Leitsatz (amtlich)

1. § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO in der Fassung des § 18 Nr. 2 GrEStG 1940 gilt auch für die Fälle, in denen Grundstückseigentum außerhalb des Grundbuchs auf den Erwerber übergeht.

2. Durch § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO in der Fassung des § 18 Nr. 2 GrEStG 1940 wird der Verjährungsbeginn grundsätzlich bis zum Ablauf des Jahres hinausgeschoben, in dem der Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird.

2. Die Verjährung beginnt jedoch mit Ablauf des Jahres, in dem der Erwerbsvorgang dem zuständigen Finanzamt in einer Weise bekannt wird, daß es - ggf. nach weiteren Ermittlungen - prüfen kann, ob ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt oder nicht.

 

Normenkette

AO i.d.F. des § 18 Nr. 2 GrEStG 1940 § 145 Abs. 3 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Kläger war alleiniger persönlich haftender Gesellschafter zweier Kommanditgesellschaften, zu deren Vermögen Grundbesitz gehörte. Nach dem Wortlaut einer notariell beurkundeten Vereinbarung vom 14. September 1956 schieden die Kommanditisten mit Wirkung vom 1. Januar 1956 unter Übernahme der Geschäfte durch den Kläger aus den beiden Kommanditgesellschaften aus. Am 14. November 1958 wurden zwischen dem Kläger und seinem Sohn zwei notariell beurkundete Verträge geschlossen, ausweislich derer der Sohn mit Wirkung ab 1. Januar 1956 bei gleichzeitigem Ausscheiden der bisherigen Kommanditisten als neuer Kommanditist in die beiden Kommanditgesellschaften eingetreten sein soll.

Über die grunderwerbsteuerrechtlichen Auswirkungen der Vereinbarung vom 14. September 1956 verhandelte das beklagte Finanzamt mit dem Bevollmächtigten des Klägers ab November 1956. In einem Betriebsprüfungsbericht vom 22. November 1958 wies der Prüfer, ohne selbst stellung zu beziehen, darauf hin, daß die Grunderwerbsteuersache vom Finanzamt noch zu erledigen sei. Erst am 6. September 1966 jedoch erließ das FA zwei Grunderwerbsteuerbescheide gegen den Kläger. Die Ursachen der Verzögerung sind im einzelnen nicht festgestellt worden.

Die Einsprüche des Klägers gegen die beiden Steuerbescheide sind ohne Erfolg geblieben. Seine vom FG verbundenen Klagen haben zur Aufhebung der angefochtenen Steuerbescheide wegen Verjährung geführt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

1. Der Senat folgt dem FG darin, daß das Eigentum an den den Kommanditgesellschaften gehörenden Grundstücken durch das Ausscheiden der Kommanditisten aus den beiden Kommanditgesellschaften auf den Kläger als allein verbleibendem Gesellschafter übergegangen und dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 verwirklicht worden ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß der Sohn des Klägers vor dem Ausscheiden der Kommanditisten oder gleichzeitig mit ihrem Ausscheiden in die Kommanditgesellschaften eingetreten und deshalb das Eigentum an den Grundstücken nicht auf den Kläger übergegangen ist.

2. Als das FA die Steuerbescheide am 6. September 1966 erließ, war die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 144 AO) bereits abgelaufen. Trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO hatte der Lauf der Verjährungsfrist am 1. Januar 1957 begonnen. Die Verjährung war durch Ermittlungshandlungen des FA letztmalig 1958 unterbrochen worden. Der Lauf der Verjährungsfrist hatte am 1. Januar 1959 erneut begonnen. Mit Ablauf des 31. Dezember 1963 war die Verjährung eingetreten.

Die Anwendbarkeit des § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO auf den vorliegenden Fall folgt aus seinem Wortlaut und aus dem Gesetzeszweck. Nach dieser Vorschrift beginnt die Verjährung der Grunderwerbsteuer abweichend von § 145 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Erwerber des Grundstücks als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist. Das bedeutet, daß vor der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer die Verjährungsfrist noch nicht läuft. Etwas anderes kann auch nicht aus der Verwendung des Perfekts bei der Beschreibung des Tatbestandes hergeleitet werden.

Der Wortlaut des Gesetzes macht keinen Unterschied zwischen der Eintragung als Eigentümer mit konstitutiver Wirkung und der Eintragung mit deklaratorischer Wirkung. Es mag sein, daß die Gesetzesverfasser vornehmlich an die Eintragung des Eigentumswechsels auf Grund einer Auflassung gedacht haben. Gleichwohl wird auch der Eigentumswechsel, der sich außerhalb des Grundbuchs vollzieht, vom Wortlaut der Vorschrift und von ihrem Zweck erfaßt. Es sollte verhindert werden, daß die Verjährung der Grunderwerbsteuer eintritt, obwohl ein der Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch vorangegangener steuerpflichtiger Vorgang dem FA unbekannt geblieben ist. Es wurde erwartet, daß dadurch Steuerausfälle vermieden werden könnten, wenn die Verjährung erst mit Ablauf des Jahres der Grundbucheintragung begänne (vgl. im einzelnen die Regierungsbegründung in RStBl 1940, 412 zu § 18). Diese Überlegungen treffen nicht nur für die Fälle zu, in denen die Eintragung des Eigentumsübergangs in das Grundbuch konstitutiv wirkt. Sie gelten auch in den Fällen des Eigentumsüberganges außerhalb des Grundbuchs, in denen die Eintragung des Erwerbers lediglich die Berichtigung des Grundbuches herbeiführt (§ 22 der Grundbuchordnung). Die Gefahr, daß derartige Vorgänge dem FA unbekannt bleiben, ist keineswegs in geringerem Ausmaße gegeben als in den Fällen, in denen der Eigentumsübergang der Eintragung in das Grundbuch bedarf. Dies folgt schon daraus, daß derartigen Vorgängen häufig keine notariell beurkundeten Vereinbarungen zugrunde liegen und deshalb nur über § 3 Abs. 1 Satz 2 der Grunderwerbsteuer-Durchführungsverordnung eine häufig nicht bekannte Anzeigepflicht der Beteiligten besteht. Es ist deshalb vom Gesetzeszweck aus gesehen folgerichtig, die Fälle des Eigentumsüberganges außerhalb des Grundbuchs unter die Vorschrift des § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO zu subsumieren.

Dem Kläger ist einzuräumen, daß durch den § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO der Beginn der Verjährung im Einzelfall außerordentlich weit hinausgeschoben werden kann, wenn ein Tatbestand des § 1 GrEStG 1940 verwirklicht wird, die Eintragung in das Grundbuch aber nicht in absehbarer Zeit nachfolgt. Bleibt der Erwerbsvorgang dem FA unbekannt, so wird der Normzweck dadurch realisiert, daß der Verjährungsbeginn hinausgeschoben wird, ggf. auf unabsehbare Zeit. Wegen dieser Fälle aber ist die Vorschrift geschaffen worden.

Wird der Vorgang dem zuständigen FA bekannt, so wäre eine weitere Hinausschiebung des Verjährungsbeginnes zwar noch vom Gesetzeswortlaut gedeckt. Sie läge jedoch außerhalb des Normzweckes. § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO bedarf einer Einengung, die der Wortlaut vermissen läßt. In einem solchen Falle ist das Gericht berechtigt, diese Lücke durch Hinzufügung der sinngemäß geforderten Einschränkung zu schließen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., S. 377). Die Anlaufhemmung muß ihr Ende finden, wenn der Vorgang dem für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständigen FA in einer Weise bekannt wird, daß es in die Lage versetzt ist, zu prüfen, ob ein Tatbestand des § 1 GrEStG 1940 verwirklicht worden ist oder nicht. Dies gebietet nicht nur der Normzweck des § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO. Diese einschränkende Auslegung ist auch erforderlich, um die Unterschiede in bezug auf den Beginn der Verjährungsfristen zwischen den Fällen, die zu einer Eintragung des Erwerbers als Eigentümer in das Grundbuch führen können, und den anderen Fällen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 1 Abs. 2, 3 GrEStG 1940) in erträglichen Grenzen zu halten. Während in den letztgenannten Fällen der Lauf der Verjährungsfrist bereits mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Steueranspruch entsteht, wäre der Verjährungsbeginn in den Eintragungsfällen bei Nichteintragung auch dann auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben, wenn der Vorgang dem Finanzamt bekannt wird.

Im vorliegenden Falle ist dem Beklagten die Vereinbarung vom 14 September 1956, aus der sich das Ausscheiden aller Kommanditisten ergab, vorgelegt worden. Es hat daraufhin seine Ermittlungen aufgenommen. Damit begann die Verjährung am 1. Januar 1957 und wurde durch Ermittlungshandlungen unterbrochen. Die Verjährung wäre hiernach 1966 nur dann nicht eingetreten gewesen, wenn noch 1961 oder später verjährungsunterbrechende Handlungen des Finanzamts vorgenommen worden wären. Dafür liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor. Die angefochtenen Steuerbescheide unterliegen deshalb der Aufhebung wegen Verjährung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72158

BStBl II 1977, 123

BFHE 1977, 387

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