Leitsatz (amtlich)

§§ 1 und 4 des Straßengüterverkehrsteuergesetzes vom 28. Dezember 1968 (BGBl I 1968, 1461) waren mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

Normenkette

StGVStG §§ 1, 4, 7; AO § 131; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12, 14, 70, 105, 74 Nrn. 11, 22

 

Tatbestand

Der V. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat durch den angefochtenen Beschluß vom 30. März 1972 die Vollziehung zweier Straßengüterverkehrsteuerbescheide in dem von der Antragstellerin beantragten Umfang ausgesetzt, weil er die Verfassungsmäßigkeit der §§ 1 und 4 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs (Straßengüterverkehrsteuergesetz - StGVStG) vom 28. Dezember 1968 (BGBl I, 1461) für ernstlich zweifelhaft hält. Die Gründe entsprechen im wesentlichen (wenn auch verkürzt) denen zweier Beschlüsse des gleichen Senats vom 5. Mai 1972, in denen dieser die Entscheidung des BVerfG darüber nachgesucht hat, ob die genannten Vorschriften mit dem GG vereinbar sind (Entscheidungen der FG 1972 S. 406, 408 ...)

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Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde des FA ... ist begründet. Der BFH kann die Zweifel des FG an der Gültigkeit der §§ 1 und 4 StGVStG nicht teilen ...

Die Straßengüterverkehrsteuer war eine Steuer im Sinne des GG. Dabei ist es entgegen der Ansicht des FG unerheblich, welche Motive den Gesetzgeber bei Verabschiedung dieses Gesetzes geleitet haben. Denn das Erfordernis des Steuerbegriffs, daß die Abgabe "zur Erzielung von Einkünften" auferlegt wird, stellt weder auf die Motive und Ziele des ... Gesetzgebers ab noch auf die gewollten oder ungewollten mittelbaren Auswirkungen des Abgabengesetzes, sondern allein darauf, ob die auferlegte Abgabe zur Erzielung von Einkünften eines öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens führt, ohne eine "Gegenleistung für eine besondere Leistung" darzustellen oder als Umlage oder in anderer unmittelbarer Zweckbindung der freien Verfügung des Abgabengläubigers entzogen zu sein.

Daß es für den Begriff der Steuer nur auf die Art der Abgabe und ihre Verwendung, nicht aber auf die Motive und Fernziele des (subjektiven) Gesetzgebers oder des (objektiven) Gesetzesinhalts ankommt, wird am deutlichsten bei den Zöllen. Sie sind Steuern auch dann, wenn sie als Schutzzölle eine ausschließlich repressive Tendenz haben und - so das FG für das Straßengüterverkehrsteuergesetz - "der Sinn des Gesetzes am besten dann erreicht wird, wenn das Steueraufkommen Null ist".

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Die gegenteilige Auffassung des FG kann sich nicht auf § 1 Abs. 1 Satz 1 AO stützen. Diese Vorschrift bezeichnet als Steuern "einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft." ... Bei der Übertragung dieser Definition in die Begriffsbildung des GG darf aber nicht übersehen werden, daß § 1 Abs. 1 AO als Vorschrift des einfachen Rechts nicht dazu bestimmt war und nicht dazu bestimmt sein konnte, eine allgemein und im besonderen auch für den Reichsgesetzgeber verbindliche Definition des Steuerbegriffs zu geben. Vielmehr war (und ist) der Geltungsbereich der in §§ 1, 2 AO definierten "Grundbegriffe" zwangsläufig auf das Steuerrecht beschränkt. .... Jedes künftige Abgabengesetz des Reiches hatte gleichen Rang wie die Reichsabgabenordnung. Daher mußten alle Fragestellungen ausscheiden, die nur Sinn haben unter dem Aspekt, daß die Zulässigkeit der neuen Abgabe am Steuerbegriff der Reichsabgabenordnung zu messen sei....

Andererseits ist für die Bestimmung des grundgesetzlichen Begriffs der Steuer zu beachten, daß die Gesetzgebungskompetenz für eine solche Art. 70, 105 GG und nicht Art. 70, 71 ff. GG, die Verwaltungskompetenz Art. 108 GG und nicht Art. 30, 83 ff. GG zu entnehmen ist. Die Qualifikation einer Abgabe als Steuer oder als andere Abgabe kann also ... zu unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen führen. ... Die Problematik dieser Fragestellung kann im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben. Denn der Bund hatte beiderlei Kompetenzen. Seine Kompetenz unter steuerlichen Gesichtspunkten folgte aus Art. 105 GG, die für die wirtschaftslenkenden Momente des Straßengüterverkehrsteuergesetzes aus Art. 74 Nr. 11 GG, die für den Einfluß des Gesetzes auf den Straßenverkehr und das Kraftfahrwesen aus Art. 74 Nr. 22 GG.

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Nach Ansicht des FG verlangt Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 15 und Art. 20 Abs. 1 GG "die Einhaltung der Wettbewerbsfreiheit", in die der Staat nur in zweierlei Weise eingreifen dürfe: Zum einen - aber nur subsidiär - durch eigene Beteiligung am Wirtschaftsleben, zum anderen - unter den Erfordernissen der Bestimmtheit, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit - durch Reglementierung des Wettbewerbs Privater.

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Eine absolute Freiheit des Wettbewerbs ist unter einer staatlichen Ordnung nicht möglich; ... Denn andernfalls bestünde die Gefahr, daß die Wettbewerbsfreiheit der Stärkeren die Wettbewerbsfähigkeit der Schwächeren vernichten würde, nicht nur zu deren Schaden, sondern auch zum Schaden des Gemeinwohls. Aus dem letztgenannten Grunde kann ein legitimes Schutzbedürfnis auch dann bestehen, wenn der Staat selbst den im Wettbewerb schwächeren Wirtschaftszweig betreibt.

Unter den derzeitigen Verhältnissen ist davon auszugehen, daß ... nur noch der Staat in der Lage ist, das Eisenbahnwesen im Umfang des Betriebs der Deutschen Bundesbahn zu betreiben. Man kann daher dem Bund nicht vorwerfen, daß er ein "staatliches Monopolunternehmen" fördert. An der Erhaltung der Bundesbahn besteht ein dringendes öffentliches Interesse. Ihr regulärer Linienverkehr sowohl mit Personen als auch mit Gütern läßt sich nicht ersetzen außer durch einen anderen Linienverkehr. Dieser wäre der gleichen Gefahr des Defizits ausgesetzt, ganz abgesehen davon, daß er von dem vorhandenen Straßennetz nicht aufgenommen werden könnte.

Demzufolge ist das Bedürfnis, die Leistungsfähigkeit der Bundesbahn zu erhalten, nicht so sehr eine Frage der eigenwirtschaftlichen Interessen des Bundes (und damit seines Wettbewerbs mit anderen Beförderungsunternehmern), als seiner ordnungspolitischen Aufgaben im Bereiche der Wirtschaft ...

Eine wettbewerbsneutrale Belastung wäre ohnehin kaum erreichbar: einerseits hat die Bundesbahn ihren Gleiskörper selbst zu unterhalten, während die Transportwege der Kraftfahrzeuge aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden; andererseits fällt bei Kraftfahrzeugen auch Kraftfahrzeugsteuer an. Die Abwägung dieser Gesichtspunkte ist eine nicht justitiable Frage des politischen Wollens. ...

Die eine Alternative des FG, wonach die Lasten der Bundesbahn von denjenigen getragen werden sollen, zu deren Gunsten der Betrieb aufrechterhalten wird, liefe im Ergebnis auf eine Tariferhöhung hinaus. Sie würde eine Kettenreaktion auslösen. Denn sie würde weitere Benutzer der Bundesbahn, welche auf die Straße ausweichen können, der Bundesbahn entfremden. Die Folgen wären im Personen- und im Güterverkehr weitere Tariferhöhungen für die restlichen Benutzer, denen diese Möglichkeit nicht zur Verfügung steht, und eine Einschränkung des bisher betriebenen, noch weniger rentierlichen Linienverkehrs. Das Ergebnis wäre nicht nur unsozial (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG), sondern würde der Allgemeinheit auch durch zusätzliche Belastung (=Überlastung) der Straße schaden.

Damit bleibt die andere Alternative, die Bundesbahn aus Steuermitteln zu unterstützen. Das geschieht bereits. ... Für den Steuerzahler - aber auch für andere Güterverkehrsunternehmer und Werkverkehrsunternehmer als Konkurrenten der Bundesbahn - bleibt es sich gleich, ob die Bundesbahn - der Theorie nach - berechtigt erscheint, durchweg kostendeckende Tarife zu verlangen und unrentable Strecken und Fahrten einzustellen, wogegen der Bund bei entgegenstehenden Auflagen die Differenzbeträge als Subvention erbringen muß, oder ob der Bundesbahn von vornherein die sozialen Lasten dieser Art auferlegt sind, ihr Defizit aber aus dem allgemeinen Bundeshaushalt auszugleichen ist, oder ob eine Mischform gegeben ist, weil schon die Vorschriften des Bundesbahngesetzes von der Bundesbahn einerseits eine wirtschaftliche, andererseits aber auch eine dem Interesse der Allgemeinheit dienende Unternehmensführung verlangen.... Zu den allgemeinen Haushaltsmitteln gehörten auch die Einkünfte aus der Straßengüterverkehrsteuer; sie wird dadurch nicht zur Umlage.

Es ist nicht außergewöhnlich, daß diese Steuer nur bestimmte Vorgänge erfaßt (vgl. Grunderwerbsteuer) und nur auf gewissen Unternehmen lastet (vgl. Gewerbesteuer); man kann nicht das gesamte Steueraufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer entnehmen. Auch läßt sich nicht schlechthin die Forderung aufstellen, daß eine derartige (Sonder-)Steuer abwälzbar sein müsse. Denn wenn auch zuweilen die Abwälzbarkeit als finanztheoretisches Merkmal bestimmter Steuern angesehen wird, ist doch nicht zu verkennen, daß die effektive Abwälzbarkeit wesentlich von der volks- und betriebswirtschaftlichen Situation abhängt. In einem weiteren Sinne kann es daher sogar möglich sein, die Einkommensteuer "abzuwälzen", oder umgekehrt unmöglich sein, eine Zollbelastung abzuwälzen. Die Straßengüterverkehrsteuer ist zwar eine Steuer und als solche weder Beitrag noch Umlage; trotzdem ist es nicht abwegig, die Steuerlast unter anderem auch dem aufzuerlegen, der - wiederum unter anderem - den Finanzbedarf der öffentlichen Hand mittelbar erzeugt.

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Das FG nimmt offenbar an, dirigistische Mittel zur Beschränkung des Straßenverkehrs wären wirksamer gewesen. Indessen hat jedes System seine Vor- und Nachteile; bis zur Grenze eines Grundrechtsverstoßes liegt es allein beim Gesetzgeber, welche Nachteile er um bestimmter Vorteile willen in Kauf nehmen will. Ein Verbotskatalog für bestimmte Güter, welche - über bestimmte Entfernungen und je nach der Entfernung zum nächsten Verladebahnhof! - nicht auf der Straße befördert werden dürfen, wird stets entweder zu grobschlächtig oder zu subtil-perfektionistisch sein; ein unangreifbarer Mittelweg wäre - wie bei den meisten dirigistischen Maßnahmen - kaum zu finden ... Bedeutsamer ist indessen, daß jede dirigistische Maßnahme - als Eingriff in den (vom FG befürworteten) freien Wettbewerb - Sekundärfolgen nach sich zieht. Der - im übrigen freie - Markt versucht, sich den Primärfolgen eines solchen Gesetzes zu entziehen und auf Waren auszuweichen, die im Katalog nicht aufgeführt sind ... Unvermeidbar wäre eine Spätfolge solcher dirigistischen Maßnahmen, daß sich der Markt allgemein auf diese dirigistische Beeinflussung einstellt und Produktion und Handel die Rentabilität des Verkehrs mit bestimmten Gütern noch stärker als ohnehin unter dem Gesichtspunkt der Steuerbelastung sehen ...

Versteht man das Straßengüterverkehrsteuergesetz als Steuergesetz, ist die Folge, daß auch wertneutrale Vorgänge von der Steuer erfaßt werden, nicht außergewöhnlich. Die meisten Verkehrsteuern einschließlich der Umsatzsteuer haben keinen tieferen Sinn als den, dem Staate Geld zu bringen. Man könnte also allenfalls daran Anstoß nehmen, daß das Straßengüterverkehrsteuergesetz trotz wirtschaftslenkender Ziele über diese hinausgreift und dabei einen bestimmten Beruf - den des Beförderungsunternehmers - und eine bestimmte Berufsausübung - nämlich den Werkfernverkehr - besonders belastet.

In dieser Beziehung verliert das Bedenken des FG von vornherein dadurch an Gewicht, daß die Steuer für Beförderungen im Güterfernverkehr nur einen Pfennig je Tonnenkilometer beträgt (§ 4 Nr. 1 StGVStG), und daß der BdF gemäß § 7 StGVStG "unbeschadet der Vorschrift des § 131 AO" befugt war, die Steuer in den anderen Fällen (§ 4 Nr. 2 StGVStG) bis zur Höhe desselben Satzes, also bis auf 1 Pfennig je Tonnenkilometer, zu erlassen, "wenn das Unternehmen, das die Beförderung durchführt, wegen seiner Eigenart oder geographischen Lage den Werkfernverkehr für bestimmte Güter nicht entbehren, insbesondere auf die öffentlichen Verkehrsunternehmen nicht ausweichen kann und wenn das Unternehmen durch die Einziehung der Steuer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist oder geraten würde."

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Bei Beurteilung der Steuerbelastung mit einem Pfennig je Tonnenkilometer ist der bereits erwähnte Gesichtspunkt zu berücksichtigen, daß sich der Straßengüterverkehr auf öffentlichen Straßen bewegt, der nicht der Straßengüterverkehrsteuer unterliegende Schienenverkehr dagegen auf eigenen Wegen, welche das Eisenbahnverkehrsunternehmen selbst zu unterhalten hat. Man kann demnach in der Straßengüterverkehrsteuer, soweit sie auf diesen Steuersatz beschränkt bleibt, einen Ausgleich für die Mehrbelastung der Eisenbahnen und die Minderbelastung des Straßengüterverkehrs sehen (ohne daß die ser Gesichtspunkt - außer hinsichtlich der Zumutbarkeit der Steuer - für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Straßengüterverkehrsteuer von Belang wäre). In dieser Sicht und in diesem Umfang ist demnach die Straßengüterverkehrsteuer nicht dazu bestimmt, die ... Wettbewerbsgleichheit zu stören, sondern dazu, sie herzustellen. Der formelle Eingriff am Rande der Freiheit des Wettbewerbs soll die materielle Gleichheit der Wettbewerbschancen wiederherstellen ...

Ob ein Steuersatz von einem Pfennig je Tonnenkilometer die Mehrbelastung der Eisenbahnunternehmer durch die Unterhaltung ihrer Schienenwege (samt den Begleitkosten) erreicht, kompensiert oder überkompensiert, ist in diesem Verfahren nicht festzustellen. Denn auch insoweit, als das Straßengüterverkehrsteuergesetz einen solchen Ausgleich bezweckt, ist die Straßengüterverkehrsteuer keine "Gebühr" für die Straßenbenutzung, sondern eine Steuer. Als solche dient sie "zur Erzielung von Einkünften" und ist damit nicht auf den rechnerischen Ausgleich staatlicher Mehrbelastung beschränkt ...

Dabei verkennt der BFH nicht, daß der Straßengüterverkehr auch mit der Kraftfahrzeugsteuer belastet ist, und daß deren Sätze bei Lastkraftwagen um so höher werden, je schwerer diese sind (§ 11 KraftStG).... Wenn es überhaupt zulässig ist, über den allgemeinen Steuerbegriff hinweg einen keinesfalls rechtlichen, aber (unter Vereinigung der Ertragshoheit des Bundes und der Länder) wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den genannten Steuern auf der einen Seite und den Wegebaukosten und Wegeunterhaltungskosten auf der anderen Seite herzustellen, wird die Kraftfahrzeugsteuer für die Zulassung der Kraftfahrzeuge zum Gemeingebrauch der öffentlichen Straßen erhoben, die Straßengüterverkehrsteuer aber wegen deren gewerblicher Sondernutzung.

Dieses gedankliche Bild rechtfertigt nicht, die Zulässigkeit dieser Steuern nach den Gesichtspunkten zu beurteilen, nach denen ... die Zulässigkeit von Gebühren zu beurteilen ist. Daher kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang das Straßengüterverkehrsteuergesetz die Mehrbelastung der Straßen durch den Fernverkehr mit Gütern und etwa deshalb erforderlichen zusätzlichen Erhaltungs- und Reparaturaufwand und die Kosten für den Bau neuer Straßen ausgeglichen hat.

Die Unterschiedlichkeit der Steuersätze für den genehmigten Güterfernverkehr und für den Werkfernverkehr verletzt nicht den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der genehmigte Güterfernverkehr ist ein selbständiges Gewerbe; der Werkfernverkehr ist nur ein Teil der Ausübung eines Gewerbes, dessen Schwergewicht in einem anderen Bereiche liegt ... Der Unternehmer eines genehmigten Güterfernverkehrs und der Unternehmer mit Werkfernverkehr sind nach den Maßstäben, die der Lenkungszweck des Strßengüterverkehrsteuergesetzes gibt, deshalb nicht gleich, weil der Güterfernverkehrsunternehmer ein Gewerbe betreibt, das allein schon deshalb notwendig ist, weil im Schienen- und Schiffsverkehr nach Lage der Schienenwege und der Wasserstraßen und der Besonderheiten dieser Verkehrsmittel nicht jedes Gut von jedem Ort aus und an jeden Ort mit der erforderlichen Sorgfalt und Beschleunigung befördert werden kann. Die Zahl der Genehmigungen wird durch § 9 GüKG auf das erforderliche Maß begrenzt; zumindest ist das der Zweck dieser Vorschrift. Entsprechende Begrenzungen und Genehmigungspflichten sind für den Werkfernverkehr praktisch undurchführbar...

Eine Inkonsequenz des Gesetzes ist dabei allerdings nicht zu übersehen: Weder das Straßengüterverkehrsteuergesetz noch das Güterkraftverkehrsgesetz verhindern, daß der zuvor mit der Steuer auf den Werkfernverkehr belastete Unternehmer - statt sich künftig des Transportmittels der Eisenbahn zu bedienen - auf den Straßengüterfernverkehr durch einen zu diesem zugelassenen Beförderungsunternehmer ausweicht, und damit für das verkehrspolitische Ziel des Gesetzes nichts gewonnen ist (die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Strßengüterverkehrsteuergesetz vom 28. Januar 1969 erwähnt in Abschnitt 28 Nummer 5 diesen Fall sogar ausdrücklich als zumutbaren Ausweg) ... Dieser Mangel gesetzgeberischer Zielsetzung konnte sich jedoch nicht in größerem Umfang auswirken, weil § 9 GüKG die Zahl der erteilbaren Güterfernverkehrsgenehmigungen beschränkt. Ein ernstlicher Defekt würde sich deshalb nicht so sehr an der Zielsetzung des Steuergesetzes auswirken als an einer unzureichenden Verkehrsbedienung durch das Güterkraftverkehrsgewerbe. Ein etwaiger Fehler hätte demnach nicht im Steuergesetz, sondern im Güterkraftverkehrsgesetz gelegen; er wäre für die verfassungsrechtliche Würdigung des Straßengüterverkehrsteuergesetzes nicht von Belang.

Die Bedenken des Antragstellers gegen die Staffelung der Steuer nach der zulässigen Nutzlast der benutzten Fahrzeuge (§ 4 Nr. 2 StGVStG) teilt der BFH nicht. Die Straße leidet um so mehr, je schwerer die Kraftfahrzeuge sind. Nicht gleich zwangsläufig - da von der Motorstärke des einzelnen Fahrzeugs abhängig - erhöhen schwerere Fahrzeuge die Verkehrsbelastung der Straßen. Jedenfalls aber sind die schwereren Lastkraftwagen fähig, mehr Nutzlast zu führen, und jedenfalls werden sie mit steigender Nutzlast schwerfälliger und damit auch gefährlicher ... Das Differenzierungsmerkmal ist also geeignet, den Zwecken des Gesetzes zu dienen ... Darum liegt auch keine Gleichheitswidrigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) in der Befreiung der Beförderungen mit leichteren Kraftfahrzeugen durch § 2 Nr. 1 StGVStG; einer Umgehung des Gesetzeszwecks beugen die betriebsinternen Mehrkosten vor ...

Von verfassungsrechtlicher Bedeutung bleibt die Frage, ob die Mehrbelastung des Werkfernverkehrs auch den Unternehmern gegenüber zu rechtfertigen ist, welche nicht auf den - "begünstigten" (weil nicht erfaßten) - Schienenverkehr ausweichen können. Für diese schafft aber § 7 StGVStG das erforderliche Ventil. Ob der BdF ... von der ihm dort eingeräumten Befugnis zum teilweisen Erlaß der Steuer richtigen Gebrauch macht, unterliegt ... in der Hauptsache in gleichem Maße der gerichtlichen Nachprüfung, wie es für die Beachtung einer entsprechenden unmittelbar wirksamen Tarifvergünstigung gälte (Art. 19 Abs. 4 GG); für ein nur beschränkt nachprüfbares (§ 102 FGO) Ermessen läßt die Vorschrift keinen Raum (obschon sie wegen ihrer rechtstechnischen Ausgestaltung nicht unter § 229 Nr. 6 AO fällt). Sie unterscheidet sich darin von § 131 AO ...; andernfalls wäre § 7 StGVStG dem § 131 AO gegenüber (überflüssig oder) zumindest insofern falsch gefaßt, als der dort beschriebene Tatbestand nicht nur als ein Anwendungsfall des § 131 AO bezeichnet wurde.

Eine relative Unschärfe enthält § 7 StGVStG zwar in der normativen Tatbestandsvoraussetzung, daß das Unternehmen (der Unternehmer) bei voller Besteuerung "in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist oder geraten würde". Sie muß aber zwangsläufig nach den Zielen des Gesetzes interpretiert werden; der Fall "wirtschaftlicher Schwierigkeiten" kann nicht auf die Fälle der Jahresabschlüsse mit Verlusten oder gar der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung beschränkt werden ...

Das Übergangsproblem, welches das FG bei den Vorlagebeschlüssen als zusätzliches, aber nicht minder wesentliches Bedenken im Auge hatte, wird allerdings durch den Wortlaut des Gesetzes allein nicht klar genug beantwortet. Es ist jedoch mit einer ständigen Rechtsprechung zu lösen, welche unabhängig vom Straßengüterverkehrsteuergesetz entstanden und schon seit langem anerkannt ist ...

In der Zeit zwischen der Verkündung des Umsatzsteuergesetzes vom 29. Mai 1967 und dem Zustandekommen des Straßengüterverkehrsteuergesetzes und seiner Verkündung konnten also die Unternehmer davon ausgehen, daß eine entsprechende Steuer nicht mehr erhoben werde. Die Frage des FG und der Antragstellerin, was ein Unternehmer, der sich vor Inkrafttreten des Straßengüterverkehrsteuergesetzes einen Fuhrpark angeschafft habe, nach Inkrafttreten des Gesetzes mit diesem tun solle, ist demnach berechtigt.

Wäre das Gesetz ... als Dauergesetz mit dem Grundgesetz vereinbar, so kann angesichts der Möglichkeiten des § 131 AO seine Gültigkeit nicht am Fehlen einer Übergangsregelung scheitern. Anders könnte es nur dann sein, wenn nach dem Zusammenhang des Gesetzes angenommen werden müßte, daß der Gesetzgeber etwaige unbillige Härten des Übergangs bewußt hätte in Kauf nehmen wollen ... Das ist aber nicht zu belegen; der ausdrückliche Hinweis des § 7 StGVStG auf § 131 AO spricht eher dafür, daß sich der Gesetzgeber der Unvollkommenheit des Gesetzes bewußt war und von deren Bereinigung mittels § 131 AO ausging. Die Ausformung der gesetzlichen Tatbestände allein beweist nicht, daß der Gesetzgeber alle tatbestandsnotwendigen Konsequenzen gewollt hätte ...; ein bewußter Wille zu verfassungswidrigen Ergebnissen kann so wenig unterstellt werden wie ein bewußter Wille zur unbilligen Härte. Daher kann und muß einer etwa gar verfassungswidrigen Unbilligkeit eines Einzelfalles, die etwa durch das Fehlen einer Übergangsregelung entstanden ist, im Wege des § 131 AO abgeholfen werden. Daß § 131 AO auch dazu dienen kann, vom Zweck des Gesetzes nicht geforderten unbilligen Härten tatbestandlicher Rechtsfolgen ..., insbesondere in Übergangsfällen abzuhelfen, ist seit langem anerkannt, so bei Änderung der Rechtsprechung und Verwaltungsübung ... oder auch nur der Rechtsprechung ..., vor allem aber auch bei einer Gesetzesänderung ... Ist dieses Ventil gegeben, kann aber das Gesetz nicht als Ganzes wegen Fehlens einer Übergangsregelung für die Fälle etwa verfassungswidriger "Unzumutbarkeit" nichtig sein.

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Ein weiteres Bedenken leitet das FG daraus ab, daß das Straßengüterverkehrsteuergesetz zunächst auf zwei Jahre befristet war (§ 14). Es ist später um ein Jahr verlängert worden und dann ersatzlos ausgelaufen. In rückschauender Betrachtung mag deshalb die Frage nach dem tieferen Sinn eines solchen Gesetzes nicht abwegig sein ...

Verfassungspolitisch, rechtspolitisch und wirtschaftspolitisch mögen dagegen schwere Bedenken zu erheben sein, verfassungsrechtlich aber nicht. Zwar dürfte ein Gesetz, das sinnlos belastet, gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG verstoßen. "Sinn-los" in des Wortes genauer Bedeutung war die Straßengüterverkehrsteuer aber selbst dann nicht, wenn sie nur auf die Dauer von zwei Jahren eine schwache Entlastung der Straße und eine geringe Förderung des Schienenverkehrs bewirkt hätte. Sie war auch für diese zwei und mit Verlängerung drei Jahre nicht sinnlos in der gemeinsprachlichen Bedeutung des Wortes; ... Die optimale Lösung der dem Gesetzgeber vorliegenden Probleme ist aber keine Frage des Verfassungsrechts, sondern eine solche der Politik.

Vermutlich steht das FG auch bei Erörterung dieses Punktes unter dem Eindruck seines in den Vorlagebeschlüssen zuvor dargestellten Standpunktes, die Erwartung des Gesetzgebers, das "Zwangsmittel einer kostenerhöhenden Abgabe" werde eine "Güterumlegung auf die Schiene" bewirken, "beweise", daß "die Privatwirtschaft das Geschäft der Güterbeförderung besser, weil billiger, zu erbringen" vermöge. Die Frage ist insoweit aber nicht, ob die Eisenbahnen privatwirtschaftlich rentabler betrieben werden könnten als von der öffentlichen Hand; selbst ein betriebswirtschaftlicher Vergleich zwischen der Güterbeförderung auf der Bahn und der Güterbeförderung auf der Straße wäre etwas komplizierter, als ihn das FG gesehen hat. Der vom FG gezogene Schluß ist schon deshalb fehlerhaft, weil es insoweit nicht auf eine betriebswirtschaftliche, sondern auf eine volkswirtschaftliche Betrachtungsweise ankommt. Für die Volkswirtschaft ist aber ein Massenverkehr auf der Schiene billiger als ein Massenverkehr auf der Straße.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70159

BStBl II 1973, 94

BFHE 1973, 315

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