Leitsatz (amtlich)

1. Als Anschaffungskosten einer Darlehensverbindlichkeit gilt der Nennwert der Verbindlichkeit.

2. Wird ein Darlehen von einem Dritten, der nicht Darlehensgeber ist, an den Darlehensnehmer vermittelt, so dürfen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung die Provisionszahlungen, die der Darlehensnehmer an den Dritten für die Vermittlung leistet, beim Darlehensnehmer weder als Anschaffungskosten der Darlehensverbindlichkeit noch als Rechnungsabgrenzungsposten oder als Anschaffungskosten eines immateriellen Wirtschaftsguts aktiviert werden.

 

Normenkette

EStG 1967 §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für das Jahr 1967, ob Provisionszahlungen für die Vermittlung von Hypothekendarlehen zu aktivieren und auf die Laufzeit der Darlehen zu verteilen sind.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, zahlte im Streitjahr 1967 für die Vermittlung eines von der Sparkasse der Stadt B gewährten Hypothekendarlehens von 4 Mio. DM an die Firma X eine Provision von 120 000 DM und für die Vermittlung eines weiteren Hypothekendarlehens eine Provision von 6 000 DM. Diese als Kosten für die Beschaffung von Hypothekendarlehen ausgewiesenen Beträge von insgesamt 126 000 DM behandelte die Klägerin in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) verringerte den von der Klägerin für das Jahr 1967 ausgewiesenen Verlust in dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung um diesen Betrag, da es sich nach seiner Ansicht um Geldbeschaffungskosten handle, die wie ein Damnum zu aktivieren und auf die Laufzeit der Darlehen zu verteilen seien.

Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, die Aktivierung von Geldbeschaffungskosten sei handelsrechtlich nach § 153 Abs. 4 AktG 1965 verboten und damit auch einkommensteuerrechtlich unzulässig. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das FG führte aus, nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG seien bei Darlehensverbindlichkeiten die Anschaffungskosten anzusetzen. Dazu zählten alle Aufwendungen, die der Kaufmann mache, um über die Darlehenssumme verfügen zu können. Um den Verfügungsbetrag zu erlangen, müsse er sich oft verpflichten, eine Schuld mit einem höheren als dem erhaltenen Betrag zurückzuzahlen (Damnum, Disagio, Agio), oder er müsse Nebenkosten, wie Zuteilungs- und Abschlußgebühren, aufwenden. Zu diesen Nebenkosten gehörten auch die von der Klägerin gezahlten Kreditvermittlungsprovisionen. Der Ansatz dieser den Verfügungsbetrag übersteigenden Kreditbeschaffungskosten sei im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs notwendig, um den Gewinn im Jahr der Kreditaufnahme nicht um die gesamten Geldbeschaffungskosten zu vermindern. Die Geldbeschaffungskosten seien nicht nur Aufwand im Jahr der Schuldaufnahme, da der Klägerin als Darlehensschuldnerin der Nutzen des damit erkauften Verfügungsbetrages bis zur Rückzahlung des Darlehens zur Verfügung stehe. Um das Betriebsergebnis nicht zu verfälschen, seien die Nebenkosten - insbesondere auch die Kreditvermittlungsprovisionen - auf die Nutzungszeit des Darlehens zu verteilen. Dabei sei unerheblich, daß die Geldbeschaffungskosten, wie hier die Vermittlungsprovisionen für die Hypothekendarlehen, an andere Personen als den Darlehensgläubiger gezahlt worden seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe ein Aktivierungsverbot für die hier maßgeblichen Geldbeschaffungskosten nach § 153 Abs. 4 AktG 1965 nicht.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG aufzuheben und die für die Beschaffung der Hypothekendarlehen ausgewiesenen Beträge von insgesamt 126 000 DM als Aufwand anzuerkennen. Die Auffassung des FG, die Provisionszahlungen für die Vermittlung der Hypothekendarlehen seien zu aktivieren und auf die Laufzeit der Darlehen zu verteilen, sei unzutreffend. Die Literatur und Rechtsprechung, auf die sich das FG berufe, beruhe auf der sogenannten dynamischen Bilanzlehre, nach der Aufwendungen auf die Geschäftsjahre zu verteilen seien, zu denen sie wirtschaftlich gehörten. Diese Auffassung werde heute jedoch nur noch begrenzt geteilt. So seien im neuen Aktienrecht zahlreiche Vorschriften zu finden, die klare Aktivierungsverbote aussprächen, obwohl nach dynamischer Bilanzauffassung die Aktivierung geboten sei. Dazu gehöre auch die Vorschrift des § 152 Abs. 9 AktG 1965, nach der eine Verteilung nur noch für laufzeitbedingte Aufwendungen möglich sei. Bei Kreditvermittlungsprovisionen handle es sich nicht um laufzeitabhängige Kosten. Sie seien Gegenleistung für die Vermittlung des Kredits und belasteten ausschließlich das Wirtschaftsjahr, in dem die Kreditvermittlung erfolge. Eine Erfassung dieser Aufwendungen unter den Rechnungsabgrenzungsposten sei daher nicht möglich.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Bescheids nach dem Klageantrag.

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nr. 2 anzusetzen, wonach andere als die in Nr. 1 bezeichneten Wirtschaftsgüter des Betriebs, zu denen auch die Forderungen gehören, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen sind oder statt dessen mit dem niedrigeren Teilwert angesetzt werden können. Daraus ist zu schließen, daß die Verbindlichkeiten ebenfalls mit den Anschaffungskosten (oder mit ihrem höheren Teilwert) zu bilanzieren sind.

Die Frage, was als Anschaffungskosten von Verbindlichkeiten anzusehen ist, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die vorgeschriebene sinngemäße Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG gebietet es, die Anschaffungskosten einer Darlehensverbindlichkeit unter Beachtung der Vorschriften zu ermitteln, die für die Ermittlung der Anschaffungskosten von Darlehensforderungen gelten. Hierzu hat der BFH im Urteil vom 23. April 1975 I R 236/72 (BFHE 116, 16) entschieden, daß es - vom Fall des Erwerbs einer bereits bestehenden Forderung durch Zession abgesehen - bei Forderungen Anschaffungskosten im engeren Sinn nicht gebe; als Anschaffungskosten gelte daher nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung der Nennwert der Forderung. Auch bei den Darlehensverbindlichkeiten gibt es keine Anschaffungskosten im eigentlichen Sinn; dies um so weniger, als der Begriff und das Prinzip der Anschaffungskosten eigentlich dem Bereich der Anschaffung von positiven Wirtschaftsgütern angehören und auf die Verbindlichkeiten nicht ohne weiteres übertragbar sind. Demnach hat nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch bei Darlehensverbindlichkeiten als Anschaffungskosten der Nennwert zu gelten. Für den Streitfall folgt daraus, daß die von der Klägerin an die beiden Vermittler der Darlehen gezahlten Beträge, die auf die Höhe des Nennwerts der Darlehensverbindlichkeiten keinen Einfluß haben, nicht als Anschaffungskosten der Darlehensverbindlichkeiten bilanziert werden können.

2. Die Vermittlungsprovisionen dürfen nach § 5 EStG i. V. m. den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auch nicht als Rechnungsabgrenzungsposten oder Anschaffungskosten eines immateriellen Wirtschaftsguts aktiviert werden. Nach der Rechtsprechung des BFH zur Vorschrift des § 5 EStG hat eine Aktivierung einkommensteuerrechtlich zu unterbleiben, wenn sie nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung verboten ist (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291). Dies ist nach Auffassung des erkennenden Senats bei Provisionen, die - wie im Streitfall - ein Darlehensnehmer an Dritte für die Vermittlung der Darlehen zu zahlen hat, der Fall.

a) Als aktive Rechnungsabgrenzungsposten dürfen nach § 152 Abs. 9 AktG 1965 Ausgaben nur insoweit ausgewiesen werden, als sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlußstichtag darstellen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um einen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung, der über § 5 EStG auch für das Einkommensteuerrecht zu beachten ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 1973 I R 206/71, BFHE 110, 116, BStBl II 1973, 774). Dem Wortlaut des § 152 Abs. 9 AktG 1965 kann nicht ohne weiteres entnommen werden, was unter dem Begriff "Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlußstichtag" zu verstehen ist. Klar und eindeutig ist nur, daß der Erfolg der Ausgabe eine bestimmte Zeit nach dem Abschlußstichtag betreffen muß. Würde man es bei dieser Auslegung belassen, so könnte auch im Streitfall angenommen werden, daß sich der Erfolg der Zahlung der Vermittlungsprovisionen erst in einer bestimmten Zeit nach dem Abschlußstichtag, nämlich während der Laufzeit der Darlehen, ausgewirkt hat. Eine derart weite Auslegung ist jedoch mit dem Sinn und Zweck des § 152 Abs. 9 AktG 1965 nicht vereinbar. Der erkennende Senat schließt sich der auch in der Literatur vertretenen Auffassung des I. Senats des BFH an, wonach der aktive Rechnungsabgrenzungsposten grundsätzlich voraussetzt, daß einer Vorleistung des Kaufmanns eine noch nicht erbrachte zeitbezogene Gegenleistung des Vertragspartners gegenübersteht (BFH-Urteile vom 7. März 1973 I R 48/69, BFHE 109, 172, BStBl II 1973, 565; vom 11. Juli 1973 I R 140/71, BFHE 110, 248, BStBl II 1973, 840, und vom 17. Juli 1974 I R 195/72, BFHE 113, 115, BStBl II 1974, 684; Döllerer, BB 1965, 1405 ff. [1408]; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Anm. 178 und 182 zu § 152 AktG 1965).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall bei den Provisionszahlungen der Klägerin nicht erfüllt. Die Gegenleistungen für die Provisionszahlungen der Klägerin bestanden jeweils allein in der Vermittlung der Darlehen und waren spätestens mit Abschluß der Darlehensverträge erbracht. Die Vermittlungsleistungen waren somit nicht zeitbezogen. Daß sie den späteren Abschluß der Darlehensverträge und damit die langjährige Nutzung der Darlehensbeträge erst ermöglicht haben, ist unerheblich. Denn die langjährige Nutzung des jeweiligen Darlehenskapitals war in dem Abschluß der Darlehensverträge, nicht aber in der Vermittlung dieses Abschlusses begründet. Die Aufwendungen für die Vermittlung der Darlehen können daher nicht durch aktive Rechnungsabgrenzungsposten auf die Laufzeit der Darlehen verteilt werden.

b) Die Provisionszahlungen der Klägerin führten auch nicht zum Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts. Nach § 153 Abs. 3 AktG 1965, der ebenfalls einen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung enthält (vgl. BFH-Urteile I R 206/71 und vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243), darf für immaterielle Anlagewerte (Wirtschaftsgüter) ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein durch Aufwendungen erlangter konkreter betrieblicher Vorteil ein Wirtschaftsgut darstellen, wenn die Aufwendungen dem Kaufmann einen sich über mehrere Wirtschaftsjahre erstreckenden greifbaren Nutzen bringen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1973 I R 67/72, BFHE 111, 72, BStBl II 1974, 234, und vom 28. August 1974 I R 66/72, BFHE 113, 448, BStBl II 1975, 56). Dies trifft für die Provisionszahlungen der Klägerin nicht zu, da sich der durch die Darlehensvermittlung erlangte Vorteil jeweils im Jahre der Provisionszahlungen erschöpfte.

3. Die Provisionszahlungen können somit weder als Anschaffungskosten der Darlehensverbindlichkeiten noch als Rechnungsabgrenzungsposten oder immaterielle Wirtschaftsgüter aktiviert und auf die Laufzeit der Darlehen verteilt werden. Soweit die Rechtsprechung des BFH zu Fragen der Aktivierung von derartigen Geldbeschaffungskosten bisher eine andere Auffassung vertreten hat (vgl. z. B. Urteile vom 13. August 1957 I 18/57 U, BFHE 65, 304, BStBl III 1957, 349; vom 16. Dezember 1964 I 387/61, HFR 1965, 310; vom 27. Januar 1966 IV 31/63, BFHE 85, 164, BStBl III 1966, 271, und vom 29. Juni 1967 IV 131/63, BFHE 89, 377, BStBl III 1967, 670), sind die Entscheidungen zur Rechtslage ergangen, wie sie vor dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 bestanden hat.

4. Die Vorentscheidung, die auf anderen rechtlichen Erwägungen beruht und die Aktivierung der Provisionszahlungen der Klägerin verlangt hat, ist somit aufzuheben. Unter Abänderung des angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 1971 ist der Verlust der Klägerin und ihrer Gesellschafter unter Berücksichtigung des Betrages von 126 000 DM als Betriebsausgaben wie erkannt festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72264

BStBl II 1977, 380

BFHE 1977, 318

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Basic. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge