Entscheidungsstichwort (Thema)

Nowendige Beiladung bei Streit über die Zulässigkeit der Klage

 

Leitsatz (NV)

Von einer nach § 60 Abs. 3 FGO notwendigen Beiladung kann ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist. Eine nach dem Wortlaut der Klageschrift von einer nicht klagebefugten Person erhobene Klage ist nicht offensichtlich unzulässig, wenn die der Klageschrift beigefügte Vollmacht von einer klagebefugten Person unterzeichnet wurde.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 60 Abs. 3

 

Tatbestand

Gesellschafter der vollbeendeten S-KG (KG) waren S als persönlich haftender Gesellschafter und H als Kommanditist.

Durch "Vereinbarung" vom 30. Dezember 1986 verpflichtete sich H, "unwiderruflich als Kommanditist aus der KG mit sofortiger Wirkung auszuscheiden". Das mit dem Ausscheiden des H entstandene Einzelunternehmen wurde durch den Eintritt von drei neuen Gesellschaftern zur OHG, die ihrerseits in die S-GmbH (GmbH) umgewandelt wurde. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH ist S.

Dem Ausscheiden des H lag eine Unterschlagung (unberechtigte Entnahmen aus der Geschäftskasse) des H im Streitjahr und in den Vorjahren in Höhe von 410 000 DM zugrunde. Wegen dieser der KG unrechtmäßig entzogenen Beträge schlossen S und H am 3. Dezember 1987 eine als "Darlehensvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Danach erkannte H an, 410 000 DM aus Darlehen zu schulden. Das Auseinandersetzungsguthaben des H sollte dabei schon berücksichtigt sein. Von H an S abgetretene Lebensversicherungen in Höhe von 250 000 DM sollten bei Fälligkeit an S ausgezahlt werden. Das "Darlehen" wurde zunächst 5 Jahre zinsfrei gewährt. Danach sollte entsprechend der finanziellen Situation des H über die Rückzahlung verhandelt werden.

Im Gewinnfeststellungsbescheid für 1986 vom 19. November 1987, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, wurde der Vorgang zunächst erklärungsgemäß dahin berücksichtigt, daß für H ein Veräußerungsgewinn von ... DM festgestellt wurde.

Nach einer Außenprüfung bei der KG setzte der Beklagte und Beschwerdeführer (Finanzamt -- FA --) den Gewinn der KG um den Betrag von ... DM höher fest. Den unterschlagenen Betrag rechnete es in voller Höhe dem H als Vorabgewinn zu, weil S geltend machte, dieser Betrag sei wegen Vermögenslosigkeit des H nicht mehr zu realisieren.

Gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 31. Juli 1990, der den früheren Gesellschaftern der KG in gesonderten Ausfertigungen bekanntgegeben wurde, legte H Einspruch ein mit dem Antrag, die Gewinnverteilung bezüglich des unterschlagenen Betrages nach dem vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel vorzunehmen, da er nicht vermögenslos sei. Das FA gab dem Einspruch statt, nachdem es den S zum Einspruchsverfahren hinzugezogen hatte.

Gegen die Einspruchsentscheidung hat die "Firma S-GmbH" durch deren Prozeßbevollmächtigten "namens und kraft beigefügter Vollmacht des Klägers" Klage erhoben. Die Prozeßvollmacht lautet wie folgt:"

S-KG, ...

Rechtsnachfolger: S-GmbH ...

Hiermit erteile ich der X-GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft ... die Vollmacht, mich beim Finanzgericht zu vertreten.

Unterschrift

S

Geschäftsführer"

Der Kläger begehrt mit seiner Klage, den Mehrgewinn aus der Unterschlagung ausschließlich dem H zuzurechnen, weil diesem der Mehrgewinn allein zugeflossen sei, außerdem sei der Entschädigungsanspruch des Klägers gegen H wertlos.

Das FA hat im Verfahren der Hauptsache beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen, weil die GmbH zur Klageerhebung nicht befugt sei. Klagebefugt sei allein der frühere Gesellschafter S.

Das Finanzgericht (FG) hat durch Beschluß vom 29. September 1994 den früheren Kommanditisten H zum Verfahren beigeladen. In diesem Beschluß hat es den S als Kläger bezeichnet. Die Entscheidung über die streitige Gewinnverteilung könne nur einheitlich gegenüber allen Feststellungsbeteiligten er gehen (§ 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Klagebefugnis in Verfahren betreffend die einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sei nach Vollbeendigung der KG auf die früheren Gesellschafter übergegangen. Zu dem Klageverfahren eines früheren Gesellschafters seien die übrigen Gesellschafter notwendig beizuladen. Die Beiladung könne ausnahmsweise unterbleiben, wenn die Klage offensichtlich unzulässig sei (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692). Ein solcher Fall sei hier jedoch nicht gegeben.

Gegen diesen Beiladungsbeschluß richtet sich die Beschwerde des FA, der das FG nicht abgeholfen hat. Das FA trägt vor, die Klage sei nach dem klaren Wortlaut der Klageschrift von der GmbH als Rechtsnachfolgerin der KG erhoben worden. Diese Klage sei offensichtlich unzulässig. Eine notwendige Beiladung des H komme deshalb nicht in Betracht.

Das FA beantragt, den Beschluß des FG vom 29. September 1994 aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht den früheren Gesellschafter der KG H zum Klageverfahren beigeladen.

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Im Klageverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1986 geht es allein um die Frage, ob der von H unterschlagene Geldbetrag diesem bei der Gewinnverteilung in voller Höhe oder nur entsprechend dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen ist. Über diese Frage kann gegenüber den früheren Gesellschaftern der KG nur einheitlich entschieden werden (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO).

Das FG durfte auch nicht -- ausnahmsweise -- deshalb von der nach § 60 Abs. 3, § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO gebotenen Beiladung absehen, weil die Klage offensichtlich unzulässig wäre (vgl. dazu die BFH-Urteile in BFH/NV 1991, 692 f.; vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632).

Eine offensichtlich unzulässige Klage wäre allerdings dann gegeben, wenn die Auslegung der Klageschrift hinsichtlich der Bezeichnung der Person des Klägers nur den Schluß zuließe, daß die Klage von der GmbH als Rechtsnachfolgerin der KG erhoben werden sollte (vgl. BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520, und vom 8. Oktober 1991 VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324 m. w. N.). Einer handelsrechtlich vollbeendeten Personengesellschaft steht das Klagerecht nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht mehr zu. Die Klagebefugnis geht auch nicht auf einen Rechtsnachfolger der Personengesellschaft über (BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520). Ein Gewinnfeststellungsbescheid kann nach der Vollbeendigung der Personengesellschaft nur noch von den früheren Gesellschaftern (Feststellungsbeteiligten) angegriffen werden (BFH/NV 1992, 324).

Im Streitfall ist die Klage nach dem Wortlaut der Klageschrift von der GmbH eingelegt worden. Die Bezeichnung der Partei allein ist jedoch für die Beteiligtenstellung nicht ausschlaggebend. Maßgeblich ist, welcher Sinn der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178). Auch bei scheinbar eindeutiger Bezeichnung hängt die Auslegung der Parteibestimmung in der Klageschrift von allen den Empfängern der Klageschrift, also FA und FG, bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umständen tatsächlicher und rechtlicher Art ab (BFH-Beschluß vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH/NV 1986, 171). Dazu gehört auch der Inhalt der (innerhalb der Klagefrist vorgelegten) Vollmacht (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1988 IV R 15/86, BFH/NV 1989, 499; in BFH/NV 1992, 324). Aus der im vorliegenden Klageverfahren eingereichten Vollmacht können Anhaltspunkte dafür entnommen werden, daß die Klage -- trotz der scheinbar eindeutigen Beteiligtenbezeichnung in der Klageschrift -- nicht von der GmbH, sondern von S, gegen den der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid sich richtet, eingelegt werden sollte. S war persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer der KG; die Vollmacht wurde von ihm persönlich unterzeichnet. Im Text der Vollmacht heißt es: "Hiermit erteile ich der ... GmbH ... Vollmacht, mich beim Finanz gericht ... zu vertreten." Das FG hat die Beteiligtenbezeichnung in der Klageschrift unter Berücksichtigung sämtlicher ihm bekannten Umstände, insbesondere des Inhalts der Vollmacht, offenbar dahingehend ausgelegt, daß die Klage für den früheren persönlich haftenden Gesellschafter S erhoben werden sollte. Ob diese Auslegung zutreffend ist, hat der erkennende Senat in diesem Bechwerdeverfahren nicht zu prüfen. Es genügt, daß sie nicht offensichtlich und eindeutig rechtsfehlerhaft ist. Die Zulässigkeit der Klage hängt hier davon ab, ob unter Berücksichtgiung sämtlicher für die Auslegung maßgeblichen Umstände der Gesellschafter S als Kläger in dem vorliegenden Klageverfahren angesehen werden kann. Entgegen der Ansicht des FA ist diese Frage nicht so eindeutig zu beantworten, daß dem früheren Kommanditisten H keine Gelegenheit mehr gegeben werden müßte, zur Zulässigkeit der Klage Stellung zu nehmen (vgl. BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420767

BFH/NV 1995, 1077

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