Leitsatz (amtlich)

Der besonderen Körperschaftsteuer nach § 9 Abs. 3 KStG unterliegen berücksichtigungsfähige Ausschüttungen nicht, soweit sie bei der ausschüttenden Gesellschaft zu keiner Ermäßigung des Steuersatzes geführt haben.

 

Normenkette

KStG § 9 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob die besondere Steuer aus § 9 Abs. 3 KStG (Nachsteuer) auch auf solche Schachteleinnahmen der Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) zu erheben ist, die bei den ausschüttenden Gesellschaften dem vollen Steuersatz von 51 v. H. unterlegen haben.

Der Revisionsbeklagte (das FA) hat die Nachsteuer von 36 v. H. auf die im Bilanzgewinn der Steuerpflichtigen, einer AG, enthaltenen Schachteleinnahmen abzüglich eigener berücksichtigungsfähiger Ausschüttungen der Steuerpflichtigen festgesetzt. Die Berechnung des Steuerbetrages ist nicht streitig. Die Steuerpflichtige vertrat jedoch mit ihrer Sprungberufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1962 die Auffassung, daß die Nachsteuer auf diejenigen Teile der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen ihrer Untergesellschaften nicht zu erheben sei, die bei den ausschüttenden Unternehmen nicht zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen aus § 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG geführt hätten.

Das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 1968 S. 183 veröffentlicht ist, wies die als Klage behandelte Sprungberufung ab. Gegen seine Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Steuerpflichtigen, zu deren Begründung sie vortragen läßt:

Gerügt werde Verletzung der Vorschriften des § 76 FGO sowie der §§ 9 und 19 KStG. Obwohl es an sich für die von der Steuerpflichtigen angestrebte Auslegung des Gesetzes eines Zurückgreifens auf die Entstehungsgeschichte der in ihrer Auslegung streitigen Vorschriften nicht bedürfe, hätte das FG nicht ohne die von der Steuerpflichtigen beantragte Beweiserhebung (Vernehmung namentlich genannter Mitglieder des Bundestags zur Entstehungsgeschichte der genannten Vorschriften des KStG) zu der Steuerpflichtigen ungünstigen Auslegung des Gesetzes gelangen dürfen (Mangel der Sachaufklärung). Entgegen der Auffassung des FG lasse der Wortlaut des Gesetzes auch die Auslegung zu, daß die Nachsteuer als Ergänzungssteuer auf nur diejenigen Gewinnanteile erhoben werden solle, die bei der ausschüttenden Gesellschaft dem ermäßigten Steuersatz unterlegen hätten. Das FG habe den Begriff der Gewinnausschüttung im handelsrechtlichen Sinne ausgelegt und damit verkannt, daß dieser Begriff nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen nur diejenigen Ausschüttungen umfasse, die aus Einkommensteilen desjenigen Wirtschaftsjahres herrührten, für das das Einkommen der Steuerpflichtigen für die Zwecke der Einkommensbesteuerung zu ermitteln sei (so Blümich-Klein-Steinbring-Stutz, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., Anm. 18 Abs. 4 zu § 19 KStG). Daß das Gesetz in § 19 Abs. 3 KStG den gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilungsbeschluß anspreche, rechtfertige es nicht, den Begriff der Gewinnausschüttung deshalb ohne weiteres im handelsrechtlichen Sinne auszulegen. Das Gesetz gehe vielmehr davon aus, daß ein der Ausschüttung entsprechender steuerrechtlicher Gewinn vorhanden sei (Reuter, StuW 1963 Sp. 710). Den Sinnzusammenhang, in den die streitigen Vorschriften gestellt seien, habe das FG überhaupt nicht gewürdigt, obwohl die Höhe der Steuersätze deutlich mache, daß die Nachsteuer dem Unterschied zwischen normalem und ermäßigtem Steuersatz entspreche, die Nachsteuer als Ergänzungssteuer bei Vorliegen der Voraussetzungen mithin nur nachholen solle, was die ausschüttende Gesellschaft an Steuern weniger zu entrichten gehabt habe. Dies allein sei der Zweck der Vorschrift, die angesichts ihrer Auslegung durch die Finanzverwaltung (Abschn. 41 der KStR 1962) in Fällen wie dem vorliegenden praktisch dadurch ausgeschaltet werde, daß die bereits mit 51 v. H. versteuerten Teile außerhalb eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses an die Beteiligungsgesellschaft ausgekehrt würden.

Die Steuerpflichtige beantragt, den angefochtenen Steuerbescheid insoweit aufzuheben, als die Nachsteuer aus einem Betrag von mehr als 3 042 297 DM erhoben werde, hilfsweise Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FA, das mit Erklärung vom 29. Juni 1967 den vorläufigen Bescheid vom 17. Februar 1964 für endgültig erklärt hat, beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung der Steuer.

1. Die von der Steuerpflichtigen unter Bezug auf § 76 FGO erhobene Rüge ist keine Verfahrens-, sondern eine Sachrüge. Sie betrifft nicht die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, sondern Fragen zur Entstehungsgeschichte einer Gesetzesvorschrift, auf die es nach dem Revisionsvorbringen der Steuerpflichtigen selbst nicht entscheidend ankommt.

2. a) Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß der Wortlaut der Vorschrift des § 9 Abs. 3 KStG auf diejenigen - nach Abs. 1 dieser Vorschrift beim Empfänger außer Ansatz bleibenden - Gewinnanteile der ausschüttenden Gesellschaft abhebt, die bei dieser berücksichtigungsfähige Ausschüttungen im Sinne von § 19 Abs. 3 Satz 1 KStG sind. Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen im Sinne von § 19 Abs. 3 Satz 1 KStG sind angesichts der Verweisung dieser Vorschrift auf den "dengesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß" allein Ausschüttungen aus dem handelsrechtlichen Bilanzgewinn, unbeschadet seiner inneren Zusammensetzung, nicht dagegen Ausschüttungen aus dem nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelten Einkommen der ausschüttenden Gesellschaft (Urteil des BFH I R 88/69 vom 18. November 1970, BFH 100, 400, BStBl II 1971, 73, mit weiterer Rechtsprechung). Der Senat verbleibt bei seiner in dieser Entscheidung niedergelegten Auffassung.

b) Der Senat stimmt dem FG indes nicht darin zu, daß angesichts des so verstandenen und nicht anders zu verstehenden Wortlauts des Gesetzes für eine andere Auslegung des Gesetzes kein Raum sei.

Wie der erkennende Senat im Urteil I 276/61 S vom 3. Juli 1963 (BFH 77, 394, BStBl III 1963, 464) ausgeführt hat, bedeutete die Einführung eines gespaltenen Körperschaftsteuersatzes eine Begünstigung der ausgeschütteten gegenüber den thesaurierten Gewinnen. Die anfängliche Regelung im KStG 1953 wurde durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BStBl I 1954, 575 [588]) verfeinert. Die nunmehr bei der empfangenden Beteiligungsgesellschaft (Obergesellschaft) der Nachsteuer unterliegenden, nach § 9 Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Schachteleinnahmen) sollten jedoch nicht einer höheren Steuer als 51 v. H. unterworfen werden, sondern - im Wege einer Ergänzungssteuer (36 v. H.) - mit dem vollen Steuersatz zur Steuer herangezogen werden, wenn sie bei der ausschüttenden Gesellschaft (Untergesellschaft) dem ermäßigten Steuersatz (15 v. H.) unterlagen und die eigenen berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen der Obergesellschaft hinter den empfangenen Schachteleinnahmen zurückblieben.

Wollte man der von der Finanzverwaltung (in Abschn. 41 KStR 1962) und vom FG vertretenen Auffassung folgen, daß unbeschadet des bei der Untergesellschaft zum Zuge gekommenen Steuersatzes die Nachsteuer auf Schachteleinnahmen zu erheben sei, wenn diese Einnahmen nur bei der Untergesellschaft berücksichtigungsfähige Ausschüttungen sind, müßte sich die Begünstigung der ausgeschütteten Beträge in einen Zwang zur Ausschüttung bei der Untergesellschaft verkehren. Denn die in Rücklage gestellten Teile des Handelsbilanzgewinns des Jahres X. (bei der Veranlagung für dieses Jahr mit 51 v. H. erfaßt) würden im Falle ihrer zwecks Ausschüttung erfolgten Auflösung zugunsten des Handelsbilanzgewinns des Folgejahres Y. bei der empfangenden Obergesellschaft (wie die im Jahre X. ausgeschütteten Beträge) grundsätzlich der Nachsteuer unterliegen (d. h. insgesamt mit 51 + 36 = 87 v. H. Körperschaftsteuer belastet sein).

c) Da dies nicht der Sinn einer die alsbaldige Ausschüttung erwirtschafteter Gewinne fördernden Regelung sein kann, sieht der Senat hier eine verdeckte Regelungslücke als gegeben an (BFH-Urteil IV 26/62 S vom 21. Februar 1964, BFH 78, 490, BStBl III 1964, 188, zu II. 1.).

Dem Beispielsfall in Abschn. 41 KStR 1962, der offenbar von der Auflösung von Rücklagen zugunsten des Handelsbilanzgewinns ausgeht, ist darin zuzustimmen, daß von der Untergesellschaft im Rahmen der Berücksichtigungsfähigkeit (§ 19 Abs. 3 Satz 1 KStG) über einen den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß zwar nicht mehr als der Handelsbilanzgewinn ausgeschüttet werden kann, wohl aber mehr als der Steuerbilanzgewinn; daß aber ihr Gewinn nur in Höhe des steuerpflichtigen Einkommens dem ermäßigten Steuersatz (und insoweit als Schachteleinnahme gegebenenfalls bei der Obergesellschaft der Nachsteuer) unterliegt, kann nicht dazu führen, den bis zur Höhe des Handelsbilanzgewinns ausgeschütteten Mehrbetrag - dessen steuerliche Behandlung (in früheren Jahren) ohne Bedeutung ist: BFH-Urteil I R 88/69 (a. a. O.) - bei der Obergesellschaft ebenfalls zur Nachsteuer heranzuziehen.

d) Entscheidend schien dem Senat nicht zuletzt auch die Überlegung, daß es nicht der Sinn der Vorschrift des § 9 Abs. 3 KStG sein kann, daß die von der Untergesellschaft außerhalb eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses (verdeckt) ausgeschütteten Beträge - als nicht berücksichtigungsfähige Beträge - von der Nachsteuer freibleiben, während die in Beachtung des Gesetzes ausgeschütteten (und deshalb berücksichtigungsfähigen) Gewinnanteile dagegen der Nachsteuer nur ihrer Berücksichtigungsfähigkeit wegen auch insoweit unterliegen sollen, als sie bei der Untergesellschaft zu keiner Ermäßigung des Steuersatzes geführt haben. Wäre dies richtig, würde die Untergesellschaft gezwungen sein, Ausschüttungen über den im Jahre der Ausschüttung erwirtschafteten Gewinn hinaus (aus Vorträgen oder Rücklagen) verdeckt vorzunehmen (siehe auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 24 zu § 9 KStG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69436

BStBl II 1971, 406

BFHE 1971, 364

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