Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme des Grundstücksveräußerers als Gesamtschuldner/Grundsätzliche Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen und wie lange das FA einen Grundstücksveräußerer als Gesamtschuldner für die Grunderwerbsteuer in Anspruch nehmen kann, wenn nach dem Vertrag der Käufer die Grunderwerbsteuer zu tragen hat, ist durch die Rechtsprechung geklärt und hat keine grundsätzliche Bedeutung.

2. Jeder Gesamtschuldner muß grundsätzlich bis zum Eintritt der Verjährung damit rechnen, vom Finanzamt für die Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen zu werden.

3. Zum pflichtgemäßen Ermessensgebrauch durch das Finanzamt und zur Verwirkung des Grunderwerbsteueranspruchs gegen den Veräußerer bei vorherige (erfolgloser) Inanspruchnahme des Erwerbers.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 13; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann offenbleiben, ob sie mangels ausreichender Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) überhaupt zulässig ist (vgl. dazu Beschluß des Senats vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344). Sie ist zumindest unbegründet, da die Rechtssache nicht die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat.

Grundsätzliche Bedeutung mißt die Klägerin der Frage bei, welche Maßnahmen die Finanzbehörden mit Rücksicht auf die Interessen eines zum Rückgriff berechtigten Gesamtschuldners zu ergreifen haben, insbesondere ob sie den Veräußerer eines Grundstücks in Anspruch nehmen können, wenn sie erfolgversprechende Vollstreckungshandlungen gegen den Erwerber oder eine Benachrichtigung des Veräußerers zu einer Zeit, als dieser noch entsprechende Schritte hätte einleiten können, unterlassen haben. Die Inanspruchnahme des Veräußerers sei immer dann ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde die Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs gegen den Erwerber durch ihr Verhalten vereitele.

Diese Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung bereits geklärt. Diese hat dazu folgende Grundsätze entwickelt: Das Finanzamt (FA) kann innerhalb der Verjährungsfrist grundsätzlich jeden, der nach dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Steuerschuldner ist, als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen. Bis zum Eintritt der Verjährung muß jeder Gesamtschuldner grundsätzlich mit dieser Inanspruchnahme rechnen (vgl. dazu Beschluß des Senats vom 2. Dezember 1987 II R 172/84, BFH/NV 1989, 455). Es entspricht dabei einem pflichtgemäßen Ermessensgebrauch, wenn das FA zunächst den Erwerber zur Grunderwerbsteuer heranzieht, wenn dieser im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den Veräußerer erst dann, wenn die Steuer vom Erwerber nicht zu erlangen ist (Bundesfinanzhof - BFH - vom 12. Mai 1976 II R 187/72, BFHE 119, 188, BStBl II 1976, 579). Durch bloßen Zeitablauf (innerhalb der Verjährung) und die vorherige (erfolglose) Inanspruchnahme des Erwerbers wird der Anspruch gegen den Veräußerer als Gesamtschuldner auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung des Anspruchs setzt vielmehr regelmäßig voraus, daß der Anspruchsberechtigte durch ein bestimmtes Verhalten im Verpflichteten das Vertrauen darauf geweckt hat, daß das Recht nicht mehr ausgeübt werde. Eine Ausnahme könnte nur dann bestehen, wenn die fehlgeschlagene Beitreibung der Steuerforderung gegen den zunächst in Anspruch Genommenen auf einer vorsätzlichen oder sonstigen besonders groben Pflichtverletzung des FA beruht (BFH vom 4. Juli 1979 II R 74/77, BFHE 129, 201, BStBl II 1980, 126).

Ausgehend und im Einklang mit diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist das Finanzgericht (FG) im Streitfall aufgrund seiner mit keiner Verfahrensrüge angegriffenen Sachverhaltsfeststellungen zu dem Ergebnis gekommen, daß weder ein Ermessensfehlgebrauch noch eine Verwirkung der Inanspruchnahme der Klägerin entgegenstehen.

Die Klägerin trägt in der Beschwerdeschrift keine Gesichtspunkte vor, die eine erneute Überprüfung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze geboten erscheinen lassen. Durch die von ihr herausgestellte Rechtsfrage, so wie sie in der Beschwerdeschrift formuliert ist, wird auch keine neue Abgrenzungsproblematik aufgeworfen. Die von der Klägerin speziell angesprochene Frage, welche Folgen es hat, wenn das FA die Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs gegen den Erwerber durch sein Verhalten vereitelt, stellt sich in dieser Form im Streitfall nicht. Selbst wenn das FA die Klägerin zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen oder informiert hätte, als eine Anfechtung der Nießbrauchsbestellung zugunsten des Sohnes des Erwerbers zeitlich noch möglich gewesen wäre, hätten nach Auffassung des FG ebenfalls nur geringe Erfolgsaussichten bestanden für die Realisierung des Rückgriffsanspruchs der Klägerin gegen den Erwerber. Selbst wenn man das Verhalten des FA als Pflichtverstoß werten würde, wäre dieser im Streitfall für die Vereitelung des Rückgriffsanspruchs der Klägerin gegen den Erwerber nicht ursächlich gewesen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird daher durch den Rechtsstreit nicht aufgeworfen.

Im übrigen läuft die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde darauf hinaus, daß das FG im Streitfall materiell unrichtig entschieden habe. Damit wird jedoch ein Zulassungsgrund nicht dargetan.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417137

BFH/NV 1991, 481

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