Leitsatz (amtlich)

Eine Muttergesellschaft ist - als eine Voraussetzung der finanziellen Eingliederung - an der Enkelgesellschaft (Kapitalgesellschaft) auch dann mittelbar beteiligt, wenn die Tochtergesellschaft eine Personengesellschaft ist.

 

Normenkette

KStG § 7a; GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, war einzige Kommanditistin der D-KG. Deren alleinige persönlich haftende Gesellschafterin war die D-GmbH. Alleinige Gesellschafterin der D-GmbH war wiederum die Klägerin. Zwischen der D-GmbH als Organgesellschaft und der Klägerin bestand eine vom Beklagten und Revisionskläger (FA) anerkannte Organschaft.

Die D-KG war mit 82 v. H. der Geschäftsanteile an der F-GmbH und mit 100 v. H. der Geschäftsanteile an der B-GmbH beteiligt. Das FA erkannte Organschaften zwischen der D-KG einerseits und der F-GmbH und der B-GmbH andererseits an. Die Klägerin sowie die D-KG und die F-GmbH befassen sich mit der Herstellung und mit dem Vertrieb von...

Im vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid 1971 der Klägerin und in der Einspruchsentscheidung berücksichtigte das FA nicht die (insgesamt negativen) Ergebnisse der D-KG und ihrer Tochtergesellschaften, da zwischen der Klägerin und der D-KG keine Unternehmenseinheit bestehe.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG hat den vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid 1971 und die Einspruchsentscheidung in der Weise geändert, daß es den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1971 von 259 932 DM auf 50 502 DM herabgesetzt hat. Das FG hat dabei "die für den Steuermeßbetrag maßgebenden Faktoren der KG" bei der Klägerin mitberücksichtigt.

Zur Begründung hat das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 487 veröffentlicht ist, ausgeführt, Unternehmer des unter dem Namen der D-KG geführten Betriebs sei allein die Klägerin. Aus § 5 Abs. 1 GewStG sei zu schließen, eine Personengesellschaft als solche sei nicht Unternehmerin ihres Betriebs, Unternehmer (Mitunternehmer) und Steuerschuldner seien vielmehr ihre Gesellschafter. Im Streitfall werde die D-GmbH als Mitunternehmerin verdrängt durch die Klägerin, weil sie Organgesellschaft der Klägerin sei und damit ihre Selbständigkeit verloren habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG gerügt wird. Das FA ist der Auffassung, die Organschaft zwischen der D-GmbH und der Klägerin habe nicht zur Folge, daß die D-GmbH ihre rechtliche Selbständigkeit verloren habe. Sie sei daher trotz der Organschaft Mitunternehmerin des Betriebs der D-KG.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, die Gewerbeerträge und Gewerbekapitalien der F-GmbH und B-GmbH der Klägerin zuzurechnen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Zwischen der Klägerin und der D-KG bestand keine gewerbesteuerrechtliche Unternehmenseinheit (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 2 GewStG 1968).

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH sind die Betriebe mehrerer Personengesellschaften als gewerbesteuerrechtlich einheitliches Unternehmen anzusehen, wenn die Betriebe wirtschaftlich eng verbunden sind und auch Unternehmeridentität besteht, d. h., wenn sich die Personengesellschaften aus denselben Gesellschaftern zusammensetzen (Urteil vom 5. Mai 1959 I 19/59 U, BFHE 69, 111, BStBl III 1959, 304). Dagegen ist keine gewerbesteuerrechtliche Unternehmenseinheit möglich zwischen zwei Kapitalgesellschaften und zwischen einer Kapitalgesellschaft einerseits und einer Personengesellschaft oder einem Einzelkaufmann andererseits (BFH-Urteil vom 7. März 1961 I 261/60 S, BFHE 72, 578, BStBl III 1961, 211).

Gegen die Anerkennung einer gewerbesteuerrechtlichen Unternehmenseinheit nach dieser Rechtsprechung sind beachtliche Bedenken erhoben worden (Vogel, Die Rechtswirkungen der Unternehmereinheit, 1966). Verstärkt werden diese Bedenken durch die Einwendungen gegen die Behandlung der Gesellschafter der Personengesellschaft als Schuldner der Gewerbesteuer (Knobbe-Keuk, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1975/1976 S. 175), die dadurch eine gesetzliche Bestätigung erfahren haben, daß nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG in der Fassung des Art. 12 Nr. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl I, 3341) im Fall einer Personengesellschaft Schuldner der Gewerbesteuer die Gesellschaft ist.

Der Senat braucht nicht abschließend zu prüfen, ob und wie weit im Hinblick auf diese Bedenken die Rechtsprechung zur Unternehmenseinheit im Gewerbesteuerrecht aufrechterhalten werden kann. Denn ihre Voraussetzungen wären im Streitfall auch nach der bisherigen Rechtsprechung nicht erfüllt. Die Klägerin kann, da sie eine Kapitalgesellschaft ist, nicht in Unternehmenseinheit stehen mit der D-KG. Aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG 1968 hat die Rechtsprechung den Schluß gezogen, daß der Betrieb einer Kapitalgesellschaft - vom Fall der Organschaft abgesehen - stets ein selbständiger Gewerbebetrieb ist (BFH-Urteil I 261/60 S). Daß dies nicht nur im damals entschiedenen Fall der Betriebsaufspaltung, sondern allgemein gilt, folgt aus dem Urteil des Senats vom 7. März 1973 I R 119/71 (BFHE 109, 196, BStBl II 1973, 562).

Besteht somit keine Unternehmenseinheit zwischen der Klägerin und der D-KG, dürfen die Verluste der D-KG weder ganz noch zum Teil den Gewerbeertrag der Klägerin mindern. Die Verlustanteile der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der D-KG, soweit sie den Gewinn der Klägerin gemindert haben, sind wieder hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 1 GewStG 1968). Das gleiche gilt für die D-GmbH, so daß Verlustanteile der D-GmbH auch nicht auf dem Weg über die Organschaft zwischen der D-GmbH und der Klägerin den Gewerbeertrag der Klägerin mindern dürfen.

2. Auf den Hilfsantrag der Klägerin ist weiter zu prüfen, ob zwischen ihr als Organträgerin und der F-GmbH und B-GmbH als Organgesellschaften eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft bestand (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG, § 7 a KStG). Da ausreichende Feststellungen des FG zu dieser Frage fehlen, weil das FG diese Frage von seinem Standpunkt aus nicht zu untersuchen brauchte, geht die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Kein Hindernis für die Annahme einer Organschaft zwischen der Klägerin und der F-GmbH und B-GmbH läge darin, daß die Klägerin an den beiden Kapitalgesellschaften nur mittelbar über die D-KG beteiligt war. Der Senat hat bisher die Beteiligung des Gesellschafters einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile im Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft liegen, nicht als unmittelbare, sondern als mittelbare Beteiligung angesehen (BFH-Urteile vom 4. April 1974 I R 73/72, BFHE 112, 351, BStBl II 1974, 645, und vom 7. April 1976 I R 75/73 BFHE 119, 146, BStBl II 1976, 557). Diese mittelbare Beteiligung genügt als Voraussetzung der finanziellen Eingliederung (§ 7 a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG).

Die D-KG könnte allerdings nicht selbst Organgesellschaft der Klägerin sein (BFH-Urteil vom 17. Januar 1973 I R 253/71, BFHE 108, 51, BStBl II 1973, 269). Sie könnte daher auch nicht Glied einer Kette von Organschaften sein, die von der Klägerin bis zu der F-GmbH und B-GmbH reichte. Nach dem Hilfsantrag der Klägerin soll sie auch gar nicht Organgesellschaft sein, sondern nur die Beteiligung der Klägerin an der F-GmbH und B-GmbH vermitteln.

Daß das nicht möglich sei, wie das FA meint, läßt sich aus dem Gesetz nicht entnehmen. Die Zulassung der mittelbaren Beteiligung als Voraussetzung der finanziellen Eingliederung mag auch darauf zurückzuführen sein, daß damit der Umweg einer Organschaftskette erspart werden sollte (Jurkat, Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, Tz. 258). Aber dieser Gedanke hat im Gesetz selbst keinen Ausdruck gefunden. Er berechtigt daher nicht dazu, das Gesetz einengend in der Weise auszulegen, daß eine mittelbare Beteiligung nur dann als Voraussetzung der finanziellen Eingliederung anzuerkennen sei, wenn die die Beteiligung vermittelnde Gesellschaft auch Zwischenglied einer Organschaftskette sein könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72612

BStBl II 1978, 74

BFHE 1978, 513

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