Leitsatz (amtlich)

Das zu einer Großtankstelle eines Treibstoffhandelsunternehmens gehörende Betriebsvermögen bildet in der Regel keinen Teilbetrieb dieses Unternehmens.

 

Normenkette

EStG 1956 § 15 Nr. 1, § 16 Abs. 1-2, § 34 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für das Jahr 1956, ob die Veräußerung einer Großtankstelle eines Treibstoffgroßhandelsunternehmens eine Teilbetriebsveräußerung darstellt (§ 16 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1 und 2 EStG).

Revisionskläger sind die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (OHG), die Mineralöl- und Treibstoffgroßhandel betreibt. Zur Erweiterung des Absatzes errichtete die OHG zahlreiche Tankstellen. Einige wurden als Großtankstellen von selbständigen Agenten, die meisten als Kleintankstellen bei Handwerksbetrieben geführt. Die OHG veräußerte gelegentlich einzelne dieser Tankstellen, die sich nicht mehr rentierten, und richtete an anderen Orten neue Tankstellen ein. Im Streitjahr veräußerte die OHG eine Großtankstelle. Diese bestand aus einem auf fremdem Grund und Boden errichteten Verkaufs-, Maschinen- und Vorratsraum, mehreren Tanks, Zapfsäulen auf einer Insel, Fahrbahnüberdachung, Fahrbahnpflasterung und dem notwendigen Tankstellenzubehör. Die Tankstelle wurde bis zur Veräußerung von einem selbständigen Unternehmer geführt. Dieser verkaufte Öle und Kraftstoffe auf Provisionsbasis als Agent der OHG. Bei allen übrigen Lieferungen und Leistungen war er von der OHG unabhängig.

Die zu der Tankstelle gehörenden Wirtschaftsgüter standen am 1. Januar 1956 mit insgesamt 19 288 DM als "Tankstelle und Hofpflasterung" zu Buche. Die laufenden Agenturumsätze der Tankstelle zeichnete die OHG in einem besonderen Umsatzbuch auf. Die übrigen Betriebsvorgänge und das Betriebsergebnis der Tankstelle trennte sie in der Buchführung nicht. Das Veräußerungsergebnis wurde in der Verlust- und Gewinnrechnung für das Streitjahr mit 16 145 DM als außerordentlicher Ertrag ausgewiesen.

Die OHG behandelte die Veräußerung des Tankstellenvermögens als Teilbetriebsveräußerung. Das FA rechnete den Veräußerungsgewinn hingegen zu den laufenden Einkünften der OHG.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 400 (Nr. 449) veröffentlicht ist, führte aus, daß die OHG den Großtankstellen keine selbständige Stellung nach der Art einer Zweigniederlassung gegeben habe (Hinweis auf das Urteil des BFH IV 76/63 vom 13. Januar 1966, BFH 84, 461, BStBl III 1966, 168). Der Absatz von Kraftstoffen über die Tankstellen möge insgesamt einen abgrenzbaren Geschäftszweig des Unternehmens im Sinne eines Teilbetriebs bilden. Die einzelne Tankstelle sei aber kein Teilbetrieb. weil sie nicht in der Hand der OHG als Betrieb geführt werde. Sie sei ein Betrieb des Agenten, nicht ein lebender Teilbetrieb der OHG.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der OHG ist unbegründet.

Ein Teilbetrieb im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1956 ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes, der für sich lebensfähig ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats IV 76/63 mit Übersicht der Rechtsprechung). Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen auf der Seite des Veräußerers, von denen die Art des Gesamtbetriebes eine besondere Bedeutung erlangt.

Bei einem Unternehmen, das den Kraftstoffgroßhandel mit einem eigenen Netz von Tankstellen betreibt, bildet die einzelne Tankstelle in der Regel keinen organisch selbständigen Teilbetrieb, sondern nur eine unselbständige Verkaufsstelle. Der Betrieb besteht in dem gesamten, in bestimmter Weise organisierten Kraftstoffverkauf. Die einzelne Tankstelle hat im Rahmen des Absatzsystems nur die Funktion eines austauschbaren Betriebsmittels. Daß die Tankstelle aus einem in der Buchführung der Mineralölfirma getrennt ausgewiesenen Inbegriff von mehr oder weniger zahlreichen Wirtschaftsgütern besteht, ist demgegenüber ebenso wie der teilweise getrennte Ausweis der Betriebsvorgänge und Betriebsergebnisse der Tankstelle von untergeordneter Bedeutung.

Es ist auch ohne Bedeutung, ob mit der Veräußerung der Tankstelle der Verkauf von Kraftstoffen durch das Großhandelsunternehmen an dieser Stelle oder in dieser Gegend eingestellt wird. Denn eine Tankstelle ist kein Betrieb mit örtlich gebundenem Wirkungskreis im Sinn der Entscheidung IV 76/63. Die Veräußerung einer Tankstelle und der Aufbau einer neuen Tankstelle an anderem Ort stellt im wesentlichen eine Umgruppierung innerhalb des Absatzsystems des Unternehmens dar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68054

BStBl II 1968, 523

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