Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerdeeinlegung durch Computerfax; Begründungsanforderungen an die Beschwerdeschrift; Aussetzung des Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

  1. Dem gesetzlichen Schriftformerfordernis des § 115 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO ist Genüge getan, wenn der Kläger die Beschwerdebegründung durch Computerfax ‐ ohne eigenhändige Unterschrift ‐ an das FG übermittelt.
  2. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache genügt es nicht vorzutragen, das anhängige Verfahren stelle ein Musterverfahren für weitere von diesem Sachverhalt betroffene Steuerpflichtige dar.
  3. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO durch das FG kommt nicht in Betracht, wenn die vom Kläger als vorgreiflich erachteten Verfahren im Zeitpunkt der Entscheidung durch das FG nicht mehr "anhängig" i.S. des § 74 FGO sind.
 

Normenkette

FGO §§ 74, 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 Sätze 1-3

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Beschwerdebegründung durch Computerfax ―ohne eigenhändige Unterschrift― an das Finanzgericht (FG) übermittelt hat. Zwar ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten werden soll (§ 115 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), jedoch ist einer Beschwerdeschrift die Erfüllung der gesetzlich erforderlichen Schriftform, zu der grundsätzlich auch die eigene Unterschrift gehört, nicht schon deshalb abzusprechen, weil sie durch moderne elektronische Medien ―wie im Streitfall durch Computerfax― übermittelt wird und mangels Vorhandenseins eines körperlichen Originalschriftstücks beim Absender eine eigenhändige Unterzeichnung nicht möglich ist. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronisch übermittelten Schriftsatzes ist nicht eine etwa beim Absender vorhandene (und original unterzeichnete) Kopiervorlage oder eine im absendenden Computer befindliche Datei, sondern allein die auf Veranlassung des Absenders bei dem empfangenden Gericht erstellte körperliche Urkunde. Der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, kann auch im Falle einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Entspricht ein Beschwerdebegründungsschriftsatz ―wie im Streitfall― inhaltlich den grundsätzlichen prozessualen Anforderungen, so ist die Person des Erklärenden schon dadurch hinreichend bestimmt, dass am Ende des Schriftstücks der Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht eigenhändig zu unterzeichnen vermag (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 GmS-OGB 1/98, Neue Juristische Wochenschrift 2000, 2340).

2. Die Beschwerde ist jedoch unzulässig, soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO). Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung begehrt, muss in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Hierfür reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Der Beschwerdeführer muss vielmehr konkret darauf eingehen, inwieweit die Problematik im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Insbesondere die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert insoweit eine Auseinandersetzung mit den zu dieser Frage in der Rechtsprechung, im Schrifttum und ggf. von der Verwaltung vertretenen Auffassungen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. Februar 1996 VIII B 1/95, BFH/NV 1996, 617, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt insbesondere an einer Auseinandersetzung mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung und den einschlägigen Äußerungen in der Literatur zu den streitgegenständlichen Fragen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 8. Dezember 1999 III B 72/99, BFH/NV 2000, 704). Es genügt insoweit auch nicht vorzutragen, das anhängige Verfahren stelle ein Musterverfahren für weitere von diesem Sachverhalt betroffene Steuerpflichtige dar.

3. Die Beschwerde ist auch unzulässig, soweit der Kläger die Abweichung des angefochtenen Urteils von den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84 und 1 BvL 4/86 (BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653) und vom 12. Juni 1990 1 BvL 72/86 (BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664) bzw. deren unzureichende Berücksichtigung rügt. Denn der Kläger hat nicht die vermeintlich sich widersprechenden Rechtssätze im angefochtenen Urteil und den genannten BVerfG-Beschlüssen in der Beschwerdebegründung dergestalt herausgearbeitet, dass aus ihrer Gegenüberstellung die behauptete Divergenz ohne weiteres erkennbar wird.

4. Die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

Offen bleiben kann, ob der Kläger mit seinem Vorbringen, das FG habe seine Klage nicht abweisen dürfen, sondern Entscheidungen des BVerfG und des BFH zur Höhe des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen und zur Beschränkung des Abzugs der Sozialversicherungsbeiträge abwarten müssen, einen Verfahrensfehler schlüssig behauptet hat. Denn jedenfalls ist die Entscheidung des FG, das Klageverfahren nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen, nicht zu beanstanden. Die Entscheidung, das Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, stellt eine Ermessensentscheidung des FG dar. Ausnahmsweise können besondere Umstände des Einzelfalles das FG zu einer Aussetzung des Verfahrens zwingen. Übt das FG das ihm insoweit zustehende Ermessen nicht oder nicht richtig aus, liegt darin ein Verfahrensfehler, der ―bei schlüssiger Rüge― zur Zulassung der Revision führen kann (BFH-Beschluss vom 8. Mai 1991 I B 132/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641).

Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO durch das FG kam im Streitfall jedoch nicht in Betracht, da die vom Kläger als vorgreiflich erachteten Verfahren im Zeitpunkt der Entscheidung durch das FG am 28. Februar 2000 nicht mehr "anhängig" i.S. des § 74 FGO waren. Im Übrigen waren die vom Kläger angeführten, angeblich vorgreiflichen Verfahren nicht geeignet, die streitgegenständlichen Rechtsstandpunkte des Klägers im Klageverfahren zu stützen.

Die vom Kläger als vorgreiflich erachteten Verfahren vor dem BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung des Sonderausgabenabzugs für Vorsorgeaufwendungen wurden vom BVerfG durch Beschlüsse vom 27. Februar 1997 1 BvR 1220/88 (Steuer-Eildienst 1997, 250) und vom 20. August 1997 1 BvR 1300/89 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 937) nicht zur Entscheidung angenommen. Die vom Kläger als vorgreiflich erachteten Verfahren vor dem BFH waren, soweit sie für die Streitsache von Bedeutung waren, im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung des FG vom BFH bereits entschieden und daher nicht mehr anhängig i.S. des § 74 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 1998 X R 38/93, BFH/NV 1999, 163, zum Ansatz von Rentenversicherungsbeiträgen als Werbungskosten; BFH-Urteile vom 1. April 1998 X R 154/94, BFH/NV 1998, 1349, zur Kürzung des Vorwegabzugs von Vorsorgeaufwendungen bei Tod des Steuerpflichtigen im Jahre 1987; vom 20. August 1997 X R 159/94, BFH/NV 1998, 442, zur Kürzung des Vorwegabzugs bei Anrechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b des Handelsgesetzbuchs ―HGB― auf den Versorgungsanspruch; vom 4. März 1998 X R 109/95, BFH/NV 1998, 1466, zur Kürzung des Vorwegabzugs für Versicherungsbeiträge bei zusammen veranlagten Eheleuten; vom 19. Mai 1999 XI R 99/96, BFH/NV 2000, 22, zur Kürzung des Vorwegabzugs bei Pflichtversicherten). Das vom Kläger ebenfalls als vorgreiflich erachtete Verfahren X R 63/91 wird nach Abgabe an den VI. Senat unter dem Aktenzeichen VI R 96/91 geführt und ist nur noch hinsichtlich der Kinderfreibeträge anhängig; soweit der Revisionsantrag im Verfahren VI R 96/91 den beschränkten Sonderausgabenabzug betraf, wurde er zurückgenommen.

Soweit der Kläger weitere Verfahrensmängel geltend macht, fehlt es schon an der hinreichenden Bezeichnung des Mangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 FGO; zu den Anforderungen an die schlüssige Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht und des Übergehens von Beweisanträgen durch das FG vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 120 Anm. 40).

5. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe weiterer Gründe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 447421

BFH/NV 2001, 321

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