Pflichtteilsansprüche, die nach § 2303 BGB Eheleuten, eingetragenen Lebenspartnerschaften, Kindern, ggf. Enkelkindern und ggf. Eltern zustehen, bieten im Erbschaftsteuerrecht manche Gestaltungsmöglichkeit zur Reduzierung der Erbschaftsteuer; insbesondere dann, wenn der Todesfall bereits eingetreten ist und ungünstige Regelungen von Todes wegen nicht mehr geändert werden können. Sollen nach Eintritt des Todesfalls Gestaltungen gefunden werden, die zu einer geringeren steuerlichen Belastung für die gesamte Familie führen, dürfte eine Beratung zu den erbrechtlichen Voraussetzungen und Folgen eines Pflichtteilsanspruchs grundsätzlich von § 5 Abs. 1 RDG umfasst sein. Denn Angehörige der steuerberatenden Berufe sind bereits aus steuerlichen Gründen mit einzelnen rechtlichen Aspekten des Pflichtteilsrechts befasst, insbesondere wenn es darum geht, den Kreis der Pflichteilsberechtigten zu bestimmen, um zu klären, ob ein Pflichtteilsrecht Erbschaftsteuer auslöst und ob ein Pflichtteilsanspuch ggf. als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar ist.

Auch die Frage der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruch ist erbschaftsteuerlich von erheblicher Bedeutung, da nur ein geltend gemachter Pflichtteilsanspruch erbschaftsteuerlich beachtlich ist. Daher dürfte die Beratung zu Fragen rund um die Geltendmachung eines Pflichtteils und deren rechtlichen Folgen, zumindest in weniger komplizierten Fällen als Nebenleistung zur Beratung im Zusammenhang mit der Optimierung der erbschaftsteuerlichen Belastung grundsätzlich zulässig sein.

Schwieriger ist die Rechtslage dann, wenn durch eine Strafklausel die pflichtteilsberechtigten Personen davon abgehalten werden sollen, den Pflichtteil geltend zu machen. Eine Strafklausel kann z. B. bestimmen, dass bei Geltendmachung des Pflichtteils durch ein Kind nach dem Versterben des ersten Elternteils dieses Kind beim 2. Erbfall enterbt sein soll. Erbrechtliche Beratungen zu den zivilrechtlichen Folgen einer solchen Strafklausel stellen m. E. den Grenzbereich der Beratungsbefugnis nach § 5 RDG dar, da es sich hierbei um z. T. schwierigere erbrechtliche Fragestellungen handelt. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass gerade bei Anordnung einer Strafklausel ein Bedürfnis dafür besteht, zu den zivilrechtlichen Möglichkeiten zu beraten, um steuerlich die persönlichen Freibeträge nach der zuerst verstorbenen Person in Anspruch nehmen zu können. Gerade wegen der mit einer Beratung zu Strafklauseln bei Pflichtteilsansprüchen verbundenen Haftungsrisiken sollte vor Durchführung einer solchen Beratung der Fall mit der eigenen Berufshaftpflichtversicherung und/oder Kammer abgestimmt werden.

 
Praxis-Beispiel

Beratung zu Pflichtteilsansprüchen

Die Eheleute A und B haben 3 gemeinsame Kinder (K1, K2, K3). Durch ein sog. Berliner Testament haben sich die Eheleute gegenseitig als Erbin/Erben eingesetzt und bestimmt, dass nach dem Tod des zweiten Elternteils die Kinder zu gleichen Teilen erben sollen. Um zu verhindern, dass ein Kind den Pflichtteil bereits nach dem Tod des ersten Elternteils gelten macht, haben sie bestimmt, dass ein Kind, dass den Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils gegen den Willen des überlebenden Elternteils geltend macht, beim zweiten Todesfall enterbt ist. A verstirbt, sein Vermögen beträgt 1,2 Mio. EUR, das durch das Berliner Testament die B erbt. Die Kinder sind nach A enterbt. Steuerberaterin S, die die Eheleute steuerlich schon seit Jahren beraten hat, wird mit der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung beauftragt. Im Zusammenhang damit prüft sie, ob es sinnvoll sein kann, dass die 3 Kinder ihren Pflichtteil nach dem Vater A geltend machen, um den Reinnachlass der Mutter zu vermindern und die den Kindern gegenüber dem Vater zustehenden Freibeträge nutzen zu können. Sie fragt sich, ob sie umfassend zu Pflichtteilsrecht und den Auswirkungen der Strafklausel beraten darf, um den Beteiligten Möglichkeiten aufzuzeigen, Erbschaftsteuer zu sparen.

Die Beratung zu den zivilrechtlichen Folgen der Geltendmachung eines Pflichtteils auch vor dem Hintergrund der Strafklausel ist dem Inhalt und Umfang nach Nebenleistung zur steuerlichen Beratung zur Optimierung der Erbschaftsteuer beim jetzigen und späteren Todesfall, ein sachlicher Zusammenhang zu einer steuerlichen Beratung ist gegeben. Fraglich ist, ob die für die Rechtskenntnisse, die Angehörige der steuerberatenden Berufe im Zusammenhang mit Pflichtteilsrechten haben, so umfassend sind, dass auch im Zusammenhang mit Strafklauseln beraten werden darf. Die fehlerhafte Anwendung einer Strafklausel kann dazu führen, dass eine pflichtteilsberechtigte Person durch die Geltendmachung des Pflichtteils beim ersten Todesfall beim zweiten Todesfall enterbt wird. Die richtige Beurteilung einer solchen Strafklausel kann erbrechtlich kompliziert sein. Deshalb ist es fraglich, ob eine Beratung zu einer Strafklausel noch von § 5 RDG umfasst ist, wenn die Beratung erfolgt, um steuerlich optimale Ergebnisse zu erzielen. Im o. g. Beispiel dürfte m. E. die Gren...

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