Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (NV)

Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, sich in den Entscheidungsgründen mit tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen der Beteiligten auseinanderzusetzen, auf die es für die Entscheidung nicht ankommt.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nrn. 3, 6

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist freiberuflich tätig. Im Jahr 1981 nahm der Kläger Darlehen in DM auf, um damit festverzinsliche Wertpapiere zu erwerben. Diese Darlehen wandelte er nachträglich in Fremdwährungsdarlehen (Schweizer Franken -- sfr --) um, da für diese wesentlich niedrigere Zinsen zu entrichten waren.

In den Streitjahren 1983 und 1984 versteuerte der Kläger die Erträge aus den festverzinslichen Wertpapieren als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dabei machte er Verluste in Höhe von ... DM, die er bei der Rückzahlung der Fremdwährungsdarlehen im Jahre 1984 erlitten hatte, einkünftemindernd geltend. Dieser Verlust ergab sich aus dem zwischenzeitlich eingetretenen Kursanstieg des sfr, durch den sich der Rückzahlungsbetrag entsprechend erhöhte. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte die Kursverluste nicht einkünftemindernd bei den Veranlagungen des Klägers zur Einkommensteuer 1983 und 1984.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht zugelassen.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nicht zulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, rügt der Kläger als Verfahrensmangel, das FG sei in den Urteilsgründen (anders als in dem vorangegangenen Gerichtsbescheid) nicht auf seinen Einwand eingegangen, daß der Fiskus zunächst an den höheren Erträgen infolge der Fremdwährungsverschuldung partizipiert habe; es sei deshalb sachgerecht, ihn nunmehr auch an dem eingetretenen Kursverlust zu beteiligen. Es sei verfahrensrechtlich nicht vertretbar, diese rechtserhebliche Frage im Urteil zu übergehen.

Die Revision sei auch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Zwar habe sich der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 9. November 1993 IX R 81/90 (BFHE 173, 97, BStBl II 1994, 289) bereits mit der streitigen Frage befaßt. Er habe in den Urteilsgründen jedoch zu Unrecht ausgeführt, "bei Kursschwankungen tragen dagegen beide Seiten ein Risiko" (vgl. dazu Maly, Finanz-Rundschau 1994, 459). Da nicht auszuschließen sei, daß dieser unzutreffende Gesichtspunkt für die Entscheidung maßgeblich gewesen sei, solle dem BFH noch einmal Gelegenheit zur Überprüfung seines Standpunktes gegeben werden.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der Kläger hat in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt, welche verfahrensrechtliche Vorschrift er durch das FG als verletzt ansieht. Möglicherweise will er mit der Verfahrensrüge als absoluten Revisionsgrund geltend machen, das FG-Urteil sei teilweise nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). In Betracht kommt ferner der Revisionsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Unter beiden Gesichtspunkten ist ein Verfahrensmangel i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht schlüssig dargetan. Mit der Rüge, das FG-Urteil sei teilweise nicht mit Gründen versehen, kann der Kläger im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht gehört werden, weil für diese Rüge die zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO eröffnet ist (BFH- Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) verpflichtet das Gericht, Anträge und Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Sie findet ihre notwendige Ergänzung in der Pflicht des Gerichts zu einer Begründung seiner Entscheidung, aus der erkennbar wird, daß es seiner Verpflichtung, das wesentliche tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nachgekommen ist (BFH-Urteil vom 29. November 1990 IV R 30/90, BFH/NV 1991, 531, m. w. N.). Das Gericht muß sich jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen. Im allgemeinen ist davon auszugehen, daß das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, daß das Gericht wesentliche Ausführungen eines Beteiligten bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht berücksichtigt hat, ist das rechtliche Gehör verletzt (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. z. B. Beschlüsse vom 27. März 1980 2 BvR 316/80, BVerfGE 54, 39, und vom 15. April 1980 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86).

Im Streitfall ist schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers in der Beschwerdeschrift davon auszugehen, daß das FG seinen Einwand, der Fiskus habe in den Vorjahren aus der Finanzierung des Erwerbs der Wertpapiere durch ein (niedrig verzinsliches) Fremdwährungsdarlehen Nutzen gezogen, bei seiner Entscheidung geprüft und in Erwägung gezogen hat; denn der Kläger trägt selbst vor, daß das FG im Gerichtsbescheid, der dem angefochtenen Urteil vorausgegangen ist, auf diesen Einwand ausdrücklich eingegangen ist. Wenn das FG in den Urteilsgründen diesen Einwand nicht mehr behandelt hat, kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, es habe das Vorbringen des Klägers insoweit nicht zur Kenntnis genommen; vielmehr spricht dieser Umstand gerade dafür, daß es seine Feststellung im Gerichtsbescheid, der Fiskus habe aus der vom Kläger gewählten Finanzierung keinen Nutzen gezogen, nicht mehr aufrecht erhalten wollte. Es hat diesen Gesichtspunkt aber ersichtlich nicht als entscheidungserheblich angesehen. Mit tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen eines Beteiligten, auf die es für die Entscheidung nicht ankommt, braucht sich das Gericht in den Urteilsgründen nicht auseinanderzusetzen.

2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob Kursverluste aus Fremdwährungsdarlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden können, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt ist. Der erkennende Senat hat wiederholt entschieden, daß der Wertverlust einer Darlehensforderung bei der Einkunftsart Kapitalvermögen nicht als Werbungskosten abgezogen werden kann (vgl. die Nachweise in BFHE 173, 97, 99, BStBl II 1994, 289). Er hat ferner entschieden, daß Abwertungsverluste einer Forderung infolge Verschlechterung des Wechselkurses nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzuerkennen sind (Urteil vom 9. Oktober 1979 VIII R 67/77, BFHE 129, 132, BStBl II 1980, 116). In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat der IX. Senat des BFH den Werbungskostenabzug von Kursverlusten bei Fremdwährungsdarlehen im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abgelehnt (BFHE 173, 97, BStBl II 1994, 289). Der Kläger hat in der Beschwerdeschrift keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die es geboten erscheinen lassen, den Rechtsstandpunkt des BFH zu überprüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421847

BFH/NV 1997, 489

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