Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweis der Absendung eines Bescheids durch das Finanzamt beim Fehlen eines Absendevermerks

 

Leitsatz (NV)

  1. Nach der Rechtsprechung des BFH kann die Tatsache der Absendung eines Bescheids durch das Finanzamt beim Fehlen eines Absendevermerks in den Akten des Finanzamts nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden.
  2. Das Fehlen eines Absendevermerks schließt es nach der BFH-Rechtsprechung jedoch nicht aus, den Beweis durch Indizienbeweis zu führen.
 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 2; AO 1977 § 122 Abs. 2

 

Tatbestand

I. Mit Bescheid vom 21. April 1997 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Grunderwerbsteuer in Höhe von 28 000 DM für einen Erwerbsvorgang vom 30. Dezember 1996 fest. Nach Angabe des FA ist der Bescheid noch am gleichen Tag zur Post gegeben worden. Die entsprechende Verfügung in den Akten des FA enthält keinen Absendevermerk.

Mit Schreiben vom 7. Juli 1998 legte der Kläger gegen den Bescheid Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren machte er geltend, dass er den Bescheid nicht erhalten habe. Der Einspruch wurde vom FA wegen Versäumung der Frist als unzulässig verworfen.

Mit der dagegen gerichteten Klage wurde eine Herabsetzung der festgesetzten Grunderwerbsteuer begehrt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Zutreffend habe das FA den Einspruch als unzulässig verworfen. Die den Verwaltungsakt absendende Behörde trage die Beweislast für den Zugang des Verwaltungsakts. Bestimmte Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Steuerbescheids könnten vom FG im Wege einer freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dahin gehend gewürdigt werden, dass ―entgegen der Behauptung des Steuerpflichtigen― von einem Zugang des Steuerbescheids auszugehen sei. Es handele sich hierbei um einen Indizienbeweis, nicht um einen Beweis des ersten Anscheins. Dies gelte auch, wenn der Absendevermerk fehle. In diesem Fall sei zu berücksichtigen, dass ein gewichtiges Indiz für den Zugang des entsprechenden Bescheids fehle. Deswegen könne nur dann im Wege der freien Beweiswürdigung vom Zugang des entsprechenden Bescheids ausgegangen werden, wenn gewichtige Indizien gerade für die hohe Wahrscheinlichkeit des Zugangs sprächen. Im Wege einer Gesamtwürdigung mehrerer Indizien und Umstände ergebe sich, dass der Kläger den Bescheid erhalten habe. Die Revision hat das FG nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, mit der dieser eine Abweichung des FG von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Grund zur Zulassung der Revision geltend macht.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unbegründet, da kein Grund zur Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

1. Das Urteil des FG weicht nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von dem BFH-Urteil vom 14. März 1989 VII R 75/85 (BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534) ab.

Das FG hat keinen Rechtssatz aufgestellt, der zu einem Rechtssatz in der angezogenen BFH-Entscheidung in Widerspruch steht. Die Entscheidung des FG beruht auf der Auffassung, dass der bestrittene Zugang eines Steuerbescheids im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO aufgrund eines Indizienbeweises auch dann festgestellt werden könne, wenn in den Akten des FA kein Absendevermerk für den Bescheid vorhanden ist. In dem Urteil in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534 hat der BFH entschieden, dass der Nachweis des Zugangs eines schriftlichen Verwaltungsakts nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises erfolgen könne; vielmehr würden die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere die des Indizienbeweises, gelten. Zwar hatte der BFH in diesem Urteil über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem ein Absendevermerk in den Akten des FA vorhanden war. Gleichwohl kann der Entscheidung nicht ―auch nicht sinngemäß― die Auffassung entnommen werden, dass beim Fehlen eines Absendevermerks der Zugang eines Verwaltungsakts nicht nach den allgemeinen Beweisregeln, insbesondere denen des Indizienbeweises, nachgewiesen werden könne. Die Auffassung des FG steht daher nicht nur nicht in Widerspruch zu dem BFH-Urteil, sondern geht sogar von dessen Rechtsauffassung aus.

2. Die Entscheidung des FG steht auch nicht in Widerspruch zu dem ―vom Kläger nicht angeführten― BFH-Urteil vom 28. September 2000 III R 43/97 (BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211). Nach dieser Entscheidung kann zwar die Absendung eines Bescheids durch das FA bei fehlendem Absendevermerk nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden, ein Beweis aufgrund eines Indizienbeweises ist jedoch auch nach dieser Entscheidung ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

3. Im Übrigen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde sinngemäß nur gegen die Rechtmäßigkeit der vom FG vorgenommenen Beweiswürdigung im Einzelnen. Damit wird kein Grund zur Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 780266

BFH/NV 2002, 1329

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