Leitsatz (amtlich)

Wird eine Wohnung aufgrund Mietvertrags an einen nahen Angehörigen erheblich verbilligt überlassen --hier rund zur Hälfte der ortsüblichen Miete--, so kann der Vermieter seine auf diese Wohnung entfallenden Aufwendungen ebenfalls nur zur Hälfte, nämlich in dem Verhältnis als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, als er nicht auf an sich erzielbare Mieteinnahmen verzichtet hat.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1, 2 Alt. 2, § 9 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1982 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. In ihrem als Zweifamilienhaus bewerteten Wohngrundstück nutzten die Kläger die Hauptwohnung (Wohnfläche 134 qm) selbst; die Einliegerwohnung (Wohnfläche 52 qm) ist mit schriftlichem Mietvertrag vom 15.März 1980 seit 1.April 1980 für 150 DM monatlich an die Mutter des Klägers vermietet. Im Einkommensteuerbescheid 1982 erhöhte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Mietwert dieser den Klägern zugerechneten Wohnung um 1 757 DM auf 3 557 DM mit der Begründung, daß dieser Betrag der ortsüblichen Vergleichsmiete entspreche. Nach dem --auch wegen anderer Streitpunkte-- erfolglosen Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage hinsichtlich der Erhöhung des Mietwerts statt. Im Rahmen der Verbilligung der Nutzungsüberlassung könnten den Klägern nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.Dezember 1983 VIII R 17/82 (BFHE 140, 234, BStBl II 1984, 368) keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden. Entgegen der Auffassung des FA komme auch keine Kürzung der auf die Einliegerwohnung entfallenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) und anderen Werbungskosten in Betracht (Hinweis auf die BFH-Urteile vom 29.November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366, und VIII R 184/83, BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 21 Abs.1 und 2 sowie § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.1, 2 und 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Durch die unterbliebene Kürzung der Werbungskosten seien die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unzutreffend ermittelt. Die Einkommensteuer sei daher zu niedrig festgesetzt worden. Der BFH habe im Urteil vom 16.Oktober 1984 IX R 81/82 (BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390) entschieden, daß keine Werbungskosten einschließlich AfA abgezogen werden könnten, wenn es an der Einkünfteerzielung mangele. Aus der Begründung dieses Urteils sei zu entnehmen, daß bei einer verbilligten Überlassung einer Wohnung insoweit keine Werbungskosten abziehbar seien, als der Nutzungswert der Wohnung nicht dem Steuerpflichtigen zuzurechnen bzw. von ihm zu versteuern sei. Gerade so liege es aber im Streitfall. Bei der Vermietung der Wohnung zu einem weit unter der ortsüblichen Miete liegenden Preis sei ein nur teilweise entgeltlich begründetes obligatorisches Nutzungsrecht mit der Folge gegeben, daß der Unterschiedsbetrag zwischen der ortsüblichen Miete und der tatsächlich gezahlten Miete dem Nutzungsberechtigten zuzurechnen sei, während die Überlassenden nur die tatsächlich gezahlte Miete als Einkünfte zu versteuern hätten. Folglich könnten Aufwendungen auf die an die unterhaltsberechtigte Person überlassene Wohnung nur insoweit als Werbungskosten abgezogen werden, als sie der Einkünfteerzielung dienen, während hinsichtlich der unentgeltlichen Überlassung der Werbungskostenabzug wegen der fehlenden Einnahmen ausgeschlossen sei.

Die Werbungskosten von insgesamt 14 984 DM seien deshalb entsprechend dem Verhältnis der tatsächlich erzielten Mieteinnahmen zu der wirtschaftlich ausgewogenen Gegenleistung abziehbar. Unter Zugrundelegung des vereinbarten Entgelts von 1 800 DM zuzüglich des Mietwerts der selbstgenutzten Wohnung von 9 165 DM, zusammen 10 965 DM, gegenüber der wirtschaftlich ausgewogenen Gegenleistung von 12 722 DM (ortsübliche Miete von 3 557 DM + Mietwert von 9 165 DM) wären die Aufwendungen an sich um 13,81 v.H., d.h. 2 069 DM, zu kürzen, was sich wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren bestehenden Verböserungsverbots jedoch nur in Höhe eines Betrages von 1 757 DM auswirken dürfe.

Das FA beantragt, das FG-Urteil insoweit aufzuheben, als bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Kürzung der Werbungskosten um 1 757 DM unterblieben sei, die Klage insoweit abzuweisen und die Einkommensteuer 1982 auf 7 180 DM festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG- Urteils und Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Kläger können Werbungskosten für die verbilligt vermietete Wohnung nur insoweit geltend machen, als die Wohnung entgeltlich überlassen wurde.

Das FG ist im Einklang mit der neueren BFH-Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, daß der Nutzungswert einer ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung gemäß § 21 Abs.2 Alternative 2 EStG dem Nutzenden zuzurechnen ist, wenn ihm eine gesicherte Rechtsposition eingeräumt worden ist. Auch die Würdigung der Vorinstanz, daß die Mutter des Klägers aufgrund des 1980 geschlossenen Mietvertrags eine gesicherte Rechtsposition innehat, ist möglich; sie wird vom FA denn auch nicht angegriffen. Das FG hat jedoch zu Unrecht den Abzug sämtlicher auf die verbilligt überlassene Wohnung entfallenen Aufwendungen als Werbungskosten zugelassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und das Urteil vom 23.April 1985 IX R 39/81, BFHE 144, 362, 365, BStBl II 1975, 720, 722) kann, wer eine Wohnung einem anderen unentgeltlich überläßt, insoweit keine Werbungskosten geltend machen, weil er nicht den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllt. Denn seine Aufwendungen dienen dann entgegen § 9 Abs.1 EStG nicht der Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung von Einnahmen. Soweit der VIII.Senat im Urteil in BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371 zur unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus eine abweichende Auffassung vertreten hat, ist er hiervon mit dem Urteil vom 30.Juli 1985 VIII R 71/81 (BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327) wieder abgerückt.

Wird eine Wohnung verbilligt überlassen, kommt eine dem Einnahmeverzicht entsprechende Kürzung des Werbungskostenabzugs hinsichtlich der auf diese Wohnung entfallenen Aufwendungen in Betracht, wenn der Überlassende aus persönlichen, im privaten Bereich liegenden Gründen auf einen erheblichen Teil an sich erzielbarer Mieteinnahmen verzichtet. Das trifft insbesondere in dem Fall zu, daß bei der Überlassung an nahe Angehörige die Verbilligung die Hälfte der ortsüblichen Miete ausmacht. Hiermit übereinstimmend hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen, daß der verbilligt Nutzende Werbungskosten in dem Verhältnis abziehen kann, wie die Überlassung unentgeltlich geschehen ist (Urteil vom 22.Oktober 1985 IX R 48/82, BFHE 145, 161, 165, BStBl II 1986, 258, 260, vorletzter Absatz der Gründe).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist auch im Streitpunkt abzuweisen. Denn es steht nach dem FG-Urteil fest und ist unter den Beteiligten auch unstreitig, daß der Mutter des Klägers die Einliegerwohnung um rund die Hälfte des Mietwerts ermäßigt überlassen wurde. Dementsprechend wären die von den Klägern getragenen Aufwendungen einschließlich der AfA, die --dies zum Teil abweichend von der Berechnung des FA-- nach dem Wohnflächenverhältnis auf die Einliegerwohnung entfallen (rd. 4 000 DM), um die Hälfte, auf ca. 2 000 DM, zu kürzen. Wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots darf die Kürzung den den Klägern vom FA rechtsirrig als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zugerechneten Betrag von 1 757 DM nicht übersteigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61284

BStBl II 1986, 839

BFHE 147, 315

BFHE 1987, 315

DB 1986, 2261-2261

DStR 1986, 763-764 (LT1)

HFR 1987, 17-18 (ST)

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