteten sich, alle Kosten der erstmaligen Anlegung der Erschließungsstraßen und der Kanalisation anteilig zu übernehmen, alle Architektenleistungen für die zu errichtenden Gebäude der Architektengesellschaft zu übertragen und bei Weiterverkauf den Rechtsnachfolgern die gleichen Verpflichtungen aufzuerlegen. Im Jahre 1961 überließ der Steuerpflichtige insgesamt 1 794 qm unentgeltlich der Gemeinde zum Ausbau der Erschließungsstraßen.

Nach einer 1966 durchgeführten Betriebsprüfung, bei der dieser Sachverhalt bekannt wurde, nahm das FA eine gewerbliche Veräußerungstätigkeit an und unterwarf den Gewinn unter Ausgleich mit einem Verlust aus Landwirtschaft der Einkommensteuer.

Das FG gab der Sprungklage statt. Es führte aus, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem Gesamtbild noch in den Rahmen der Landwirtschaft falle. Die Parzellierung sei eine technisch notwendige Voraussetzung für den Verkauf in kleineren Einheiten gewesen. Es fehle an einer weiteren Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Baureifmachung des Grundstücks, etwa durch Bau von Straßen oder Anlage von Versorgungsleitungen. Der Entwurf des Bebauungsplanes, den der Steuerpflichtige nicht veranlaßt habe, könne keine gewerbliche Tätigkeit begründen, weil er nur in der Form einer Gemeindesatzung verbindlich beschlossen werden könne (Hinweis auf §§ 8 und 10 des Bundesbaugesetzes - BBauG - vom 23. Juni 1960, BGBl I 1960, 341). Die Verpflichtung der Käufer, die Erschließungskosten zu tragen, ergebe sich bereits aus bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 127, 135 BBauG). Es könne dahingestellt bleiben, ob durch die Vereinbarung, alle Architektenleistungen ausschließlich der Architektengruppe zu übertragen, diesen eine Entschädigung für den Parzellierungsplan habe gewährt werden sollen. Denn da die Parzellierung selbst keine gewerbliche Tätigkeit darstelle, so könne auch die Übernahme der damit entstehenden Kosten keinen solchen Betrieb begründen. Der Steuerpflichtige habe im übrigen glaubhaft und unwidersprochen erklärt, daß er den Architekten für den Parzellierungsplan und den Entwurf des Bebauungsplanes weder einen Auftrag erteilt noch ein Entgelt bezahlt habe. Die Architekten seien vielmehr an ihn wegen der Veräußerung von Bauplätzen herangetreten. Sie hätten auf Veranlassung der Gemeinde den Bebauungsplan für das gesamte Gemeindegebiet entworfen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Sprungklage als unbegründet.

Landverkäufe eines Landwirts stellen einen Gewerbebetrieb dar, wenn es sich um eine nachhaltige Betätigung handelt, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, sofern die Betätigung nicht als Ausübung der Landwirtschaft anzusehen ist (§ 1 Abs. 1 GewStDV). Diese Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung erfüllt, wenn der Landwirt nicht anders als ein privater Grundstückseigentümer den Grundbesitz ganz oder teilweise durch Baureifmachung in Bauland umgestaltet und zu diesem Zweck nach einem Bebauungsplan das Gelände in einzelne Parzellen aufteilt und diese an Interessenten veräußert (vgl. Urteile des BFH IV 5/59 U vom 28. September 1961, BFH 74, 80, BStBl III 1962, 32; IV 313/62 U vom 20. Dezember 1963, BFH 78, 352, BStBl III 1964, 137; I 417/61 vom 15. Juni 1965, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 238, sowie die dort angeführten weiteren Entscheidungen). Gewerbliche Tätigkeit liegt aber nicht erst dann vor, wenn der Steuerpflichtige die planmäßige Aufschließung des Geländes selbst durchführt oder durch Dritte bewirkt, sondern auch dann schon, wenn er maßgeblich bei der Vorbereitung (Planung) der künftigen Erschließungsanlagen (Straßen, Plätze, Grünanlagen, Versorgungsleitungen usw.) und der eigentlichen baulichen Nutzung der Flächen mitwirkt. Denn auch schon diese Maßnahmen dienen der Erzielung besonderer Gewinne. Eine solche nachhaltige Einflußnahme auf die künftige bauliche Nutzung der Grundstücke ermöglicht es dem Verkäufer, von den Bauinteressenten im Hinblick auf die für sie erkennbare künftige Gestaltung des Wohngebiets einen höheren Kaufpreis zu verlangen. Grundstücksverkäufe von Landwirten können deshalb - nicht anders als bei privaten Eigentümern - nur dann als nicht gewerblich angesehen werden, wenn sich die dabei entfaltete Tätigkeit auf die für den bloßen Verkauf erforderlichen Handlungen, zu denen die nur technisch bedingte Parzellierung der Flächen zu rechnen ist, beschränkt. Diese Beschränkung liegt nicht mehr vor, wenn der Grundstückseigentümer beispielsweise auf eigene Kosten einen Bebauungsplan fertigen läßt oder sonst die behördliche Festsetzung des Bebauungsplans betreibt.

Im Streitfall entfaltete der Steuerpflichtige eine gleichwertige Tätigkeit, durch die er wesentliche Voraussetzungen für die Erschließung und die künftige Bebauung des Geländes schuf.

Die Erschließung von Baugelände ist seit jeher Aufgabe der Gemeinden (jetzt § 123 Abs. 1 BBauG; dazu Heitzer-Oestreicher, Bundesbaugesetz, 3. Aufl., 1968, S. 349) und es besteht kein Rechtsanspruch einzelner Interessenten gegen die Gemeinde, Erschließungsmaßnahmen einzuleiten. Die Gemeinde hat jedenfalls seit Inkrafttreten des BBauG am 29. Juni 1961 (§ 189 Abs. 2 BBauG) kein Recht, von den Anliegern die Tragung der vollen Kosten für die Erschließungsstraßen und der Kanalisation zu fordern, da die Grundstückseigentümer nur zu einem Erschließungsbeitrag verpflichtet sind (§ 127, § 135 BBauG). Der Steuerpflichtige sicherte also dadurch, daß er die Grundstückskäufer mit den vollen Kosten der bezeichneten Anlagen belastete, die in seinem wirtschaftlichen Interesse liegende Finanzierung der Erschließung des Geländes. Die weiteren Vertragsbestimmungen, nach denen die Käufer die vom Steuerpflichtigen benannte Architektengruppe mit der Errichtung der Gebäude beauftragen mußten, bedeuteten, daß der Steuerpflichtige erheblichen Einfluß auf die Bebauung und Nutzung der verkauften Parzellen nahm. Es ist unerheblich, ob der Steuerpflichtige selbst den Auftrag für den Entwurf des Bebauungsplanes erteilte. Denn feststeht, daß die Architektengruppe auch im Interesse des Steuerpflichtigen alle erforderlichen Planungsarbeiten durchführte und daß der Steuerpflichtige die Architekten für diese umfangreiche Erschließungstätigkeit dadurch entschädigte, daß er seine Käufer zwang, sich bei Bebauung dieser Architekten zu bedienen. Darin liegt eine Gegenleistung des Steuerpflichtigen für die in seinem Interesse von den Architekten durchgeführten Arbeiten, die deshalb ihm zugerechnet werden müssen. Deshalb reicht die gesamte im Zusammenhang mit dem Verkauf der Grundstücke entfaltete Tätigkeit zur Annahme eines gewerblichen Parzellierungsunternehmens aus.

Der Umstand, daß der Steuerpflichtige die Verkaufserlöse im landwirtschaftlichen Betrieb anlegte, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Frage, ob die Voraussetzungen gewerblicher Betätigung vorliegen, muß für Landwirte wie für private Eigentümer nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68440

BStBl II 1969, 236

BFHE 1969, 457

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