Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

Legt ein Kläger nach Schluß der mündlichen Verhandlung Belege vor und lehnt das FG die Wiedereröffnung ab, so kann das Recht auf Gehör verletzt sein. Der Verfahrensmangel ist jedoch nur dann ausreichend "bezeichnet" (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), wenn aus der Beschwerdeschrift hervorgeht, weshalb die ablehnende Begründung des FG nicht den an eine Ermessensentscheidung zu stellenden Anforderungen genügen soll.

 

Normenkette

FGO § 93 Abs. 3 S. 2, § 115 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Beim Finanzgericht (FG) ging am Tag nach der mündlichen Verhandlung ein Schriftsatz der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ein, mit dem sie weitere Belege vorlegte. Das FG lehnte die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ab und wies die Klage mit der Begründung, Schulgeldzahlungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes seien nicht ausreichend nachgewiesen, ab. Ferner begründete das FG die Klageabweisung damit, daß Zahlungen an ausländische Schulen grundsätzlich nicht als Sonderausgaben abziehbar seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig.

1. Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) "dargelegt" oder die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 FGO) "bezeichnet" werden. Ist das Urteil des FG auf mehrere die Entscheidung tragende Gründe gestützt, muß hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i. S. von § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden (ständige Rechtsprechung; vgl. Beschluß vom 19. Juni 1995 III B 186/94, BFH/NV 1996, 51).

2. Zur erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muß der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen, inwieweit die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen umstritten ist (vgl. BFH- Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 9. Mai 1995 VIII B 109/94, BFH/NV 1995, 1075).

Dem genügt die vorliegende Beschwerde nicht. Sie läßt nicht erkennen, welche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung haben soll. Der unsubstantiierte Vortrag, in der mündlichen Verhandlung vor dem FG sei auf die grundsätzliche Bedeutung hingewiesen worden und in einem anderen, nicht näher bezeichneten Verfahren habe ein FG die Revision zugelassen, reicht nicht aus.

3. Mit der Rüge, die am Tag nach der mündlichen Verhandlung beim FG eingegangenen Belege hätten noch Eingang in das Verfahren finden müssen, macht die Klägerin konkludent eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.

Gehen Schriftsätze nach Schluß der mündlichen Verhandlung beim FG ein, so muß es von Amts wegen über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO) beschließen. Das FG muß das Für und Wider der Wiedereröffnung aufgrund des Schriftsatzes abwägen. Die Erwägungen müssen zum Ausdruck gebracht werden; denn sonst läßt sich nicht prüfen, ob das FG überhaupt und fehlerfrei sein Ermessen ausgeübt hat. Auf diese Ausführungen haben die Prozeßbeteiligten einen Anspruch; nur so ist sichergestellt, daß das Recht auf Gehör gewährt wurde (BFH-Urteile vom 29. November 1985 VI R 13/82, BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187, und vom 19. Februar 1993 III R 101/89, BFH/NV 1994, 555).

Die "Bezeichnung" eines insoweit gegebenen Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) setzt jedoch die schlüssige Angabe von Tatsachen voraus, aus denen sich eine Verletzung dieser Grundsätze durch das FG ergibt. Hieran fehlt es. Die Beschwerdeschrift läßt nicht erkennen, aus welchen Gründen die Ausführungen des FG im Urteil den an eine Ermessensentscheidung zu stellenden Anforderungen nicht genügen sollen.

Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421256

BFH/NV 1996, 563

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