Entscheidungsstichwort (Thema)

Tatsachenvortrag bei Autodidakten

 

Leitsatz (NV)

Wer geltend macht, eine Berufstätigkeit auszuüben, die einem der Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlich ist, und sich die Kenntnisse und Fähigkeiten dafür selbst angeeignet zu haben, muß Tatsachen zu Art und Weise des Selbststudiums und zur praktischen Anwendung des Fachwissens vortragen. Unterbleibt entsprechender Tatsachenvortrag, kommt die Einholung eines Gutachtens durch das Gericht nicht in Betracht.

 

Normenkette

FGO § 81 Abs. 1, § 76 Abs. 1 S. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht von einer Beweisaufnahme abgesehen. Die Erhebung eines Beweises (§ 81 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) dient dazu, dem Gericht eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob entscheidungserhebliche Tatsachen, die entweder zwischen den Beteiligten streitig oder sonst unklar sind, vorliegen. Zu der Beweisaufnahme kann es nur kommen, wenn überhaupt entscheidungserhebliche und beweisbedürftige Tatsachen festgestellt worden sind (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 81 FGO Tz. 1 f.). Die Beweiserhebung tritt deshalb nicht an die Stelle der Tatsachenfeststellung, sondern setzt sie voraus.

Im Streitfall war nach der zutreffenden Rechtsauffassung des FG entscheidungserheblich, ob sich der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mangels anderweitiger Ausbildung die für den Architektenberuf erforderlichen theoretischen Kenntnisse als Autodidakt verschafft hat. Die Feststellung dieser Tatsache kann in der Regel nicht direkt, sondern nur auf dem Umweg über die Feststellung von Hilfstatsachen erfolgen, wie Art und Weise sowie Dauer des Selbststudiums einerseits und tatsächliche Anwendung des Fachwissens andererseits. Im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht hat das FG zwar diese Hilfstatsachen zu ermitteln, denn nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dieser Amtsermittlungsgrundsatz wird aber durch die Mitwirkungspflicht des Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Danach ist der Beteiligte gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 FGO verpflichtet, sich über alle tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit entsprechend zu erklären (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. März 1985 I R 7/81, BFHE 145, 502, BStBl II 1986, 318, und vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Im Streitfall hatte das FG den Kläger nicht nur formularmäßig nach Klageeingang zur Angabe der entscheidungserheblichen Tatsachen aufgefordert, sondern im Anschluß an den Beschluß im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung unter Bezugnahme auf die dort gegebene Begründung ergänzenden Sachverhaltsvortrag erbeten. Damit hat das Gericht seiner Aufklärungspflicht genügt, denn andere Möglichkeiten zur Feststellung des Sachverhalts bestanden für das FG nicht. Es war Sache des Klägers, spätestens in der mündlichen Verhandlung zu Art und Weise und Dauer des Selbststudiums sowie zur tatsächlichen Anwendung des Fachwissens in der praktischen Arbeit vorzutragen.

Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang die Behauptung des Klägers, in der mündlichen Verhandlung die Einsichtnahme in mitgebrachte praktische Arbeiten angeboten zu haben. Zum einen hätte sich aus diesen Arbeiten nichts zu der Frage ergeben, wie der Kläger sich die Fachkenntnisse eines Architekten angeeignet hat. Zum anderen ergibt sich weder aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung noch den Entscheidungsgründen, daß dieses Angebot gemacht worden ist. Prozeßrechtlich hätte es sich dabei um einen Antrag zur Erhebung des Beweises durch Einnahme des Augenscheins gehandelt (§§ 81 Abs. 1 Satz 2, 82 FGO i. V. m. § 371 ff. der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Auf einen nicht protokollierten Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung kann man sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde aber nur berufen, wenn man vorträgt, von der Möglichkeit eines Antrags auf Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i. V. m. § 164 ZPO Gebrauch gemacht zu haben (BFH-Beschluß vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562). Daran fehlt es im Streitfall.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421753

BFH/NV 1997, 116

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