Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Scheidet ein Grundstück unter dem Druck der Enteignung gegen Barzahlung und gegen Erhalt eines Ersatzgrundstücks aus dem Betriebsvermögen aus, so darf die aufgelöste stille Rücklage nur anteilig auf das Ersatzgrundstück übertragen werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5-6

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) überließ im Oktober 1954 einer Stadtgemeinde unbebaute, zu ihrem Betriebsvermögen gehörende Grundstücke, die mit 50 000 DM zu Buche standen, gegen Zahlung von 50 000 DM und übereignung von der Stadt gehörenden Grundstücken am Stadtrand im Werte von 56 000 DM.

Die Bfin. will die aufgelösten stillen Rücklagen in Höhe von 56 000 DM auf die Ersatzgrundstücke am Stadtrand übertragen, weil sie sich nur unter dem Zwang eines drohenden Enteignungsverfahrens zu dem Tausch bereit erklärt habe. Die Vorinstanzen lehnten das Verlangen der Bfin. mit der Begründung ab, daß ein Enteignungsverfahren nicht gedroht habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das Finanzgericht geht zutreffend davon aus, daß grundsätzlich die durch einen Tausch von Grundstücken aufgelösten stillen Rücklagen der Besteuerung unterliegen. Denn durch einen Tausch von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens tritt in der Regel eine Gewinnverwirklichung insoweit ein, als der Tauschwert des hingegebenen Wirtschaftsguts seinen Buchwert übersteigt (Urteile des Bundesfinanzhofs I 246/54 U vom 13. September 1955, Slg. Bd. 61 S. 314, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 320, und IV 460/56 U vom 4. April 1957, Slg. Bd. 64 S. 521, BStBl 1957 III S.195). Es ist zu prüfen, ob etwa ein Ausnahmefall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Betrachtungsweise zur Verneinung der Gewinnrealisierung führt. Ein solcher Ausnahmefall kommt bei dem zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nur dann in Betracht, wenn die hingegebenen Grundstücke auf Grund höherer Gewalt oder auf Grund eines ernstlich drohenden behördlichen Eingriffs, insbesondere eines Enteignungsverfahrens, aus dem Betriebsvermögen der Bfin. ausgeschieden sind. In diesen Fällen darf die im ausgeschiedenen Wirtschaftsgut ruhende stille Rücklage, die gegen den Willen der Bfin. realisiert worden ist, auf das mit der Gegenleistung im gleichen Wirtschaftsjahr erworbene Ersatzwirtschaftsgut übertragen oder, wenn eine Ersatzbeschaffung in den folgenden Wirtschaftsjahren ernstlich in Erwägung gezogen wird, zunächst einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung zugeführt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs I 4/52 U vom 17. Mai 1952, Slg. Bd. 56 S. 536, BStBl 1952 III S. 208, und IV 406/55 U vom 9. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 261). Unterstellt man zunächst, daß die eingetauschten Grundstücke als Ersatz für die hingegebenen Grundstücke angesehen werden können und daß ihr Wert mit 56 000 DM angemessen ist, so ist es in keinem Fall gerechtfertigt, die mit 56 000 DM aufgelöste stille Rücklage in voller Höhe auf diese Grundstücke zu übertragen. Denn die Gegenleistung, die die Bfin. für die hingegeben Grundstücke erhielt, bestand nicht nur in den Ersatzgrundstücken, sondern außerdem in einer Barzahlung von 50 000 DM, so daß die gesamte Gegenleistung einen Wert von 106 000 DM hatte. Da diese Gegenleistung im Wirtschaftsjahr 1954 nur in Höhe von 56/106 zur Beschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts verwendet wurde, darf die aufgelöste stille Rücklage von 56 000 DM auch nur in Höhe dieses Bruchteils, also nur mit 29 585 DM auf die Ersatzgrundstücke übertragen werden. In Höhe von 26 415 DM dürfte in der Bilanz zum 31. Dezember 1954 eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden, wenn die Bfin. dartun könnte, daß sie den in bar erhaltenen Kaufpreis von 50 000 DM zur Beschaffung eines weiteren Ersatzgrundstücks verwenden wolle.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424117

BStBl III 1957, 386

BFHE 1958, 402

BFHE 65, 402

BB 1957, 1027

DB 1957, 1006

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