Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenveranlagung - keine Gesamtgläubigerschaft

 

Leitsatz (NV)

Zusammenveranlagte Ehegatten sind hinsichtlich eines Erstattungsanspruchs nicht Gesamtgläubiger. Der Gläubiger eines Ehegatten kann dessen (anteiligen) Erstattungsanspruch pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Es bedarf nicht der Pfändung eines Auseinandersetzungsanspruchs.

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 2; EStG §§ 26b, 36 Abs. 4 S. 2; FGO § 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

Die Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) erzielten im Streitjahr u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die hierbei vom jeweiligen Arbeitgeber einbehaltene Lohnsteuer und Kirchensteuer betrug für den Antragsteller . . . DM und für die Antragstellerin . . . DM. Die Zusammenveranlagung der Antragsteller zur Einkommensteuer führte zu einer Steuerfestsetzung von 0 DM und zu einem Guthaben in Höhe der einbehaltenen Steuerabzugsbeträge. Das beklagte Finanzamt (FA) zahlte aufgrund eines gegen den Antragsteller gerichteten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses den aus den Steuerabzügen des Antragstellers stammenden Erstattungsbetrag von . . . DM an dessen Gläubiger aus und überwies das Restguthaben auf das Konto der Antragstellerin.

Mit der Klage gegen den ihnen erteilten Abrechnungsbescheid über das Einkommensteuerguthaben wenden sich die Antragsteller gegen die Auszahlung des Teilbetrages an den Pfändungsgläubiger. Sie machen geltend, sie seien aufgrund der Zusammenveranlagung Gesamtgläubiger des Erstattungsbetrages. Da der Pfändungsgläubiger keinen Titel gegen die Gesamtgläubiger, sondern nur einen Titel gegen den Antragsteller (Ehemann) erwirkt habe, stehe ihnen der an den Gläubiger überwiesene Betrag weiterhin zu. Das Finanzgericht (FG) hat über die Klage noch nicht entschieden. Den bei ihm gestellten Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren und Beiordnung des Rechtsanwalts X. als Bevollmächtigten hat das FG mit folgender Begründung abgelehnt:

Der Antrag sei unbegründet; die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie der überwiegenden Meinung im Schrifttum stehe, wenn Eheleute zusammen veranlagt würden, ein etwaiger Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, der die zu erstattende Steuer an das FA gezahlt habe. Aus dem Umstand, daß zusammenveranlagte Ehegatten hinsichtlich einer etwaigen Steuerschuld Gesamtschuldner seien, folge nicht eine Gesamtgläubigerschaft für ihre Erstattungsansprüche. Hierfür fehle es, wie der BFH insbesondere in seinem Urteil vom 19. Oktober 1982 VII R 55/80 (BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162) ausgeführt habe, an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.

Da für die im Lohnsteuerabzugsverfahren entrichteten Steuern der jeweilige Arbeitnehmer als Leistender anzusehen sei, sei im Streitfall der Antragsteller (Ehemann) alleiniger Erstattungsberechtigter der von seinem Arbeitslohn einbehaltenen Steuerabzugsbeträge gewesen. Diesen Erstattungsbetrag habe das FA jedoch aufgrund des vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Pfändungsgläubiger überweisen müssen. Da hierdurch der Erstattungsanspruch des Ehemannes erloschen sei, könnten die Antragsteller keine weiteren Zahlungen verlangen.

Mit der Beschwerde halten die Antragsteller ihren Antrag auf Gewährung von PKH und Beiordnung des Rechtsanwalts für das Klageverfahren aufrecht. Sie sind der Auffassung, die vom FG zitierte BFH-Rechtsprechung sei auf den Streitfall nicht anwendbar. Sie stelle auf die Probleme innerhalb des konkreten Steuerschuldverhältnisses von zusammenveranlagten Ehegatten ab. Über die steuerliche Behandlung zusammenveranlagter Eheleute im Verhältnis zu außenstehenden privaten Pfändungsgläubigern sei aber noch nicht entschieden. Das FG verkenne, daß eine Gesamtgläubigerschaft zwischen mehreren Personen nicht nur im Wege einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, sondern auch durch eine konkludente Vereinbarung zwischen den beteiligten Gläubigern mit Wirkung für und gegen Dritte begründet werden könne. Insbesondere bei Ehegatten bestehe eine Vermutung dafür, daß sie aus den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens - worunter auch die Abgabe der Steuererklärungen falle - gemeinschaftlich berechtigt und verpflichtet sein wollten; zumindest sei auch bei ihren Steuererstattungsansprüchen von einem dahingehenden stillschweigenden Konsens auszugehen. Der Pfändungsgläubiger müsse deshalb in diesem Falle den Auseinandersetzungsanspruch des gesamthänderisch beteiligten Schuldners pfänden. Der vom BFH in BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162 entschiedene Fall unterscheide sich zudem vom Streitfall dadurch, daß dort auf Antrag der Ehegatten bereits ein Aufteilungsbescheid ergangen war und somit - im Gegensatz zum Streitfall - eine Gesamtgläubigerschaft oder ein entsprechender Konsens der Ehegatten nicht mehr bestanden habe.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet, denn die Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das FG hat den Antragstellern zu Recht die beantragte PKH für ihre Klage gegen den Abrechnungsbescheid über die Einkommensteuer versagt. Die Klage hat nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO). Der Steuererstattungsanspruch (§ 37 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 36 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) stand in Höhe des Betrages, der dem Pfändungsgläubiger überwiesen worden ist, dem Antragsteller (Ehemann) zu. Er ist - wie das FA im Abrechnungsbescheid und das FG im Urteil festgestellt haben - durch die Zahlung an den Pfändungsgläubiger erloschen (§ 47 AO 1977), da dieser einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß gegen den Antragsteller erwirkt hatte.

1. Bei der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer werden die Ehegatten nach der Zusammenrechnung der von ihnen erzielten Einkünfte zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (§ 26 b EStG). Sie sind hinsichtlich einer etwaigen Steuerschuld Gesamtschuldner (§§ 44, 268 AO 1977). Daraus ergibt sich aber mangels entsprechender Rechtsgrundlage - wie der Senat in BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162 entschieden hat - nicht, daß die Ehegatten auch Gesamtgläubiger eines Erstattungsanspruchs sind, der aus von ihnen entrichteten Überzahlungen herrührt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht bei zusammenveranlagten Eheleuten der Erstattungsanspruch, der sich nach der Steuerfestsetzung und Abrechnung mit den Vorauszahlungen oder Lohnsteuerabzugsbeträgen - wie im Streitfall - ergibt (§ 36 Abs. 4 Satz 2 EStG), demjenigen Ehegatten zu, der die zu erstattende Steuer an das FA gezahlt hat bzw. auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (Urteile des Senats in BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162, und vom 25. Juli 1989 VII R 117/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, m. w. N.). Dem entspricht die Regelung des § 37 Abs. 2 AO 1977, wonach, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung einer Steuer später weggefallen ist, derjenige einen Erstattungsanspruch hat, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Für die Erstattungsberechtigung muß also grundsätzlich geprüft werden, welcher der Ehegatten den zu erstattenden Betrag an das FA gezahlt hat. Das läßt sich in den Fällen der Barzahlung oder Überweisung von Steuerbeträgen häufig schwer feststellen (vgl. dazu Urteil des Senats in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41). In dem hier vorliegenden Fall, in dem die Erstattung allein Steuern betrifft, die im Wege des Steuerabzugs von den Arbeitslöhnen der zusammenveranlagten Ehegatten einbehalten worden sind (§ 38 Abs. 2 EStG), steht dagegen fest, daß die Steuern für Rechnung des jeweiligen Arbeitnehmers an das FA gezahlt (abgeführt) worden sind (vgl. BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162, und Urteil vom 5. April 1990 VII R 2/89, BFHE 160, 400, BStBl II 1990, 719, 721). Hier bestimmt sich die Höhe des Erstattungsanspruchs eines Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO 1977 grundsätzlich nach dem Verhältnis der bei den Ehegatten einbehaltenen Steuerabzugsbeträge (vgl. Urteil des Senats vom 1. März 1990 VII R 103/88, BFHE 160, 128, BStBl II 1990, 520, 523, m. w. N.; Schmidt / Seeger, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 26 b Anm. 5). Ist - wie im Streitfall - als Folge der Steuerfestsetzung auf 0 DM die gesamte einbehaltene Lohnsteuer (und Kirchensteuer) zu erstatten, so hat jeder Ehegatte Anspruch auf Erstattung der von seinem Arbeitslohn einbehaltenen Steuerabzugsbeträge.

2. Das FA hat zu Recht die vom Arbeitslohn des Antragstellers (Ehemannes) einbehaltenen und abgeführten Steuern nicht an diesen erstattet, sondern den Erstattungsbetrag, soweit er auf den Antragsteller entfiel, an dessen (Pfändungs-)Gläubiger ausgezahlt. Mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses war das Einziehungsrecht hinsichtlich des dem Antragsteller zustehenden Erstattungsanspruchs - soweit die Pfändung reichte - auf den Pfändungsgläubiger übergegangen (vgl. Senat in BFHE 160, 128, BStBl II 1990, 520, 522). Da im Falle der Zusammenveranlagung der Erstattungsanspruch nicht den Eheleuten zur gesamten Hand, sondern - ggf. anteilig - dem jeweiligen einzelnen Ehegatten zusteht, konnte der Anspruch des Ehemannes unmittelbar gepfändet werden. Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller bedurfte es nicht der Pfändung eines Auseinandersetzungsanspruchs. Mit der Überweisung des anteiligen Erstattungsbetrages an den Pfändungsgläubiger ist das FA dem Antragsteller gegenüber von seiner Leistungspflicht frei geworden; der Erstattungsanspruch ist - wie im Abrechnungsbescheid festgestellt - auch insoweit erloschen.

3. Die Einwendungen der Antragsteller gegen die vorstehend dargestellte Rechtsauffassung greifen nicht durch. Das Steuerschuldverhältnis ist kein vertragliches, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis. Deshalb ist die Frage, ob ein Erstattungsanspruch besteht und wem dieser zusteht, allein aus dem Gesetz zu beantworten (hier § 37 Abs. 2 AO 1977). Für ausdrückliche oder stillschweigende Willensäußerungen der Eheleute über die Rechtsinhaberschaft eines sich bei der Zusammenveranlagung ergebenden Steuererstattungsanspruchs - wie bei dem von den Antragstellern angeführten Vergleichsfall eines gemeinschaftlich mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrages - ist deshalb kein Raum. Selbst wenn die Eheleute übereinstimmend davon ausgehen, daß der steuerliche Erstattungsanspruch ihnen gemeinsam zusteht, so muß in den Fällen der Drittberechtigung (z. B. Abtretung, Verpfändung, Pfändung) die materielle Anspruchsberechtigung aufgrund des Gesetzes (§ 37 Abs. 2 AO 1977) geprüft werden. Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, daß im Falle des BFH-Urteils in BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162 - im Gegensatz zum Streitfall - ein Aufteilungsbescheid (§§ 268 ff. AO 1977) ergangen war, ist dieser Umstand für die dortigen Rechtsausführungen nicht bedeutsam geworden, da die Aufteilung der Steuerschuld nicht das Streitjahr betraf.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417682

BFH/NV 1992, 145

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Basic. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge