Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

1. Gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in dem Beschluß ausdrücklich zugelassen worden ist (Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG). Hierzu reicht der Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, die Beschwerde an den BFH sei statthaft, nicht aus.

2. In den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann von der Beiladung Dritter, die zum Hauptverfahren notwendig beizuladen wären, abgesehen werden.

 

Normenkette

FGO § 60 Abs. 3, § 115 Abs. 2; BFHEntlG Art. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Eine Privatärztliche Verrechnungsstelle (PVS) beantragt beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Landesfinanzminister, im folgenden Finanzminister), die von ihr gegründete Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH) als Steuerberatungsgesellschaft gemäß §§ 49 f. des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) anzuerkennen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) als örtlich zuständige Steuerberaterkammer. Sie vertritt die Ansicht, die Gründung der GmbH durch die PVS und ihre Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft verstoße gegen die Bestimmungen des § 4 Nr. 7 (Befugnis zu nur beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen), § 32 Abs. 3 Satz 2 (Nachweis der eigenverantwortlichen Führung der Steuerberatungsgesellschaft durch einen Steuerberater) und § 8 StBerG (Werbeverbot). Die Antragstellerin beantragte beim Finanzgericht (FG), dem Finanzminister im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzugeben, von einer Anerkennung der GmbH bis zum rechtskräftigen Abschluß der beim FG erhobenen Unterlassungsklage abzusehen. Nachdem der Finanzminister die GmbH dennoch als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt hatte, beantragte die Antragstellerin, die Vollziehung des Bescheids des Finanzministers bis zum rechtskräftigen Abschluß des Klageverfahrens auszusetzen.

Das FG lehnte durch Beschluß vom 6. März 1985 sowohl den Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 FGO als auch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Anerkennungsbescheides nach § 69 FGO ab. Nach der dem Beschluß beigefügten Rechtsmittelbelehrung sollte gegen diesen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) statthaft sein.

Die Antragstellerin hat gegen den Beschluß des FG Beschwerde eingelegt, mit er sie lediglich den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung weiterverfolgt. Sie beantragt, unter Abänderung der Vorentscheidung die Vollziehung des Bescheids des Finanzministers bis zum rechtskräftigen Abschluß des Klageverfahrens auszusetzen, hilfsweise, das Verfahren, soweit es den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung betrifft, an das FG zurückzuverweisen.

Die GmbH, um deren Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft gestritten wird, beantragt, sie zu dem Beschwerdeverfahren gemäß § 60 Abs. 3 FGO beizuladen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde, mit der sich die Antragstellerin ausdrücklich nur gegen die Ablehnung der beantragten Aussetzung der Vollziehung des der GmbH als Steuerberatungsgesellschaft erteilten Anerkennungsbescheides wendet, ist unzulässig. Nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) steht den Beteiligten gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend. Der angefochtene Beschluß des FG enthält keine Ausführungen über die Zulassung der Beschwerde wegen einer oder mehrerer der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe. Die Beschwerde ist deshalb nicht statthaft.

Für die Zulassung der Beschwerde nach Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG ist im Gesetz keine besondere Form vorgeschrieben. Nach der Rechtsprechung des BFH zur Zulassung der Revision durch das FG (§ 115 Abs. 1 und 2 FGO), auf die die hier maßgebliche Vorschrift Bezug nimmt, muß die Zulassung - auch wenn dies im Hinblick auf die Rechtsklarheit erwünscht ist - nicht ausdrücklich in die Urteilsformel aufgenommen werden. Vielmehr genügt es, wenn die Zulassung des Rechtsmittels unter Hinweis auf den Zulassungsgrund oder die gesetzliche Bestimmung erkennbar aus den Urteilsgründen hervorgeht (BFH-Urteile vom 24. November 1964 VII 237/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 130; vom 12. Februar 1965 VI 96/64, HFR 1965, 557; vom 5. November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139). In einem Einzelfall ist auch der in der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils unter Hinweis auf die grundsätzliche Bedeutung der Streitsache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) enthaltene Ausspruch, daß die Revision zulässig sei, als Revisionszulassung anerkannt worden (BFH-Beschluß vom 12. April 1967 VI R 321/66, BFHE 88, 361, BStBl III 1967, 396). Da die Zulassung jedoch ausdrücklich erfolgen muß, besteht nach der Rechtsprechung des BFH kein Zweifel, daß eine Rechtsmittelbelehrung, die lediglich die Revision (früher: Rechtsbeschwerde) gegen das Urteil des FG für zulässig erklärt, noch keine Zulassung des Rechtsmittels darstellt. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung, nach deren Inhalt ein Rechtsmittel zulässig wäre, kann demnach nicht zur Folge haben, daß ein nach dem Gesetz unzulässiges Rechtsmittel als zulässig behandelt wird (Urteil in HFR 1965, 130, und BFH-Urteil vom 3. September 1964 II 106/64, HFR 1965, 73; ebenso Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 115 FGO Tz. 72; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Tz. 38).

Die vorstehenden für die Zulassung der Revision entwickelten Grundsätze gelten für die Zulassung der Beschwerde gegen den die Vollziehung ablehnenden Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 FGO entsprechend (vgl. Art. 1 Nr. 3 Satz 2 BFHEntlG). Daraus folgt, daß aus der dem angefochtenen Beschluß beigefügten Rechtsmittelbelehrung, nach der die Beschwerde gegeben sein soll, die nach Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG erforderliche Zulassung dieses Rechtsmittels nicht entnommen werden kann. Weder aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses noch aus dem Inhalt der Rechtsmittelbelehrung ist die Absicht des FG erkennbar, die Beschwerde gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung zulassen zu wollen. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 3 Satz 2 BFHEntlG, § 115 Abs. 2 FGO) wird vom FG nirgends angedeutet. Die Rechtsmittelbelehrung ist deshalb hinsichtlich der nach § 69 Abs. 3 FGO ergangenen Entscheidung zur Aussetzung der Vollziehung des Anerkennungsbescheides fehlerhaft. Es ist davon auszugehen, daß sie sich lediglich auf die im selben Beschluß enthaltene ablehnende Entscheidung über die beantragte einstweilige Anordnung beziehen sollte (§ 128 Abs. 1 FGO), für die die Rechtsmittelbeschränkung nach dem BFHEntlG nicht gilt, und das FG es versäumt hat, die unterschiedlichen Anfechtungsmöglichkeiten seiner beiden Entscheidungen deutlich zum Ausdruck zu bringen. Von der Anfechtbarkeit der Entscheidung über die beantragte einstweilige Anordnung will die Antragstellerin aber nach ihrem ausdrücklichen Vorbringen keinen Gebrauch machen. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung kann die Zulässigkeit der Beschwerde nicht begründen.

2. Im Streitfall wären für das Hauptverfahren die GmbH, um deren Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft gestritten wird, und die PVS, die nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt den Antrag auf Anerkennung beim Finanzminister gestellt hat, notwendig beizuladen, da die Entscheidung über die Wirksamkeit der Anerkennung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 60 Abs. 3 FGO). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH kann aber in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen nach § 69 Abs. 3 FGO die Aussetzung der Vollziehung oder gemäß § 114 FGO der Erlaß einer einstweiligen Anordnung begehrt wird, eine Beiladung deswegen unterbleiben, weil die Entscheidungen in diesem Verfahren nicht in materielle Rechtskraft erwachsen und die Vorschrift des § 60 Abs. 3 FGO über die notwendige Beiladung nach ihrem Sinn auf den endgültigen Rechtsschutz zugeschnitten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. August 1978 IV B 41/77, BFHE 125, 356, BStBl II 1978, 584, 587, 588, und vom 22. Oktober 1980 I S 1/80, BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99; ebenso Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Tz. 2). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß das FG die GmbH und die PVS nicht zu dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren beigeladen hat. Der Senat sieht auch von einer Beiladung im Beschwerdeverfahren ab. Dies inbesondere auch deshalb, weil die Beschwerde der Antragstellerin nicht statthaft ist und die gegensätzlichen Interessen der GmbH und der PVS somit von der gerichtlichen Entscheidung nicht berührt werden können (vgl. BFH-Entscheidungen vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509, 510; vom 25. April 1977 IV S 3/77, BFHE 122, 18, BStBl II 1977, 612, und vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632). Der Beiladungsantrag der GmbH war demnach abzulehnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414284

BFH/NV 1986, 419

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