Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulagenrechtliche Verbleibensanforderungen bei Transportmitteln

 

Leitsatz (NV)

1. Die zeitlichen Verbleibensvoraussetzungen für Transportmittel im Verkehr von und nach dem Fördergebiet hat der BFH im Regelfall dann nicht mehr als erfüllt angesehen, wenn die Fahrzeuge innerhalb der dreijährigen Verbleibensfrist wenigstens einmal länger als vierzehn Tage von dem Fördergebiet abwesend waren.

2. Darüber hinaus hat der BFH es -- ohne allerdings bislang abschließend darüber zu entscheiden -- für möglich angesehen, im Einzelfall auf besonderen Umständen beruhende, noch längere Abwesenheitszeiten zu berücksichtigen, sei es daß sie reparatur- oder streikbedingt sind, sei es daß sie ausnahmsweise infolge längerer Auslandsfahrten entstehen.

 

Normenkette

InvZulG 1991 § 2 S. 1 Nr. 2

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist durch Beschluß zu verwerfen (§132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890, ständige Rechtsprechung). Eine durch den BFH geklärte Rechtsfrage ist regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit im allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt aber vor allem dann, wenn gewichtige neue rechtliche Gesichtspunkte in der Rechtsprechung oder in der Literatur vorgetragen worden sind, die der BFH noch nicht geprüft hat. In diesem Fall hat die Beschwerde allerdings in der Begründung substantiiert darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser (bereits entschiedenen) Rechtsfrage umstritten und inwiefern sie im Allgemeininteresse klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden ist. Dazu ist es erforderlich, daß der Kläger ausgehend von der Entscheidung des BFH im einzelnen in der Beschwerdeschrift konkret darlegt, welche neuen gewichtigen rechtlichen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage in welcher Entscheidung der Finanzgerichte und/oder dem Schrifttum vorgetragen werden, die der BFH bisher noch nicht geprüft hat (BFH-Beschluß vom 20. Dezember 1995 VIII B 83/95, BFH/NV 1996, 468, m. w. N.). Zur Begründung des allgemeinen Interesses reicht der Vortrag nicht aus, die Rechtsfrage sei bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden (vgl. BFH- Beschluß vom 17. Juni 1997 VIII B 72/96, BFH/NV 1997, 882, m. w. N.). Ebensowenig wird ein Zulassungsgrund durch die Begründung dargetan, das Finanzgericht (FG) habe im konkreten Fall das Recht unzutreffend angewendet (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Oktober 1992 III B 16/92, BFH/NV 1993, 546, ständige Rechtsprechung).

3. a) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob die für Transportmittel von der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon für frühere, regional begrenzte Fördergesetze aufgestellten Kriterien hinsichtlich der Einhaltung der sog. Verbleibensvoraussetzung auch für das Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1991 gelten, ist vom BFH bereits entschieden worden.

Ein Wirtschaftsgut verbleibt grundsätzlich nicht i. S. von §2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1991 im Fördergebiet, wenn es auch nur kurzfristig außerhalb des Fördergebietes zum Einsatz kommt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5. Juni 1997 III R 186/94, BFH/NV 1997, 900 zu §19 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes -- BerlinFG --). Das Erfordernis des Verbleibens verlangt grundsätzlich, daß für das zulagenbegünstigte Wirtschaftsgut zumindest eine dauerhafte zeitliche und räumliche Bindung an eine Betriebsstätte im Fördergebiet besteht. Ob dies der Fall ist, muß jeweils ggf. unter Berücksichtigung der Eigenart und der Zweckbestimmung des betreffenden Wirtschaftsguts im Rahmen der Verbleibensanforderungen bestimmt werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 15. Mai 1997 III R 264/94, BFH/NV 1997, 898 zu §19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG). Dementsprechend hat der BFH insbesondere bei Transportmitteln in seiner Rechtsprechung Ausnahmen von den strengen investitionszulagenrechtlichen Verbleibensregelungen zugelassen. Jedoch wird bei Transportmitteln an dem Erfordernis der räumlichen Bindung an das Fördergebiet festgehalten und dabei stets über eine lediglich funktionelle Bindung an den Stammbetrieb hinaus verlangt, daß das betreffende Fahrzeug überwiegend (an mindestens 183 Tagen im Jahr) und zugleich regelmäßig, d. h. ohne größere zeitliche Unterbrechung, Fahrten innerhalb des Fördergebietes oder wenigstens von und nach dem Fördergebiet ausführt (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 23. Mai 1990 III R 76/87, BFHE 161, 281, BStBl II 1990, 1013, und in BFH/NV 1997, 898, beide zu §19 BerlinFG, sowie den Beschluß des erkennenden Senats vom 9. Mai 1996 III B 242/95, BFH/NV 1996, 932 zur Investitionszulagen-Verordnung und zum InvZulG 1991). Die zeitlichen Verbleibensvoraussetzungen für Transportmittel im Verkehr von und nach dem Fördergebiet hat der beschließende Senat zumindest dann im Regelfall nicht mehr als erfüllt angesehen, wenn die Fahrzeuge innerhalb der dreijährigen Verbleibensfrist wenigstens einmal länger als 14 Tage von dem Fördergebiet abwesend waren, ohne daß dies mit ggf. zu berücksichtigenden fahrtbedingten Umständen begründet werden kann (vgl. BFH in BFH/NV 1997, 898). Mit diesen durch die Auslegung der Verbleibensanforderungen bei Transportmitteln durch den erkennenden Senat gezogenen Grenzen ist die rechtlich geforderte Anbindung der geförderten Transportmittel an das Fördergebiet gewährleistet. Andererseits werden die Transportmittel nicht unnötig und dem wirtschaftlichen Förderzweck widersprechend an das Fördergebiet gefesselt (BFH in BFH/NV 1997, 898). Die Rechtsprechung hat damit gerade den branchenbedingten Besonderheiten des Transportverkehrs mit LKW Rechnung getragen, um eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der im Fördergebietsverkehr eingesetzten Transportmittel zu ermöglichen.

Der BFH hat vor allem darauf hingewiesen, daß eine zu großzügige Auslegung der Verbleibensvoraussetzungen in Fällen wie dem vorliegenden Speditionsunternehmen in den alten Bundesländern entgegen den regionalen Wirtschaftsförderungszwecken der Fördergesetze ungerechtfertigt benachteiligen könnte (BFH in BFH/NV 1996, 932). In seinem Urteil in BFH/NV 1997, 900, 901 hat der erkennende Senat ausdrücklich auf die insoweit vergleichbaren Vorschriften des §2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1991 hingewiesen und den dazu ergangenen Beschluß in BFH/NV 1996, 932 in Bezug genommen.

b) Für den Berlin-Verkehr hat der BFH die Ausnahme der 14-Tage-Regelung von ihrem zeitlichen Umfang her trotz der grundsätzlich gebotenen strikten Einhaltung der Verbleibensvorschriften als noch zulagenunschädlich erachtet, weil üblicherweise Zielorte im übrigen Bundesgebiet und im angrenzenden Ausland innerhalb dieses zeitlichen Rahmens zu erreichen sind. Darüber hinaus hat der BFH es -- ohne allerdings bislang abschließend darüber zu entscheiden -- für möglich angesehen, im Einzelfall auf besonderen Umständen beruhende, noch längere Abwesenheitszeiten zu berücksichtigen, sei es, daß sie reparatur- oder streikbedingt sind, sei es daß sie ausnahmsweise infolge längerer Auslandsfahrten entstehen (BFH in BFH/NV 1997, 898; BFH-Urteil vom 28. August 1997 III R 3/94, BStBl II 1997, 827, Nr. II. 2. b der Entscheidungsgründe). Der BFH hat indes keine Notwendigkeit gesehen, über diese auch von der Finanzverwaltung anerkannte Toleranzgrenze (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 28. August 1991, BStBl I 1991, 768, Tz. 48 zu §2 InvZulG 1991, und des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Dezember 1994, BStBl I 1995, 18, Tz. 3 zum InvZulG 1991 und 1993) -- abgesehen von den erwähnten unvorhersehbaren Ausnahmen in Einzelfällen -- generell zulagenrechtlich hinauszugehen. Vor allem hat der BFH keine überzeugenden Gründe gesehen, die eine bestimmte längere Frist, z. B. von einem Monat, rechtfertigen könnten (vgl. BFH in BFH/NV 1997, 898 und 900). Das InvZulG 1991 verfolgt in vergleichbarer Weise wie das BerlinFG ebenfalls nur regionale Förderungszwecke. Deshalb hat der BFH eine von der Rechtsprechung zum BerlinFG abweichende Auslegung nicht für sachlich gerechtfertigt erachtet (BFH in BFH/NV 1997, 900, 901; BFH/NV 1996, 932).

c) Diese Rechtsprechung befindet sich nicht nur in Übereinstimmung mit der durch die Finanzverwaltung vorgenommenen Auslegung des §2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1991. Auch die Finanzgerichte (vgl. Urteile des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Januar 1996 5 K 2087/95, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 487, und des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 16. August 1995 II 171/93, EFG 1996, 485, beide rechtskräftig) und das Schrifttum stimmen ihr zu (vgl. Söffing in Lademann, Einkommensteuergesetz, §2 InvZulG Ziffer 55; Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz, §2 InvZulG 1996 Rz. 58; Zitzmann in Der Betrieb 1992, 1543, 1546 f.).

d) Die Beschwerde setzt sich mit der zitierten jüngsten Rechtsprechung des erkennenden Senats, die die Grundsätze sowie die zulässigen Ausnahmen bei der Auslegung und Anwendung des Merkmals "verbleiben" auch für das InvZulG 1991 ausdrücklich bestätigt hat, nicht auseinander. Ebensowenig geht sie auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung und das Schrifttum ein.

Soweit die Beschwerde das Urteil des FG Brandenburg vom 13. Juni 1995 3 K 515/94 I (EFG 1996, 110, Revision III R 113/95) heranzieht, betrifft dieses die Besonderheiten bei Schiffen, stellt indessen die Grundsätze für LKW und Omnibusse nicht in Frage.

Die Beschwerde legt damit nicht die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage für das InvZulG 1991 dar. Vielmehr beanstandet sie im Kern die Richtigkeit dieser Rechtsprechung in der Art einer Revisionsbegründung und legt damit keinen Zulassungsgrund i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO dar.

Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 302981

BFH/NV 1998, 1528

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