Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiladung des Haftungsschuldners

 

Leitsatz (NV)

Die in §60 Abs. 1 Satz 1 FGO vorgesehene Beiladung des Haftungsschuldners ist eine einfache Beiladung. Sie ist regelmäßig nicht geboten, wenn der Haftungsschuldner zu den in §166 AO 1977 genannten Personen (im Streitfall: Liquidator der Steuerschuldnerin) gehört.

 

Normenkette

FGO § 60; AO 1977 § 166

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH, die sich in Liquidation befindet.

Sie ist zur Umsatzsteuer für das Jahr 1985 veranlagt worden. Die Klägerin hat gegen den Umsatzsteuerbescheid Klage erhoben; streitig sind im wesentlichen Vergünstigungen nach dem Berlinförderungsgesetz. Die Klage ist beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen ... anhängig.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war im Jahre 1985 der Geschäftsführer der Klägerin; seit ihrer Liquidation ist er ihr Liquidator.

Der Beklagte (das Finanzamt -- FA --) nahm den Antragsteller wegen von der Klägerin für die Zeit ab August 1985 geschuldeter Umsatzsteuer mit Haftungsbescheid in Anspruch; das FA bejahte insoweit eine Steuerhinterziehung zugunsten der Klägerin und stützte den Haftungsbescheid auf §§71, 370 der Abgabenordnung (AO 1977).

Der Antragsteller beantragte deshalb seine Beiladung zu dem oben genannten Rechtsstreit beim FG. Das FG lehnte die Beiladung ab, wobei es darauf hinwies, daß der Antragsteller die unanfechtbare Steuerfestsetzung ohnehin nach §166 AO 1977 als Vertreter der Klägerin gegen sich gelten lassen müsse.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der vorliegenden Beschwerde. Er hält es für möglich, daß ein Fall der notwendigen Beiladung vorliege. Jedenfalls meint er, das FG habe übersehen, daß es nicht um die Beiladung einer unter den Anwendungsbereich des §166 AO 1977 fallenden Person gehe, er (der Antragsteller) vielmehr wegen Steuerhinterziehung in Anspruch genommen worden sei.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach §60 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Finanzgericht von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie nach §60 Abs. 3 Satz 1 FGO beizuladen (notwendige Beiladung).

1. Wie bereits das FG zutreffend ausgeführt hat, liegt kein Fall einer notwendigen Beiladung vor. Die in §60 Abs. 1 Satz 1 FGO vorgesehene Beiladung des Haftungsschuldners ist eine einfache Beiladung und keine notwendige Beiladung i. S. des §60 Abs. 3 Satz 1 FGO (ebenso Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §60 Rz. 41).

Eine notwendige Beiladung liegt nur vor, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343, und vom 19. April 1988 VII R 56/87, BFHE 153, 472, BStBl II 1988, 789). Diese Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung sind im Streitfall nicht erfüllt. Auch wenn das FG den gegen die Klägerin ergangenen Umsatzsteuerbescheid bestätigt, folgt daraus nicht notwendig, daß das FA den gegen den Antragsteller ergangenen Haftungsbescheid aufrechterhalten muß.

2. Die vom Antragsteller begehrte Beiladung kommt zwar nach §60 Abs. 1 Satz 1 FGO in Betracht; sie erscheint dem Senat aber in Übereinstimmung mit dem FG nicht geboten.

Die Beiladung dient einmal dem Interesse des Beizuladenden. Dieser soll durch die Beiladung die Möglichkeit erhalten, auf das Verfahren Einfluß zu nehmen, um dadurch zu verhindern, daß die Entscheidung seine Rechtsstellung nachhaltig berührt. Ferner soll die Beiladung der Prozeßökonomie und der Rechtssicherheit dienen; sie soll widersprechende Entscheidungen über denselben Gegenstand vermeiden. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen allein gebietet aber eine Beiladung noch nicht (BFH-Beschluß vom 6. Mai 1988 VI B 35/87, BFH/NV 1989, 113). Im Streitfall hat der Antragsteller bereits als Liquidator der Klägerin ausreichend Gelegenheit, auf das Verfahren Einfluß zu nehmen. Er kann schon in dieser Eigenschaft alle Angriffsmittel gegen den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vorbringen. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen ist gering: Hat die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid Erfolg, ist zu erwarten, daß das FA den vom Antragsteller angefochtenen Haftungsbescheid zu dessen Gunsten ändern wird; hat die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid keinen Erfolg, muß der Antragsteller die unanfechtbar gewordene Steuerfestsetzung unter den Voraussetzungen des §166 AO 1977 (anders als in der BFH-Entscheidung vom 15. Mai 1997 VII B 5/97) gegen sich gelten lassen. Für die Anwendbarkeit des §166 AO 1977 ist ausreichend, daß der Antragsteller gesetzlicher Vertreter der Klägerin ist; es ist nicht erforderlich, daß er in dieser Eigenschaft gemäß §69 AO 1977 als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wurde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66672

BFH/NV 1998, 48

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